TOP II : Individualisierung oder Standardisierung in der Medizin?

2. Tag: Mittwoch, 29. Mai 2002 Vormittagssitzung

Prof. Dr. Dr. habil. Schulze, Vorstand der Bundesärztekammer:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die exzellenten Referate haben uns gezeigt, dass Standardisierung versus Individualisierung kein Gegensatzpaar ist, sondern nach Sackett letztlich ein sich ergänzendes System darstellt, wie hier ausgeführt wurde. Die Geschichten rund um die Disease-Management-Programme bedürfen einer weiteren Kommentierung durch jemanden, der seitens der Bundesärztekammer mit in diesen Entscheidungsprozess eingebunden war.

Es handelt sich eigentlich um eine integrierte Versorgung, die wir, glaube ich, sehr gut kennen und nicht erst durch einen Kassenprotektionismus übergestülpt bekommen müssen.

(Vereinzelt Beifall)

In dem Papier des Sachverständigenrats steht: 50 bis 60 Strukturprobleme sind in den Ländern in Verträgen behandelt worden. Nicht zuletzt haben die Hausärzte und die Diabetologen in Sachsen, Bayern und Nordrhein-Westfalen sehr wohl gezeigt, wie eine solche integrierte Versorgung auf den Weg zu bringen ist, ohne diesen Kassenprotektionismus.

Ich komme nun auf § 137 f zu sprechen, weshalb der Koordinierungsausschuss einberufen wurde; das wurde als Aufgabe für die Selbstverwaltung deklariert. Man muss klar sagen, dass die Kassen zu einem frühen Zeitpunkt eine Arztgruppe "eingekauft" hatten, die ein sehr schwierig zu diskutierendes Papier als Tischvorlage produziert hatte. Bemerkenswerterweise hat diese Gruppe auch zu den drei weiteren Diagnosen auf dem Boden einer angeblich evidenzbasierten Medizin Tischvorlagen erstellt.

Für die Vertreter der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung war es sehr schwierig, in der vorgesehenen Zeit von etwa zehn Wochen das Ziel, eine solche Struktur bis zum 1. Juli zu erarbeiten, zu erreichen. Die Kritik an diesem in der Sache als integrierte Versorgung wichtigen und richtigen Weg richtet sich an Gesetzgeber und Kassen. In einem - ganz locker ausgedrückt - Schweinsgalopp ist versucht worden, durch Kassendominanz einen Protektionismus zu installieren, auch vom Stimmverhalten her. Das Schiff sollte in diese Richtung gedrängt werden. Über die schädliche unmittelbare Koppelung an den Risikostrukturausgleich ist hier schon mehrfach gesprochen worden.

Wir fordern ganz generell eine Nachbesserung beim Erstellen dieser Disease-Management-Programme, auch wenn wir uns auch künftig entsprechend § 137 f weiter beteiligen müssen. Speziell zum Diabetes kann ich dieses Papier nicht mittragen. Dort sind wichtige Essentials, die eigentlich das Disease Management, das Versorgungsprogramm nach Strukturprozess und Ergebnisdaten ausmachen, nicht diskutiert worden. Sie sind hinsichtlich der Qualitätssicherung, der Definition der Schnittstellen, der Evaluation und des Datentransfers überhaupt nicht intensiv ausdiskutiert worden. Es ist als Schnellschuss eine Tischvorlage erstellt worden.

Meine Forderung ist, dass wir zum geeigneten Zeitpunkt das nationale Programm, so wie es für den Typ-II-Diabetes aufgelegt worden ist, vorlegen und die anderen Diagnosen ebenfalls einbeziehen.

Zu Herrn Kossow sei kurz gesagt: Die AWMF ist sicher das Dach, unter dem sich die Hausärzte wiederfinden. Im Übrigen saß Herr Abholz mit am Tisch und sah sich dann doch außerstande, unter dem gegebenen Zeitlimit dieses Programm mitzutragen.

Vielen Dank.

(Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages:

Vielen Dank, Herr Schulze. - Als nächster Redner Herr Henke vom Vorstand. Bitte sehr.

© 2002, Bundesärztekammer.