Anhang B
Abgelehnte, zurückgezogene und entfallene Anträge

TOP I: Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG I - 12

Von: Prof. Dr. Kahlke

als Delegierter der Ärztekammer Hamburg

DER DEUTSCHE ÄRZTETAG MÖGE FOLGENDE ENTSCHLIESSUNG FASSEN:

Mit der Präimplantationsdiagnostik (PID) hat die medizinische Forschung ein Verfahren entwickelt, das ethische Probleme für das ärztliche Berufsrecht und die Gesundheitspolitik aufwirft. Darüber hinaus betrifft die PID mit ihrer Möglichkeit einer vorgeburtlichen Auswahl die sozialethischen Grundlagen unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens.

Die Etablierung dieser Methode bedeutet, dass die Entscheidung, welche Kinder ausgeragen werden sollen und welche nicht, bereits vor der Schwangerschaft getroffen wird, um die Geburt von bestimmten kranken und behinderten Kindern zu verhindern und stellt damit den Einzug einer genetischen Selektion in die medizinische Praxis dar.

Die von einem schweren genetischen Risiko Betroffenen dürfen auch von uns Ärztinnen und Ärzten nicht allein gelassen werden; gleichwohl wird es schwer sein, sie um Verständnis dafür zu bitten, dass es auch angesichts ihrer als große Belastung empfundenen Situation kein Recht auf ein genetisch gesundes Kind gibt, welches gegenüber der Gesellschaft geltend gemacht und mit medizinisch-technischer Hilfe eingelöst werden könnte.

Mit der Etablierung von PID mit ihrer verbrauchenden Embryonenforschung und der Erzeugung überzähliger Embryonen würde das menschliche Maß in der modernen Medizin verlassen. Dieses Verfahren ist mit dem ärztlichen Berufsethos nicht vereinbar; der 104. Deutsche Ärztetag spricht sich deshalb dafür aus, PID nicht in die medizinische Praxis aufzuehmen und das Embryonenschutzgesetz in seiner gegenwärtigen Fassung zu beassen.

Begründung:

Für die Einführung der Präimplantationsdiagnostik (PID) wird häufig argumentiert, dass durch die Vorauswahl des zu implantierenden Embryos ein möglicher Schwangerschaftsabbruch vermieden werden könnte. Diese beiden Maßnahmen lassen sich jedoch nicht vergleichen: Der Schwangerschaftsabbruch erfolgt, um eine als unerträglich bzw. unzumutbar empfundene Belastung der Schwangeren abzuwehren, die anders nicht abzuwenden ist; das Verwerfen eines ungewollten Embryos im Rahmen der PID erfolgt mit dem Ziel, den Anspruch auf ein bestimmtes Kind zu erfüllen. Eine Notlage, die durch kein anderes Mittel abzuwenden wäre, liegt hier nicht vor.

Die im Diskussionsentwurf des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesärztekammer (Deutsches Ärzteblatt 97, 3. März 2001) geforderten äußerst restriktiven Zulassungskriterien werden sich weder juristisch noch medizinisch begründen und halten lassen: Frauen bzw. Paare, die auf eine In-vitro-Fertilisation angewiesen sind, würden früher oder später eine genetische Überprüfung des zu implantierenden Embryos einklagen können.

Während in den Gremien, in denen über die PID verhandelt wird, Experten verschiedener Disziplinen zusammenkommen, fehlen die "Experten" der Betroffenen: So teilten beispielseise die in der Selbsthilfevereinigung Mukoviszidose e.V. vertretenen Eltern und Patienten "die schweren Bedenken gegen eine Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (PID)" und "wehren sich dagegen, dass Mukoviszidose immer wieder als Paradebeispiel für die schwersten genetischen Erkrankungen" genannt wird, für die PID zugelassen werden sollte.

Mit der Einführung der PID würden immer mehr Indikationen und Patientenwünschen Tür und Tor geöffnet. Schon jetzt ist ein zunehmendes ökonomisches Interesse an diesem Embryonen erzeugenden Verfahren zu erkennen.

ENTSCHEIDUNG: ABGELEHNT

© 2001, Bundesärztekammer.