Dr. Bühren, Referentin:
Sehr geehrter Herr Präsident Hoppe! Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin
Auerswald! Sehr geehrter Herr Vizepräsident Crusius, der extra
seinen Platz geräumt hat, damit alle Referentinnen einen Platz
haben! Sehr geehrte Frau Ministerin Bulmahn! Sehr geehrte Frau Professor
Henne-Bruns! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Sehr geehrte
Gäste! Gestern wurde der Beginn des Tagesordnungspunkts IV
"Zukunft der hausärztlichen Versorgung" vorgezogen.
Jetzt geht es schon wieder um Zukunftsperspektiven. Wir befassen
uns heute mit einem Tagesordnungspunkt, der eine große innerärztliche
Bedeutung hat und wichtige Signale an Politik und Öffentlichkeit
aussenden soll. Es geht um eine Bestandsaufnahme der beruflichen
Situation von Ärztinnen - rund 100 Jahre nach Zulassung zum
Medizinstudium.
Ärztinnen sind die Zukunftsperspektive der Medizin. Deshalb
brauchen wir neue Strategien:
erstens den Paradigmenwechsel von "Beruf oder Familie"
zu "Beruf und Familie", zweitens eine neue Einstellung
gegenüber Ärzten und Ärztinnen. Heute sprechen wir
nun speziell über die Ärztinnen. Bisher lautete die Botschaft
an Ärztinnen: Wenn Sie berufstätig sein wollen, dann sehen
Sie zu, wie Sie das zu unseren Bedingungen schaffen. Zukünftig
sollte die Botschaft lauten: Was brauchen Sie von uns an Rahmenbedingungen
und Arbeitsstrukturen, damit wir mit Ihrer Arbeit und Ihrer Wissenschaft
die Patientinnen- und Patientenversorgung aufrechterhalten und die
Weiterentwicklung der Medizin erforschen können?
Erstmals wurden Frauen als Ärztinnen vor 104 Jahren auf dem
26. Deutschen Ärztetag zu Wiesbaden im Juni 1898 thematisiert.
Ich zitiere aus dem Protokoll:
Weiter soll eine soziale Frage von der höchsten
Bedeutung, die Frage der Zulassung der Frauen zum medizinischen
Studium, vom Ärztetage diskutiert werden. Wenn vorläufig
die Zulassung zum ärztlichen Berufe aufgrund der gleichen
Bedingungen wie beim Manne nur gestattet, aber nicht zum Beispiel
durch staatliche Mädchengymnasien erleichtert wird, so ist
zunächst kaum ein stärkerer Zudrang der Frauen und deshalb
weder besonderer Nutzen noch Schaden zu erwarten.
Wenn aber "aufgrund weiterer Zugeständnisse und bisher
nicht übersehbarer Verhältnisse ein größerer
Zudrang eintreten sollte", so fürchtete man das Schlimmste.
Man fürchtete: kein erheblicher Nutzen für die Kranken;
mehr Schaden als Nutzen für die Frauen; mindestens kein Nutzen
für die deutschen Hochschulen und die Wissenschaft; eine Minderung
des ärztlichen Ansehens und keine Förderung des allgemeinen
Wohls.
Trotz dieser Befürchtungen wurde der Antrag auf Zulassung
von Frauen damals einstimmig angenommen.
100 Jahre später haben Sie, die Delegierten des Deutschen
Ärztetages, 1998 in Köln weitsichtig beschlossen, sich
auf einem der nächsten Ärztetage mit der besonderen beruflichen
Situation von Ärztinnen zu befassen. Sie haben den Beschluss
im Zeitalter der Prognose einer Ärzteschwemme mit mindestens
40 000 bis 60 000 arbeitslosen Ärztinnen und Ärzten gefasst.
