Dr. Baumgärtner, Baden-Württemberg:
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich werde
meinen Redebeitrag auch bei vier Minuten splitten müssen.
Herr Kolkmann, ich danke Ihnen für Ihre Ausführungen.
Ich stimme mit Ihnen überein, dass der Arzt Anwalt des Patienten
bleiben muss, dass der Arzt und niemand sonst Case Manager bleiben
muss. Ich sehe auch, dass wir langsam zu Leibeigenen des Systems
werden und dass die ärztliche Freiberuflichkeit eher ein theoretischer
Begriff wird und dass wir uns in der Gefahr befinden, all das umzusetzen,
was die Technokraten erfinden. Das ist richtig.
Ich halte es allerdings nicht für richtig, das in einer Kritik
an den KVen zu bündeln, weil wir im Augenblick nichts Besseres
haben als die KVen, was die Interessenvertretung der niedergelassenen
Ärzte angeht. Man kann es auch als KV besser machen, denn die
KV bietet in der Tat einiges an Spielraum.
Ich möchte Sie unterstützen, was die Qualität der
Experten angeht. Ich kann Ihnen dazu ein paar Folien zeigen, die
ich bei einem Spitzengespräch mit den Krankenkassen bekommen
habe. Da begründet Herr Professor Lauterbach, warum die Kassen
unbedingt Disease Manager werden müssen und warum die Kassen
auch die Daten erhalten müssen. Ich habe das schon bei der
KBV gezeigt und meine, auch der Ärztetag muss es lesen:
Für die Übernahme der organisatorisch
unterstützenden Funktion benötigen die Krankenkassen
zeitnahe arzt- und patientenbezogene Daten.
Wie sie es bekommen, habe ich Ihnen gestern referiert. Dazu gibt
es bereits einen Referentenentwurf. Weiter Herr Professor Lauterbach:
So kann sich eine Krankenkasse z. B. entscheiden,
solchen eingeschriebenen Diabetikern, die einen besonders niedrigen
HDL-Cholesterinspiegel und sehr hohe Triglycerine haben und somit
ein deutlich erhöhtes Risiko für einen Herzinfarkt oder
einen Schlaganfall tragen, eine Spezialernährungsberatung
für dieses Problem anzubieten.
Das ist etwas völlig Neues!
Und weiter:
Eine andere Krankenkasse könnte ihren eingeschriebenen
Patienten mit Herzinsuffizienz eine spezielle Schulung zur täglichen
Gewichtskontrolle anbieten (kurzfristige Gewichtszunahme ist ein
wichtiger Hinweis auf eine Verschlechterung der Herzinsuffizienz
und kann, wenn früh erkannt, Krankenhauseinweisungen und
Todesfälle vermeiden).
Ich meine, das ist unterste Propädeutik.
Ich zitiere weiter:
Wiederum eine andere Krankenkasse könnte
die Patienten, die bestimmte cholesterinsenkende Arzneimittel
aus der Wirkstoffgruppe der Statine einnehmen, auf die gebotene
Vorsicht beim Konsum von Grapefruitsaft hinweisen (Grapefruitsaft
kann die cholesterinsenkende Wirkung einiger Statine, aber auch
deren gefährliche Nebenwirkungen verstärken).
Sie sehen: Wir lernen alle dazu!
Eine Frechheit uns Ärzten gegenüber ist folgende Aussage:
Selbstverständlich könnte auch der behandelnde
Arzt alle diese Informationen und Schulungen seinen Patienten
selbst anbieten. Da dies aber normalerweise nicht zu leisten ist,
wird ja gerade die unterstützend organisatorische Arbeit
des Disease Managements benötigt.
Dazu kann ich nur sagen: Ich rede mir in der Praxis jeden Tag den
Mund fusselig über diese Dinge, dass die Patienten abnehmen
sollen, dass sie ihre Diät einhalten sollen. Wir führen
Diätschulungen durch. Ich halte es geradezu für eine Unverschämtheit,
dass uns ein Ökonom solche Propädeutik vorgibt! Ich bedanke
mich zunächst einmal und melde mich später noch einmal
zu Wort.
(Beifall)
Prof. Dr. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer
und des Deutschen Ärztetages:
Danke schön. - Der nächste Redner ist Herr Kollege Schilling
aus Berlin.
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