Dr. Gitter, Bremen:
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dietrich,
ich habe in meiner täglichen ärztlichen Arbeit die Realität
doch ein bisschen anders wahrgenommen als Sie. Wohin ein kassengesteuertes
Gesundheitssystem führt, konnte ich gerade gestern wieder erfahren,
als ich mit einer Krankenkasse diskutieren musste. Wir hatten ein
Kind mit einem Hydrocepha-lus aufgenommen, der zum Ausschluss einer
Ventildysfunktion ventilversorgt ist. Sie alle wissen, dass dies
ein Notfall ist und einer raschen und zum Teil auch sehr aufwendigen
Abklärung bedarf. Man bekommt glücklicherweise sehr schnell
heraus, ob so etwas vorliegt oder nicht. Wenn eine andere Ursache
ge-funden wird, kann das Kind schnell aus der Spezialbehandlung
entlassen werden.
Das hat die Kasse zum Anlass genommen, die Notwendigkeit des Krankenhausaufenthalts
zu bestreiten und die Bezahlung zu verweigern. Die Diskussion zunächst
einmal auf Sachbearbeiterebene führt natürlich zu nichts.
Man kann das nicht regeln. Es wird eine Anfrage geben, einen Papierkrieg,
der mich davon abhält, meine Patienten zu versorgen. Stattdessen
muss ich die unsinnige Krankenkassenanfrage beantworten. Mir ist
schon angekündigt worden, dass man im weiteren Fortgang mit
dem MDK argumentieren will.
Wenn man mehr ärztlichen Sachverstand auf Kassenebene schaffen
will, bedeutet dies, dort noch mehr aufzurüsten und mehr Mediziner
zu haben, die dann ihrerseits bei der Patientenversorgung fehlen.
Ich frage mich, welchen Sinn das haben soll, wenn wir bereits jetzt
einen Mangel bei der ärztlichen Versorgung feststellen müssen.
(Beifall)
Es wurde gesagt, vielleicht könnten wir mit den Mitteln auskommen,
die dem System zur Verfügung stehen. Das könnte ich mir
auch gut vorstellen, wenn wir einmal den Begriff "Wirtschaftlichkeitsreserven
mobilisieren" anders verstehen, indem endlich damit aufgehört
wird, die vorhandenen Ressourcen zu verschwenden. Das Fallpauschalengesetz
ist ein Beispiel dafür. Da werden die Ärztinnen und Ärzte
in den Krankenhäusern dazu verpflichtet, Dokumentationsaufgaben
zu erfüllen, die allein der Abrechnung der Krankenhausleistungen
dienen. Sie haben mit der Dokumentation ärztlicher Arbeit nichts
mehr zu tun.
(Beifall)
Wir haben in Bremen aufgrund einer Umfrage festgestellt, dass täglich
etwa 40 Minuten der Arbeitszeit für diese Dokumentationen verwendet
werden müssen, überwiegend außerhalb der regulären
Arbeitszeit, während der unvergüteten und nicht in Freizeit
abgegoltenen Überstunden. Das machen die Ärztinnen und
Ärzte in den deutschen Krankenhäusern, damit die Patientenversorgung
noch gewährleistet bleibt.
Das werden wir so nicht fortführen, weil wir wollen, dass
endlich aufgehört wird mit der Verschwendung von Ressourcen,
die der Gesetzgeber verursacht hat. Nicht wir Ärzte verschwenden
Ressourcen.
(Beifall)
Prof. Dr. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer
und des Deutschen Ärztetages:
Vielen Dank, Frau Gitter.
Uns ist signalisiert worden, dass Frau Schlang möchte, dass
wir darüber abstimmen, ob Medizinstudierende zu Wort kommen
sollen. Das haben wir bei früheren Ärztetagen immer getan.
Ich weiß nicht, wie viele Medizinstudierende hier anwesend
sind. Vielleicht können Sie sich auf eine Vertreterin bzw.
einen Vertreter einigen und uns dann mitteilen, wer es ist. Der
Ärztetag hat wohl nichts dagegen, wenn eine solche Vertreterin
bzw. ein solcher Vertreter hier das Wort ergreift.
Ich frage, ob es eine Gegenstimme zum Auftritt einer Medizinstudentin
bzw. eines Medizinstudenten gibt. - Das ist nicht der Fall. Enthält
sich jemand der Stimme? - Gibt es den Antrag, mehrere Vertreterinnen
bzw. Vertreter sprechen zu lassen?
(Zuruf)
- Dreimal drei Minuten. Es dürfen sich also drei Rednerinnen
bzw. Redner zu Wort melden und jeweils drei Minuten sprechen. Wer
möchte diesem Antrag zustimmen? - Wer ist dagegen? - Wer enthält
sich? - Dann ist das mit ganz großer Mehrheit angenommen.
Aber eine Wortmeldung muss schon erfolgen; damit sind Sie sicher
einverstanden.
Als nächster Redner bitte Herr Kunze aus Bayern.
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