TOP II: Ausbeutung junger Ärztinnen und Ärzte

2. Tag: Mittwoch, 23. Mai 2001 Nachmittagssitzung

Dr. Kaiser, Westfalen-Lippe:

Lieber Herr Hoppe! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Jahrzehntelang sind in Deutschland die geleisteten Überstunden und Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz schlicht und einfach geleugnet worden. Gott sei Dank sind wir endlich an einem Punkt angelangt, dass dies nicht mehr geschieht und nicht mehr geschehen kann. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft, vertreten durch führende Repräsentanten, hat öffentlich bei Kundgebungen zugegeben, dass das deutsche Krankenhauswesen durch Millionen von geleisteten Überstunden von Ärzten, Pflegekräften und anderen seit Jahrzehnten subventioniert wird.

Auch die Ministerin hat es gestern zugegeben. Unser Präsident hat es in der Öffentlichkeit deutlich gemacht. Dieser Ärztetag beschäftigt sich schwerpunktmäßig damit. Wir sind also an einem Punkt, an dem nicht mehr vertuscht werden kann, dass es dieses Phänomen gibt. Das sind sozusagen zunächst einmal die Diagnose und die Herstellung von Öffentlichkeit, damit dieser Missstand beseitigt wird.

Das ständige Gejammere der Krankenhäuser, für die Bezahlung von Überstunden, für die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes und für die Einstellung zusätzlicher Ärztinnen und Ärzte sei kein Geld da, geht meines Erachtens ins Leere. Wir sind, wie Herr Flenker eben schon ausführte, eines der reichsten Länder der Welt. Niemand soll uns erzählen, dass es in diesem System und in dieser Gesellschaft nicht möglich sein soll, die erforderliche Anzahl von Ärztinnen und Ärzten zusätzlich einzustellen.

Im Bereich der Wirtschaft wird beispielsweise der Bergbau seit Jahrzehnten hoch subventioniert. Keinem Bergmann würde zugemutet, unter Tage zu fahren und eine unbezahlte Überstunde zu leisten. Geschähe dies trotzdem, würde bei der Konzernleitung am nächsten Tag die Bude gestürmt, würden die Scheiben eingeschlagen. Es gäbe Riesendemonstrationen und einen ungeheuren Aufstand wegen Ausbeutung, Betrug usw.

Aber im Krankenhausbereich werden diejenigen, die sich bis jetzt nicht gewehrt haben bzw. meinten, sich nicht wehren zu können, schlicht und einfach um ihren gerechten Lohn gebracht.

(Beifall)

In diesem Zusammenhang möchte ich die kirchlichen Krankenhausträger an ihre besondere Verantwortung erinnern.

(Beifall)

Es gibt Verlautbarungen der Deutschen Bischofskonferenz zur Bedeutung der Gewerkschaften. Dort steht etwas darüber, wie sich diese um die Belange der Arbeitnehmer zu kümmern haben. Im nicht mehr ganz so neuen kanonischen Recht gibt es, wie ich glaube - Herr Mitrenga weiß es wahrscheinlich -, einen Paragraphen, in dem von einem gerechten Lohn für die bei der Kirche Beschäftigten die Rede ist. Es wäre einmal zu prüfen, ob die Fälle derjenigen, die in kirchlichen Krankenhäusern beschäftigt sind und wider das Tarifrecht um ihren gerechten Lohn gebracht werden, nicht etwas

beispielsweise für das Kirchengericht wären. Ich stelle einmal rein rhetorisch diese Frage.

(Beifall)

Fazit: Die Krankenhäuser werden die geleistete Arbeit notwendigerweise vergüten müssen. Tun sie es nicht, werden sie auf dem Gebiet der DRGs verlieren. Angesichts der sich ändernden Arbeitsmarktsituation werden sie in Zukunft gar nicht mehr über diejenigen Ärzte verfügen, die sich von ihnen ausbeuten lassen.

Vielen Dank.

(Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident:

Danke sehr, Herr Kaiser. - Jetzt bitte Frau Dr. Tempka aus Berlin.

© 2001, Bundesärztekammer.