TOP III: Novellierung der (Muster-)Weiterbildungsordnung

3. Tag: Donnerstag, 24. Mai 2001 Nachmittagssitzung

Prof. Dr. Encke (als geladener Gast):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herzlichen Dank für die Gewährung eines kurzen Rederechts. Die AWMF - das sind 130 Fachgesellschaften - kann natürlich nicht mit einer einzigen Stimme sprechen; dazu sind die Interessen viel zu divergent. Ich muss mich deshalb auf einige allgemeine Bemerkungen beschränken.

Die AWMF begrüßt ausdrücklich die Novellierung der Weiterbildungsordnung. Um der Entwicklung der Medizin gerecht zu werden, muss dies aber kontinuierlich und zeitnah geschehen. Die Beispiele, die wir immer wieder aus der Unfallchirurgie und der Orthopädie gehört haben, belegen dieses. Wir haben nur auf diesem Wege Einfluss auf die Krankenhausstrukturen; denn wir sind uns darüber im Klaren, dass es sich nicht nur um eine Bildungsordnung, sondern ganz wesentlich um eine Strukturordnung handelt und dass naturgemäß die Interessen der einzelnen Fachgesellschaften hier oft weit auseinander gehen.

Dennoch ist es notwendig, hier zu einem Konsens zu kommen, wenn wir selbst noch Einfluss auf die Strukturen des Krankenhauses ebenso wie der niedergelassenen Praxis und auf die Verknüpfung zwischen ambulanter und stationärer Medizin nehmen wollen.

Sehr am Herzen liegt uns - Ihnen wahrscheinlich auch - die Bildungsordnung für den ärztlichen Nachwuchs. Hier ist Flexibilität gefordert. Diese Flexibilität muss der Entscheidung der Jüngeren für einen bestimmten Berufszweig je nach Chancen und auch Neigungen, die sich oft erst während der Ausbildung einstellen, Rechnung tragen. Sie muss auch dem Inhalt der Weiterbildung beispielsweise in den operativen Fächern Rechnung tragen, um nicht völlig unerfüllbare oder illusionäre Weiterbildungskataloge zu verfolgen.

Die Qualität der Weiterbildung ist naturgemäß ein besonderes Anliegen der wissenschaftlichen Fachgesellschaften, wobei wir für uns in Anspruch nehmen, dass wir die Anforderungen an die Weiterbildungsinhalte bestimmen müssen, aber wir erkennen ebenso an, dass diese Inhalte von den Kammern bezüglich ihrer Umsetzbarkeit in der Praxis überprüft werden müssen. Hier scheint es mir sinnvoll, dass man in Zukunft mehr gemeinsame Kommissionen beschäftigt, als nur zu Anhörungen oder persönlichen Interventionen mit den entsprechenden Delegierten der Weiterbildungsausschüsse zu Lösungen zu kommen.

Der Teil A - Definitionen und Regularien - kann meines Erachtens nicht ohne die Teile B und C abschließend beurteilt werden. Das wurde in der Beschlusslage zum Antrag 45 auch deutlich; denn die Detailprobleme der Teile B und C werden zwangsläufig Korrekturen erfordern.

Die Definition der Begriffe wird teilweise von uns begrüßt, teilweise bereitet sie, offen gesagt, Zahnschmerzen. Die moderne Medizin lebt von der Interdisziplinarität. Als Beispiele darf ich die Onkologie, die Transplantations- und die Intensivmedizin nennen. Hier ist es notwendig, Flexibilität und Transparenz zu schaffen und keine Aufzeichnung strenger Gebietsgrenzen zu betreiben. Anderenfalls ist die Folge, dass nur noch additive spezielle Kompetenzen zusammenkommen, aber eine generelle oder koordinierende Kompetenz in Form von Personen kaum noch eine Chance hat. Diese benötigen wir aber beispielsweise in der Onkologie. Hier werden Sie mir sicher zustimmen.

