TOP I : Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik

1. Tag: Dienstag, 28. Mai 2002 Nur Nachmittagssitzung

Thomas (als geladener Gast):

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst für die Einladung zu diesem Deutschen Ärztetag und für die Einladung, hier zu Ihnen zu sprechen, bedanken. Bevor ich zu meinem eigentlichen Thema, der Approbationsordnung, komme, möchte ich kurz etwas Ergänzendes zu den Ausführungen des Vorredners sagen, der die Abschaffung des Numerus clausus gefordert hat. Natürlich sind die Abschaffung des Numerus clausus und eine individuelle Auswahl der Medizinstudenten wünschenswert und wird sicher denen, die dieses Fach studieren wollen, viel eher gerecht als eine Auswahl nach Abiturnoten. Aber das damit zu begründen, dass viele junge Mediziner aufgrund der Bedingungen abspringen und nicht in den Beruf einsteigen, sodass man dann sozusagen erklärt: Wir müssen uns Studenten suchen, die später zu den Bedingungen arbeiten, die vorherrschen, ist meiner Meinung nach der falsche Weg.

(Beifall)

In der Eröffnungsveranstaltung wurde es teilweise so dargestellt, als sei die jetzt verabschiedete Approbationsordnung ein großer Durchbruch, der bedauerlicherweise allerdings einige Jahre zu spät kommt. Dazu einige Punkte. Eine lange Beratungszeit an sich ist überhaupt kein Problem, wenn diese Beratungszeit benutzt worden wäre, um wirklich eine inhaltliche Überarbeitung des vorliegenden Entwurfs vorzunehmen. Das Problem besteht ja darin, dass diese Beratungszeit eigentlich nur dazu genutzt wurde, über formale Dinge zu streiten und über Geld zu streiten - was wieder einmal zeigt, wo hier die Prioritäten liegen. Eine wirklich gute Reform der Medizinerausbildung hätte noch etwas mehr Zeit benötigt, wie man auch an dem jetzt vorliegenden Entwurf sieht.

Das einzige Erfreuliche an diesem ganzen Prozess ist meiner Meinung nach, dass man am 16. Januar gesehen hat, dass sich zumindest die Medizinstudenten in einem viel stärkeren Maße für ihre Ausbildung interessieren, als das zuvor häufig in der Öffentlichkeit gesehen wurde. Sie sind durchaus bereit, für ihre Interessen einzutreten.

Lassen Sie mich kurz einige ganz wesentliche Schwächen der neuen Approbationsordnung erwähnen. Es kommt meiner Meinung nach nicht zu einer stärkeren Verzahnung von Vorklinik und Klinik, sondern es kommt dazu, dass das Physikum jetzt erstes Staatsexamen heißt und zu einem Drittel in die Note eingeht. Das heißt, vorklinische Inhalte, die eigentlich nur der Vorbereitung auf ein klinisches Studium dienen sollten, werden plötzlich in ihrer Wichtigkeit viel stärker betont und sind plötzlich für die Abschlussnote relevant. Inwieweit die Beherrschung der Chemie, in der man sicher gewisse Grundkenntnisse haben muss, etwas damit zu tun hat, ob man einen Patienten behandeln kann, was sich dann in einer Abschlussnote ausdrückt, bleibt meiner Meinung nach offen.

(Beifall)

Der zweite wichtige Punkt ist, dass man zwar einen fächerübergreifenden Unterricht fordert, aber die Anzahl der Fächer nicht etwa reduziert hat, sondern jedes Thema, das man in der medizinischen Ausbildung für wichtig hält, dadurch bedient hat, dass man einen weiteren Schein und ein weiteres Fach eingeführt hat. Wie soll denn ein junger Arzt später ein fächerübergreifendes Behandlungskonzept durchführen, wenn er in der Universität gelernt hat, dass jedes Fach separat unterrichtet werden muss und das Wichtigste an der Universität offensichtlich ist, dass jeder Fachvertreter seine eigenen Interessen bedienen kann und seine Fachinhalte vermittelt, während es kaum integrierte Lehrveranstaltungen gibt?

(Beifall)

Was die Frage der Abschlussprüfung angeht, so sind unsere Bedenken keineswegs ausgeräumt. Es wird hier wahrscheinlich zu einer Verlängerung der Studienzeiten kommen. Ich finde es sehr bezeichnend, dass der Bundesrat mit seiner Zustimmung zur Approbationsordnung gleichzeitig einen Antrag des Landes Nordrhein-Westfalen verabschiedet hat, in dem festgestellt wird, dass eine solche Verlängerung zu befürchten ist und hier, bevor das neue Examen das erste Mal in Kraft tritt, noch eine Änderung durchzuführen ist. Das heißt, man hat sozusagen etwas beschlossen und gleichzeitig gesagt, dass es nicht gut ist und dringend geändert werden muss. Das sagt meiner Meinung nach alles und ist relativ bezeichnend. Wir hoffen, dass es in den nächsten Jahren zu einer echten Reform des Medizinstudiums kommen kann, zu einem fächerübergreifenden, problemorientierten Unterricht, der den zukünftigen Anforderungen an unser Gesundheitswesen besser gerecht wird. Qualität fängt unserer Meinung nach im Studium an.

Vielen Dank.

(Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages:

Vielen Dank, Herr Thomas. Ihre Wortmeldung zeigt mir, dass dieses Thema nie zu Ende diskutiert sein wird; das kann auch gar nicht sein, weil Ausbildung, Weiterbildung und Fortbildung immer Folgen einer vollzogenen Entwicklung sind, die fortschreiten muss. Deshalb ist man immer unzufrieden. Das, was im Ist-Zustand modern ist, kann in der Bildung immer nur nachgeholt werden. Das ist ein ganz normaler Vorgang.

Sie haben völlig Recht, dass die Änderung der Bundesärzteordnung uns auch zu einer weiteren Novelle der Approbationsordnung führen wird, in der manche der Dinge, die jetzt nachgebessert worden sind, aus einer Zeit stammen, als diese Nachbesserung noch viel relevanter war als heute.

Der nächste Redner ist Herr Michaelis, Thüringen.

© 2002, Bundesärztekammer.