Dr. Müller-Dannecker, Berlin:
Sehr geehrte Herren und Damen! Ich möchte mich zunächst
bei Frau Dr. Bühren bedanken, die sich so engagiert dafür
eingesetzt hat, dieses Thema auf dem Deutschen Ärztetag zu
behandeln.
(Beifall)
Bedanken möchte ich mich aber auch bei Ihnen, meine Herren,
nämlich dafür, dass Sie es zulassen, dass wir hier über
dieses Thema sprechen, und dass Sie den Saal nicht verlassen, sondern
zuhören. Zum ersten Mal wurde nicht sofort eine Redezeitbegrenzung
beantragt. Das kann daran liegen, dass wir Frauen uns doch kürzer
fassen.
(Beifall)
Es kann auch ein Zeichen dafür sein, dass Sie uns zuhören
wollen.
Wenn man sich die Rednerliste anschaut, so stellt man fest, dass
wir Frauen doch sehr dominieren. Das kann ein Zeichen dafür
sein, dass sich die männlichen Kollegen erst einmal mit unserer
Problematik vertraut machen wollen. Es wäre schön, wenn
wir auch die Meinung der männlichen Kollegen zu diesem Thema
hören könnten und mit ihnen in den gewünschten Dialog
eintreten könnten. Es ist notwendig, dass die Männer die
Einsicht gewinnen, warum mehr C-4-Professorinnen notwendig sind.
Ich weiß nicht, ob Sie das Bestsellerbuch "Warum Frauen
nicht einparken können und Männer nicht zuhören"
kennen. Es ist sehr aufschlussreich.
Es zeigt sich für mich, dass die spezifischen Fähigkeiten
von Männern und Frauen genau diejenigen sind, die in der Mischung
das ergeben, was unseren Beruf so reich macht. Wir müssen die
Frauen dort hinschicken, wo sie besser sind, und wir müssen
die Männer dort arbeiten lassen, wo die Männer besser
sind. Darüber hinaus müssen wir voneinander lernen.
(Beifall)
Wenn wir im Beruf einen steigenden Frauenanteil feststellen und
bei den Studierenden mehr Frauen als Männer zu verzeichnen
sind, dann ist das leider nicht darauf zurückzuführen,
dass der Beruf für Frauen attraktiver geworden ist. Nein, leider
ist das nicht so. Es ist ein Zeichen von Ungleichheit, dass immer
dann, wenn die Attraktivität nachlässt, die Frauen nachrücken
dürfen. Meiner Meinung nach ist es, wie bereits viele gesagt
haben, an der Zeit, dass wir für uns alle den Beruf attraktiver
machen.
Ich möchte nun zu den spezifischen Problemen von Frauen in
unserem Beruf etwas sagen. Ich arbeite als Anästhesistin und
war, wie Sie vielleicht wissen, die erste Frau, die vor 13 Jahren
ihr Kind, das noch gestillt werden musste, mit zum Ärztetag
brachte. Ich wollte kein Ehrenamt wegen meiner Kinder aufgeben.
Ich habe auch meinen Beruf nicht aufgegeben. Ich bin also ehrenamtlich
tätige Mutter, ehrenamtlich tätige Ärztin, die in
der Klinik voll ihrer Arbeit nachgeht. Ich leide unter dem Problem,
dass ich immer ein schlechtes Gewissen habe. Ich frage mich immer:
Bin ich eigentlich gut genug? Herr Lasch sprach von dem guten Arzt,
der mit Freude auch 80 Stunden arbeiten möchte. Das kann und
will ich nicht leisten, denn dann kommt irgendetwas ganz erheblich
zu kurz.
(Beifall)
Ich denke, wir müssen dafür kämpfen, dass nicht
mehr gedacht wird: Der gute Arzt ist derjenige, der sich selbst
ausbeutet. Der gute Arzt ist vielmehr derjenige, der sich während
seiner Arbeitszeit engagiert.
(Beifall)
Das Gleiche gilt natürlich auch für die gute Ärztin.
Es besteht eine erhebliche Schulproblematik. Sie glauben nicht,
welche Nachhilfestunden gegeben werden müssen, weil die Schule
nicht in der Lage ist, meinen Kindern das zu vermitteln, was sie
meiner Meinung nach in der Schule vermittelt bekommen müssten.
Wir müssen zu Hause sitzen und mit den Kindern pauken.
(Beifall)
Dies alles sind gesellschaftliche Defizite, die meiner Meinung
nach zum Teil auf unserem Rücken ausgetragen werden. Es ist,
wie ich weiß, auch für einen Mann nicht einfach, die
Hausfrauenrolle oder die Mutterrolle zu Hause zu übernehmen.
Es ist für Männer sehr schwierig, dies mit Leben zu erfüllen
und sich anerkannt zu fühlen, wenn man hinter dem Kochtopf
steht und für die Kinder kocht. Wir müssen auch daran
arbeiten, dass sich diese Meinung wandelt.
(Beifall)
Mehrere Anträge behandeln das Thema Kinderbetreuung. Kinderbetreuung
ist notwendig, weil wir Schichtdienste, Nachtdienste usw. haben.
Selbst wenn wir genug Kindergärten und Horte hätten, wären
sie nicht auf unsere Arbeitszeiten eingerichtet. Deshalb brauchen
wir Betriebskindergärten, die allerdings meiner Meinung nach
steuerfinanziert sein sollten.
(Beifall)
Ich bin Vorsitzende des Aufsichtsausschusses beim Berliner Versorgungswerk.
Ich möchte auf eine spezielle Thematik eingehen, die mir sehr
am Herzen liegt. Es geht um die Frage: Wie können wir Kinderbetreuungszeiten
in unserer Versicherung berücksichtigen? Ich bin inzwischen
fest davon überzeugt, dass wir den diesbezüglichen Antrag
III-27 unterstützen müssen, der darauf hinausläuft,
dass die Einnahmen aus der Ökosteuer, die wir ja alle zahlen,
entsprechend auch an die berufsständischen Versorgungswerke
gehen. Ich bitte Sie, den Antrag 27 zu unterstützen und nicht
den Antrag 9, der nicht systemkonform ist. Sie sollten den Antrag
9 ablehnen und dem Antrag 27 ganz klar zustimmen.
(Beifall)
Zu den Kinderbetreuungszeiten habe ich den Antrag III-19 eingebracht.
In ihm geht es um die Erstattungsmöglichkeit im Einzelfall
bei ehrenamtlichen Tätigkeiten. Das ist keine Lex Müller-Dannecker,
obwohl das auf meinen Wunsch hin in Berlin eingeführt wurde.
Bei uns lautet die Erstattungsregelung wie folgt:
Sonstige notwendige Nebenkosten, z. B. Kosten
für die Betreuung von im Haushalt lebenden Kindern, werden
bei Nachweis erstattet. Über die Notwendigkeit der Auslagen
wird im Einzelfall entschieden.
Mit dieser modernen Erstattungsregelung kann man bei der Kinderbetreuung
von der Kammer unterstützt werden, wenn man zum Ärztetag
fahren will und keine Möglichkeit besteht, dass der Ehemann
oder sonst jemand auf die Kinder aufpasst. Das wäre ein Signal
von Ihnen, dass hier in Zukunft noch mehr Frauen sitzen sollten.
Ich freue mich, dass wir schon so viele sind und dass Sie uns zugehört
haben.
Danke schön.
(Beifall)
Prof. Dr. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer
und des Deutschen Ärztetages:
Schönen Dank, Frau Müller-Dannecker. - Als nächste
Rednerin Frau Dr. Huber aus Nordrhein.
|