TOP II: Ausbeutung junger Ärztinnen und Ärzte

2. Tag: Mittwoch, 23. Mai 2001 Nachmittagssitzung

Bodendieck, Sachsen:

Verehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich stehe hier als noch recht junger Arzt. Ich bin niedergelassener Allgemeinarzt und mit der Tätigkeit der Klinikärzte vor langer Zeit vertraut gewesen. Auch damals musste sehr viel gearbeitet werden. Auf der einen Seite steht die ethisch-moralische Verpflichtung des Arztes, die schon jedem Studienanfänger klar sein sollte; auf der anderen Seite stehen die zunehmenden Anforderungen an den Arztberuf, der immense Fortschritt in der Medizin. Ich glaube, hier kommt es zu dem großen Konflikt. Die älteren Kollegen hier mögen auch geteilter Meinung sein und erklären: Auch wir sind damals ins kalte Wasser geschmissen worden und das hat uns nicht so sehr geschadet.

Das ist sicherlich richtig. Auf der anderen Seite darf man nicht vergessen, dass der Arztberuf einer zunehmenden Kriminalisierung unterliegt und jeder, der mit ein wenig Staatsmacht betraut ist, schaut, wo man den Arzt an die Kandare nehmen und ihm eins reinwürgen könnte. Ich möchte es so frustriert ausdrücken.

Es ist durchaus legitim - ich unterstütze das auch -, die Staatsanwälte aufzurufen, auch das Thema Ausbeutung zu bearbeiten.

Eine Fragebogenaktion des Ausschusses junger Ärzte der Landesärztekammer Sachsen, für den ich hier auch spreche, hat das Ergebnis gezeitigt, dass nur 40 Prozent der Weiterbilder von der vollen Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes überzeugt sind, allerdings nur 15 Prozent der Weiterzubildenden das auch anerkennen können.

Die Weiterbilder erklären, 27 Prozent der Weiterbildungsinhalte könnten während der Weiterbildungszeit vermittelt werden; 16 Prozent der Weiterzubildenden halten dies für möglich.

In vielen Kliniken fehlt das Rotationsprinzip, was zu deutlich unterschiedlichen Einschätzungen geführt hat.

Ich möchte einschränkend hinzufügen, dass die Ergebnisse noch nicht vollständig ausgewertet sind, sondern Zwischenergebnisse darstellen, die in Vorbereitung auf diesen Ärztetag ermittelt wurden.

Ich als junger Kollege bin in großer Sorge hinsichtlich dessen, was uns erwartet. Wir müssen ja nur die demographische Entwicklung im Bereich der Ärzteschaft betrachten. Herr Dr. Montgomery hat darauf verwiesen, dass von 12 000 Studienabgängern nur noch 6 000 als Arzt arbeiten. Wie soll das weitergehen?

Ich fürchte mich nicht davor, irgendwann keine Arbeit mehr zu haben, sondern ich fürchte mich davor, zu viel Arbeit zu haben. Wir können die jungen Kolleginnen und Kollegen durch die abstoßende Art und Weise ihrer Ausbildung - das beginnt ja bereits während des Studiums - nicht mehr dazu motivieren, nach dem Studium ihren Arztberuf so verantwortungsvoll durchzuführen, wie wir es erwarten.

Danke.

(Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident:

Vielen Dank, Herr Bodendieck. - Der nächste Redner ist Herr Dr. Hoffert aus Berlin.

© 2001, Bundesärztekammer.