PD Dr. Dr. habil. Dietrich, Bayern:
Meine Damen und Herren! Der Tagesordnungspunkt, zu dem wir hier
diskutieren, lautet ja: Gesundheits-, Sozial- und ärztliche
Berufspolitik. Es ist bisher relativ wenig auf den Antrag des Vorstands
auf Drucksache I-2 eingegangen worden. Nur Herr Montgomery und Herr
Henke haben dazu Stellung bezogen. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit
ein wenig auf diesen Antrag lenken.
In diesem Antrag wird zuerst eine Analyse des Ist-Zustands der gesetzlichen
Krankenversicherung vorgetragen, wobei ganz interessante Parallelen
zum Antrag 17 vorliegen, den ich gestern hier zu begründen
versucht habe. So werden beispielsweise die Patientenrechte sehr
stark betont. Es sollen bedarfsgerechte Versorgungsstrukturen mithilfe
der Patienten diskutiert werden. Es geht also um regionale Gesundheitskonferenzen,
wie wir es vorgetragen haben.
In Abschnitt II wird von zwei grundsätzlichen Optionen gesprochen,
wobei nicht begründet wird, warum es zwei Optionen sind. Gestern
haben wir gehört: Es gibt 47 verschiedene Vorstellungen zur
Strukturreform im Gesundheitswesen. Im ersten Absatz wird eine Fortschreibung
des bisherigen Sozialsystems dargestellt.
Auch hier gibt es ganz interessante Parallelen zu unserem Antrag
I-17, indem beispielsweise die Beitragsbemessungsgrundlage diskutiert
wird, indem der Sicherstellungsauftrag durch selbstverwaltete Vertragsbeziehungen
mit den Krankenkassen zumindest infrage gestellt wird. Selbst der
Vorstand der Bundesärztekammer schlägt vor, dass der Sicherstellungsauftrag
gesplittet werden soll. Das finde ich sehr interessant.
Aber dann kommt ohne Übergang der Systemwandel, die Option
B. Es wird eigentlich überhaupt nicht begründet, warum
man diese Option wahrnehmen soll. Schon in der ersten Zeile steht:
Wenn (weil) die Umsetzung der Option A, also die Fortschreibung
der Solidarversicherung nicht möglich ist, müssen wir
ein privatwirtschaftlich organisiertes System haben. Was dann folgt,
ist so etwas wie ein Riester-Krankenversicherungssystem, eine privatwirtschaftlich
organisierte Risikoversicherung, aber keine Solidarversicherung.
Das ist ein völlig grundlegender Wandel, für den es in
der gesamten westlichen Welt kein Beispiel für das Funktionieren
gibt.
Das wird uns auf einer Seite kurz vorgestellt. Es wird das Schweizer
Modell mit einer Beteiligung von höchsten 15 Prozent vorgestellt.
Das ist eines der unsozialsten Systeme, weil natürlich derjenige,
der viel verdient, wenig einzahlt, während der Geringverdiener
seine 15 Prozent einzahlt. Das wissen wir alles; das wird uns hier
mit einem Satz untergeschoben.
Es wird der Arbeitgeber dadurch entlastet, dass er eine einmalige
Summe zum Lohn zahlt. Selbst die FDP würde sich scheuen, so
etwas als gesundheitspolitisches Programm auf einem Parteitag zu
diskutieren, einfach weil sie damit ihre Wählerschaft verlieren
würde. Das wird uns hier auf einer halben Seite als die Option
für die Zukunft des Gesundheitswesens dargestellt.
Weil ich das für völlig unausgegoren halte - es ist gar
nicht diskutiert worden, es ist auch nicht Stand der Diskussion
hier; wir haben bisher über die Abschaffung des AiP diskutiert,
aber nicht über diesen Antrag -, habe ich den Antrag gestellt,
die Seite 5 völlig zu streichen. Man kann über die Option
der völligen Privatisierung der Sozialversicherung diskutieren,
aber das entspricht lange nicht dem Stand der Diskussion innerhalb
der deutschen Ärzteschaft über die Zukunft unserer sozialen
Krankenversicherung. Man kann es diskutieren, muss es aber nicht.
Sie schlagen vor, dass wir zukünftig schwerpunktmäßig
zwei Optionen diskutieren. Aber es gibt insgesamt 47 Optionen. Weil
dieser Absatz unausgegoren ist, weil er nicht diskutiert ist, sollten
wir diesen Absatz streichen. Man kann darüber in Zukunft diskutieren,
aber man sollte das hier nicht festschreiben.
Danke schön.
(Beifall)
Prof. Dr. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer
und des Deutschen Ärztetages:
Vielen Dank, Herr Kollege Dietrich. Die Alternative wäre natürlich,
dass Sie uns die 46 anderen Optionen noch verdeutlichen. Dann hätten
wir ein größeres Spektrum.
(Beifall)
Jetzt bitte noch einmal Herr Zimmer aus Nordrhein.
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