Henke, Vorstand der Bundesärztekammer:
Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Ich habe mich zu Wort gemeldet, weil ich zu dem Stellung
nehmen möchte, was der Kollege Ikonomidis gestern in seiner
Replik auf meine Darlegungen zur Systemfrage der Krankenversicherung
dargestellt hat. Herr Ikonomidis, wir sind uns völlig einig,
dass es mit dem Sozialversicherungssystem, wie wir es heute haben,
nicht unverändert weitergehen kann. Hier besteht völliger
Konsens. Ich glaube, dass wir, wenn wir die gesetzliche Krankenversicherung
zukunftsfähig weiterentwickeln wollen, sie erheblichen Reformen
unterziehen müssen. Das beginnt damit, dass wir in die Beitragsbasis
andere Einkommensquellen als Löhne, Gehälter und Lohnersatz-einkommen
einbeziehen müssen, dass wir eine staatliche Finanzierung versi-cherungsfremder
Leistungen aus Steuermitteln brauchen und dass wir - auch da bin
ich mit Ihnen einig - auf eine Bildung kapitalgedeckter Rücklagen
zur Entlastung künftiger Beiträge nicht verzichten können.
Ich bin darüber hinaus der Meinung, dass wir darüber nachdenken
sollten, gering verdienende Versicherte durch Übernahme des
Arbeitgeber- wie des Arbeitnehmerbeitrags aus staatlichen Mitteln
zur Förderung der Beschäftigung von Sozialversicherungsbeiträgen
freizustellen, weil wir dann in einer Situation niedrigen Verdienstes
wesentlich mehr Beschäftigungschancen für diese Menschen
eröffneten, mit der Folge, dass wir bei diesen Personen präventiv
wirken könnten.
Ich bin darüber hinaus dafür, dass wir die Einnahmen aus
der Tabak- und der Alkoholsteuer endlich in Richtung Krankenversicherung
umschichten müssten, weil dies die Voraussetzungen dafür
schaffen würde, dass diese Steuer hilft, diejenigen Schäden
zu bekämpfen, die durch derartige Produkte ausgelöst werden.
Der einzige Punkt, in dem wir uns unterscheiden - das wird in Ihrem
Antrag
I-2 a deutlich, ist folgender. Ich weigere mich und hielte es für
eine ganz unkluge Entscheidung, wenn wir freiwillig sagten: Die
einzige Option zum Solidarausgleich, die die Ärzteschaft für
denkbar hält, ist ein Systemwandel, bei dem jeglicher Solidarausgleich
aus Steuermitteln finanziert wird. Das bedeutet nämlich, dass
wir uns in eine Abhängigkeit von den Finanzministern oder den
kommunalen Kämmerern begeben würden. Schauen Sie sich
die Entwicklung bei den Pensionslasten an, schauen Sie sich die
Investitionsquote des Staates an, schauen Sie sich die Situation
der unermesslich hohen Zinsen, die der Staat zahlen muss, an - und
dann glauben Sie nicht, dass der Solidarausgleich, den wir aus dem
System der gesetzlichen Krankenversicherung herausnehmen würden,
bei den Finanzministern besser aufgehoben wäre als im System
der sozialen Krankenversicherung.
Das ist einfach ein gefährlicher Irrweg. Wir beschreiten ihn
selbst beispielsweise nicht, wenn es um unsere eigene Alterssicherung
geht, sondern wir basieren die Ärzteversorgung auf einem Mischsystem
aus Kapitaldeckung und Umlageverfahren, weil wir sehr wohl wissen,
dass ein allein auf Kapitaldeckung gegründetes Verfahren große
Risiken in sich birgt. Schauen Sie sich die Situation bei der Swissair
oder bei Enron an! Vergegenwärtigen Sie sich bitte, dass die
Kapitalentnahme in der Periode, in der man die Leistungen erbringen
muss, natürlich aus dem volkswirtschaftlichen Ertrag derjenigen
Periode finanziert werden muss, in welcher der Leistungsbedarf anfällt.
Ich plädiere also sehr herzlich dafür, dass wir uns hier
nicht missverstehen und dass wir den Inhalt der Option A im Vorstandsantrag
nicht ausnehmen. Eine alleinige Konzentration auf das, was in Option
B beschrieben ist, fesselt uns selbst, bindet uns an die Finanzminister,
holt uns die Rechnungshöfe an die Stelle der Wirtschaftlichkeitsprüfung,
die wir bisher kennen. Wir wählen damit eine Alternative zu
wenig. Wir sollten beide Optionen offen halten.
Ich danke Ihnen.
(Beifall)
Prof. Dr. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer
und des Deutschen Ärztetages:
Vielen Dank, Herr Henke. - Der nächste Redner ist der Kollege
Möhrle, Präsident der Landesärztekammer Hessen.
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