TOP II: Ausbeutung junger Ärztinnen und Ärzte

2. Tag: Mittwoch, 23. Mai 2001 Nachmittagssitzung

Dr. Kuhnigk (als geladener Gast):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Präsident hat bereits erläutert, dass ich vom Arbeitskreis "Junge Ärztinnen und Ärzte" der Ärztekammer Berlin komme. Ich kann mich der Aussage von Herrn Pickerodt anschließen: Auch ich finde es schade, dass so wenige junge Kolleginnen und Kollegen hier vertreten sind.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren der Presse! Unser Arbeitskreis besteht aus 22 jungen Kolleginnen und Kollegen aus Berlin - Ärzte im Praktikum, Ärzte in der Weiterbildung -, die sich regelmäßig treffen und über die Zustände diskutieren. Wir haben uns im Vorfeld dieses Ärztetages über drei Monate Gedanken gemacht, was wir uns eigentlich wünschen. Viele unserer Wünsche sind hier bereits artikuliert worden. Unser Entschließungsantrag umfasst drei Punkte:

Erstens bitten wir den Deutschen Ärztetag, die Abschaffung des AiP zu fordern.

Zweitens möchten wir, dass der Deutsche Ärztetag die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes und die Umsetzung des EuGH-Urteils fordert.

Drittens wenden wir uns an den Deutschen Ärztetag, die Qualitätssicherung der Weiterbildung zu fordern.

Diese Forderungen finden Sie im Antrag II-20.

Ich bin beeindruckt und erfreut, dass ich heute vor so vielen gestandenen Ärzten reden darf, die dieser Tagesordnungspunkt leider nicht mehr unmittelbar betrifft. Das stimmt mich traurig. Ich wünsche mir, ein Drittel der Delegierten wären junge Ärzte, die unmittelbar betroffen sind. Ich glaube, dies würde den Forderungen Nachdruck verleihen. Ich bin hocherfreut, dass es Applaus gibt, wenn sich auch ältere Kollegen dafür einsetzen, dass der AiP abgeschafft wird. Dafür möchte ich bereits im Vorfeld danken.

Ich bitte Sie, sich die Situation vorzustellen, unter der die jungen Ärztinnen und Ärzte zurzeit arbeiten. Ich glaube, das wird manchen von Ihnen aus verständlichen Gründen schwer fallen. Die Ausführungen der Kollegin aus Kiel waren sehr eindrücklich. Ich bitte Sie, diese Schilderung auf sich wirken zu lassen.

Der AiP ist zurzeit kein AiP. Normalerweise ist es so, dass man nach einer maximalen Einarbeitungszeit von sechs Wochen als normaler Assistenzarzt arbeitet. Diese Arbeitsleistung wird verlangt und auch erbracht. Dabei muss man berücksichtigen, dass junge Ärzte natürlich mehr Zeit benötigen. Das heißt, ihre Arbeitszeit ist länger als die der älteren Assistenten. Dadurch ist die Arbeitsbelastung größer und es bleibt weniger Zeit für die eigene Weiterbildung. Das ist, wie wir damals im Studium gelernt haben, ein so genannter Circulus vitiosus.

In der Regel gibt es keine geeigneten wirklich relevanten Fortbildungsmaßnahmen für AiPler. In den angelsächsischen Ländern wird nach dem Vorbild beispielsweise bei einer Lumbalpunktion "see one, do one, teach one" gelehrt. In Deutschland lässt sich die Situation zurzeit zusammenfassen als: do one and try it again.

Ich möchte Sie bitten, sich einmal vorzustellen, dass Ihre Angehörigen bei uns in der Rettungsstelle sind. Das Ganze ist ein viel komplexeres Problem. Ich könnte auch noch berichten über den Missbrauch von jungen Ärztinnen und Ärzten als Stationssekretärinnen, als Dokumentationsassistenten. Das ist heute zum Teil bereits geschehen.

Meine Damen und Herren, dieser Missstand existiert nur, weil die Arbeitsleistung von Jungärzten nicht vergütet wird. Würde sie angemessen bezahlt, hätten wir billigere Arbeitskräfte. Das wären dann Stationssekretärinnen und Dokumentationsassistenten. Ich glaube, dafür müssen wir uns einsetzen.

Ich möchte jetzt nicht auf die soziale Situation der jungen Ärztinnen und Ärzte eingehen; dazu werden noch Frau Brendler vom Arbeitskreis und Herr Schubert sprechen. Die Situation ist einfach nicht mehr tragbar. Deswegen bitte ich Sie, dem Antrag II-20 zuzustimmen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident:

Vielen Dank für Ihre Ausführungen. - Der nächste Redner ist Herr Schubert. Herr Kollege Schubert kommt ebenfalls aus Berlin und ist geladener Gast. Herzlich willkommen!

© 2001, Bundesärztekammer.