TOP I : Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik

2. Tag: Mittwoch, 29. Mai 2002 Vormittagssitzung

PD Dr. Dr. habil. Dietrich, Bayern:

Meine Damen und Herren! Der Tagesordnungspunkt, zu dem wir hier diskutieren, lautet ja: Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik. Es ist bisher relativ wenig auf den Antrag des Vorstands auf Drucksache I-2 eingegangen worden. Nur Herr Montgomery und Herr Henke haben dazu Stellung bezogen. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit ein wenig auf diesen Antrag lenken.

In diesem Antrag wird zuerst eine Analyse des Ist-Zustands der gesetzlichen Krankenversicherung vorgetragen, wobei ganz interessante Parallelen zum Antrag 17 vorliegen, den ich gestern hier zu begründen versucht habe. So werden beispielsweise die Patientenrechte sehr stark betont. Es sollen bedarfsgerechte Versorgungsstrukturen mithilfe der Patienten diskutiert werden. Es geht also um regionale Gesundheitskonferenzen, wie wir es vorgetragen haben.

In Abschnitt II wird von zwei grundsätzlichen Optionen gesprochen, wobei nicht begründet wird, warum es zwei Optionen sind. Gestern haben wir gehört: Es gibt 47 verschiedene Vorstellungen zur Strukturreform im Gesundheitswesen. Im ersten Absatz wird eine Fortschreibung des bisherigen Sozialsystems dargestellt.

Auch hier gibt es ganz interessante Parallelen zu unserem Antrag I-17, indem beispielsweise die Beitragsbemessungsgrundlage diskutiert wird, indem der Sicherstellungsauftrag durch selbstverwaltete Vertragsbeziehungen mit den Krankenkassen zumindest infrage gestellt wird. Selbst der Vorstand der Bundesärztekammer schlägt vor, dass der Sicherstellungsauftrag gesplittet werden soll. Das finde ich sehr interessant.

Aber dann kommt ohne Übergang der Systemwandel, die Option B. Es wird eigentlich überhaupt nicht begründet, warum man diese Option wahrnehmen soll. Schon in der ersten Zeile steht: Wenn (weil) die Umsetzung der Option A, also die Fortschreibung der Solidarversicherung nicht möglich ist, müssen wir ein privatwirtschaftlich organisiertes System haben. Was dann folgt, ist so etwas wie ein Riester-Krankenversicherungssystem, eine privatwirtschaftlich organisierte Risikoversicherung, aber keine Solidarversicherung. Das ist ein völlig grundlegender Wandel, für den es in der gesamten westlichen Welt kein Beispiel für das Funktionieren gibt.

Das wird uns auf einer Seite kurz vorgestellt. Es wird das Schweizer Modell mit einer Beteiligung von höchsten 15 Prozent vorgestellt. Das ist eines der unsozialsten Systeme, weil natürlich derjenige, der viel verdient, wenig einzahlt, während der Geringverdiener seine 15 Prozent einzahlt. Das wissen wir alles; das wird uns hier mit einem Satz untergeschoben.

Es wird der Arbeitgeber dadurch entlastet, dass er eine einmalige Summe zum Lohn zahlt. Selbst die FDP würde sich scheuen, so etwas als gesundheitspolitisches Programm auf einem Parteitag zu diskutieren, einfach weil sie damit ihre Wählerschaft verlieren würde. Das wird uns hier auf einer halben Seite als die Option für die Zukunft des Gesundheitswesens dargestellt.
Weil ich das für völlig unausgegoren halte - es ist gar nicht diskutiert worden, es ist auch nicht Stand der Diskussion hier; wir haben bisher über die Abschaffung des AiP diskutiert, aber nicht über diesen Antrag -, habe ich den Antrag gestellt, die Seite 5 völlig zu streichen. Man kann über die Option der völligen Privatisierung der Sozialversicherung diskutieren, aber das entspricht lange nicht dem Stand der Diskussion innerhalb der deutschen Ärzteschaft über die Zukunft unserer sozialen Krankenversicherung. Man kann es diskutieren, muss es aber nicht. Sie schlagen vor, dass wir zukünftig schwerpunktmäßig zwei Optionen diskutieren. Aber es gibt insgesamt 47 Optionen. Weil dieser Absatz unausgegoren ist, weil er nicht diskutiert ist, sollten wir diesen Absatz streichen. Man kann darüber in Zukunft diskutieren, aber man sollte das hier nicht festschreiben.

Danke schön.

(Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages:

Vielen Dank, Herr Kollege Dietrich. Die Alternative wäre natürlich, dass Sie uns die 46 anderen Optionen noch verdeutlichen. Dann hätten wir ein größeres Spektrum.

(Beifall)

Jetzt bitte noch einmal Herr Zimmer aus Nordrhein.

© 2002, Bundesärztekammer.