Nun, nach vier Jahren, hat sich das Blatt gewendet. Heute, im Jahre
2002, stehen wir gemeinsam vor einer ganz anderen Herausforderung:
dem bereits um sich greifenden Ärztinnen- und Ärztemangel,
der hier in Mecklenburg-Vorpommern bereits schmerzt. Heute gilt:
Wir müssen uns dieser Situation stellen und es schaffen, dass
unser Beruf wieder an Attraktivität gewinnt. Wir fordern Arbeits-
und Rahmenbedingungen, in denen möglichst viele Mediziner und
Medizinerinnen ärztlich tätig sein sollen.
Zu unserem Thema: Wir dürfen keine einzige Ärztin mehr
verlieren, die nur aufgrund der schlechten Rahmenbedingungen Heim
und Herd bevorzugt. Wir müssen bei uns selbst anfangen. Heute
erlebt unser ärztlicher Nachwuchs beim Eintritt ins Berufsleben
doch einen Kulturschock. Wir brauchen aber das Gegenteil: Es bedarf
wieder der Wertschätzung der jungen Kollegen und Kolleginnen
seitens der ausbildenden Universitäten und seitens aller Ärztinnen
und Ärzte, insgesamt genauso intensiv seitens der Politik.
Die tatsächliche Integration von Ärztinnen für die
medizinische Versorgung der Bevölkerung auf allen Ebenen ist
eine interne Aufgabe der verfassten Ärzteschaft und gleichzeitig
eine gesamtgesellschaftliche.
Für die Zukunft unseres Berufes sind nun kreative Ideen und
Strategien erforderlich. Von uns Abgeordneten des Deutschen Ärztetages
werden richtungsweisende Vorschläge und Initiativen erwartet.
Damit wir eine gute Grundlage für unsere Entscheidungen zu
diesem Tagesordnungspunkt haben, werden wir aus den verschiedenen
Blickwinkeln das Thema Ärztinnen in unserem Gesundheitswesen
darlegen.
(Beifall)
Prof. Dr. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer
und des Deutschen Ärztetages:
Vielen Dank, Frau Bühren, für diese Einführung.
Ich darf jetzt herzlich unsere Referentinnen begrüßen,
und zwar zunächst Frau Bundesministerin Edelgard Bulmahn aus
Berlin, Bundesministerin für Bildung und Forschung. Sie ist
die erste Bundesministerin in diesem Amt.
(Beifall)
Ich begrüße ebenfalls herzlich Frau Professor Dr. Henne-Bruns
aus Ulm, die erste Ordinaria in der Chirurgie. Sie ist Ordinaria
für Viszeral- und Transplantationschirurgie am Universitätsklinikum
Ulm.
(Beifall)
Referentin zu diesem Tagesordnungspunkt ist ebenfalls Frau Dr.
Bühren aus Murnau, Mitglied des Vorstands der Bundesärztekammer
und Vorsitzende des Ärztinnengremiums der Bundesärztekammer.
Herzlich willkommen!
(Beifall)
Als besonders zu diesem Tagesordnungspunkt geladene Gäste
mit Rederecht begrüße ich Frau Dr. Christiane Laun, Oberärztin
der Abteilung für Allgemein- und Viszeralchirurgie am Unfallkrankenhaus
in Berlin,
(Beifall)
Frau Dr. Stefanie Oberfeld aus Münster,
(Beifall)
Frau Dr. Sybille Eberle aus München,
(Beifall)
Frau Dr. Katharina Buchmann-Barthel, Assistenzärztin an der
Klinik für Anästhesie hier in Rostock,
(Beifall)
sowie - bitte empfinden Sie das nicht als Schock - Herrn Dr. Thielemann,
Assistenzarzt an der Abteilung für Allgemein- und Viszeralchirurgie
am Unfallkrankenhaus in Berlin.
(Beifall)
Ich sagte bereits: Es liegen 27 Entschließungsanträge
vor. Bevor wir zu den Anträgen kommen, hören wir zunächst
die Referate. Ich bitte Frau Ministerin Bulmahn zu ihrem Referat.
Bitte schön.
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