Eine Arbeitsteilungsordnung muss das Überschreiten von Grenzen durch Ärzte mit übergeordneter und koordinierender Kompetenz ermöglichen. Es muss auch gewährleistet bleiben, dass der Zugang zu den verschiedenen Weiterbildungsinhalten allen, die diese nötig brauchen, offen steht.

Große Zahnschmerzen bereitet uns die Intensivmedizin, weil wir glauben, dass der Bereich, der die fakultative Weiterbildung ersetzen soll, nicht der Bedeutung dieses besonderen Arbeitsgebiets entgegenkommt. Es ist letztlich eine Methode, die zunehmend in der modernen Medizin für viele Fächer einen integrativen Bestandteil nicht nur ihrer Tätigkeit, sondern auch ihrer qualifizierten Ausbildung darstellt. Es muss unseres Erachtens ein Weg gefunden werden, dieses gemeinsame Anliegen der Weiterbildung in der Intensivmedizin allen beteiligten Fachgebieten zugänglich zu machen.

Enttäuscht hat mich Ihre Entschließung bezüglich der Anerkennung von Auftragsforschung oder wissenschaftlicher Tätigkeit im Rahmen der Weiterbildung. Die klinische Forschung wird in unserem Lande von allen Innen- und Außenstehenden angemahnt. Die klinische Forschung ist darauf angewiesen, dass wir auch in der Weiterbildung strukturell und bildungsmäßig die Forschung und die wissenschaftliche Tätigkeit berücksichtigen. Nur so ist es möglich, auch die Anliegen der klinischen Forschung aus den Universitätskliniken in die Krankenhäuser und in die Praxen zu übertragen, auf deren Mitarbeit wir angewiesen sind, wenn wir beispielsweise bei Therapieoptimierungsstudien in der Onkologie überhaupt zu vernünftigen Ergebnissen kommen wollen.

Ein weiterer Punkt, den ich ansprechen möchte, sind die Prüfungen. Prüfungen müssen im internationalen Vergleich stringent sein. Dies betrifft die Prüflinge, aber auch die Überwachung oder Überprüfung der Weiterbildungsermächtigten. Die Weiterbildungskataloge, die zwar heute noch nicht zur Diskussion standen, müssen erfüllbar sein und eine Flexibilität aufweisen. Sie können nicht nur aus Abrechnungsüberlegungen von den Einzelnen verfochten werden. Hier haben zweifellos auch die AWMF bzw. die medizinischen Fachgesellschaften eine Verpflichtung, zu einem vernünftigen Abgleich der unterschiedlichen Interessen zu kommen. Hier ist sicher die Hilfe der Ärztekammer sehr erwünscht.

Das sind einige Punkte allgemeiner Art zum Teil A und der hier zu beschließenden Dinge. Mein Anliegen ist es, Sie zu bitten, im Sinne von Herrn Lob und Herrn Holfelder, die das hier vorgetragen haben, so schnell wie möglich die notwendige Änderung der Weiterbildungsordnung zu ermöglichen, um den Jüngeren, die beispielsweise in der Orthopädie/Unfallchirurgie - es gibt auch andere Beispiele - eine Ausbildung suchen, einen Weg zu ebnen und auch hier eine sinnvoll begonnene Annäherung zwischen zwei Fächern entsprechend zu unterstützen.

Die AWMF würde es sehr begrüßen, wenn dies gemeinsam mit den Kammern geschähe, denn wir betrachten uns sozusagen als der wissenschaftliche Zwillingsbruder, wenn ich es einmal so ausdrücken darf.

Vielen Dank.

(Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident:

Vielen Dank, Herr Professor Encke, für Ihre Ausführungen, Ihre klaren Voten. Die Kontaktaufnahme und die ständige Zusammenarbeit zwischen der AWMF und der Bundesärztekammer wird sorgfältig gepflegt werden.

Der nächste Redner wäre Herr Professor Kunze, falls er zum Antrag 36 sprechen möchte. - Das ist der Fall. Bitte sehr.

© 2001, Bundesärztekammer.