TOP III : Ärztinnen: Zukunftsperspektive für die Medizin

3. Tag: Donnerstag, 30. Mai 2002 Vormittagssitzung

Dr. Müller-Dannecker, Berlin:

Sehr geehrte Herren und Damen! Ich möchte mich zunächst bei Frau Dr. Bühren bedanken, die sich so engagiert dafür eingesetzt hat, dieses Thema auf dem Deutschen Ärztetag zu behandeln.

(Beifall)

Bedanken möchte ich mich aber auch bei Ihnen, meine Herren, nämlich dafür, dass Sie es zulassen, dass wir hier über dieses Thema sprechen, und dass Sie den Saal nicht verlassen, sondern zuhören. Zum ersten Mal wurde nicht sofort eine Redezeitbegrenzung beantragt. Das kann daran liegen, dass wir Frauen uns doch kürzer fassen.

(Beifall)

Es kann auch ein Zeichen dafür sein, dass Sie uns zuhören wollen.
Wenn man sich die Rednerliste anschaut, so stellt man fest, dass wir Frauen doch sehr dominieren. Das kann ein Zeichen dafür sein, dass sich die männlichen Kollegen erst einmal mit unserer Problematik vertraut machen wollen. Es wäre schön, wenn wir auch die Meinung der männlichen Kollegen zu diesem Thema hören könnten und mit ihnen in den gewünschten Dialog eintreten könnten. Es ist notwendig, dass die Männer die Einsicht gewinnen, warum mehr C-4-Professorinnen notwendig sind. Ich weiß nicht, ob Sie das Bestsellerbuch "Warum Frauen nicht einparken können und Männer nicht zuhören" kennen. Es ist sehr aufschlussreich.

Es zeigt sich für mich, dass die spezifischen Fähigkeiten von Männern und Frauen genau diejenigen sind, die in der Mischung das ergeben, was unseren Beruf so reich macht. Wir müssen die Frauen dort hinschicken, wo sie besser sind, und wir müssen die Männer dort arbeiten lassen, wo die Männer besser sind. Darüber hinaus müssen wir voneinander lernen.

(Beifall)

Wenn wir im Beruf einen steigenden Frauenanteil feststellen und bei den Studierenden mehr Frauen als Männer zu verzeichnen sind, dann ist das leider nicht darauf zurückzuführen, dass der Beruf für Frauen attraktiver geworden ist. Nein, leider ist das nicht so. Es ist ein Zeichen von Ungleichheit, dass immer dann, wenn die Attraktivität nachlässt, die Frauen nachrücken dürfen. Meiner Meinung nach ist es, wie bereits viele gesagt haben, an der Zeit, dass wir für uns alle den Beruf attraktiver machen.

Ich möchte nun zu den spezifischen Problemen von Frauen in unserem Beruf etwas sagen. Ich arbeite als Anästhesistin und war, wie Sie vielleicht wissen, die erste Frau, die vor 13 Jahren ihr Kind, das noch gestillt werden musste, mit zum Ärztetag brachte. Ich wollte kein Ehrenamt wegen meiner Kinder aufgeben. Ich habe auch meinen Beruf nicht aufgegeben. Ich bin also ehrenamtlich tätige Mutter, ehrenamtlich tätige Ärztin, die in der Klinik voll ihrer Arbeit nachgeht. Ich leide unter dem Problem, dass ich immer ein schlechtes Gewissen habe. Ich frage mich immer: Bin ich eigentlich gut genug? Herr Lasch sprach von dem guten Arzt, der mit Freude auch 80 Stunden arbeiten möchte. Das kann und will ich nicht leisten, denn dann kommt irgendetwas ganz erheblich zu kurz.

(Beifall)

Ich denke, wir müssen dafür kämpfen, dass nicht mehr gedacht wird: Der gute Arzt ist derjenige, der sich selbst ausbeutet. Der gute Arzt ist vielmehr derjenige, der sich während seiner Arbeitszeit engagiert.

(Beifall)

Das Gleiche gilt natürlich auch für die gute Ärztin.
Es besteht eine erhebliche Schulproblematik. Sie glauben nicht, welche Nachhilfestunden gegeben werden müssen, weil die Schule nicht in der Lage ist, meinen Kindern das zu vermitteln, was sie meiner Meinung nach in der Schule vermittelt bekommen müssten. Wir müssen zu Hause sitzen und mit den Kindern pauken.

(Beifall)

Dies alles sind gesellschaftliche Defizite, die meiner Meinung nach zum Teil auf unserem Rücken ausgetragen werden. Es ist, wie ich weiß, auch für einen Mann nicht einfach, die Hausfrauenrolle oder die Mutterrolle zu Hause zu übernehmen. Es ist für Männer sehr schwierig, dies mit Leben zu erfüllen und sich anerkannt zu fühlen, wenn man hinter dem Kochtopf steht und für die Kinder kocht. Wir müssen auch daran arbeiten, dass sich diese Meinung wandelt.

(Beifall)

Mehrere Anträge behandeln das Thema Kinderbetreuung. Kinderbetreuung ist notwendig, weil wir Schichtdienste, Nachtdienste usw. haben. Selbst wenn wir genug Kindergärten und Horte hätten, wären sie nicht auf unsere Arbeitszeiten eingerichtet. Deshalb brauchen wir Betriebskindergärten, die allerdings meiner Meinung nach steuerfinanziert sein sollten.

(Beifall)

Ich bin Vorsitzende des Aufsichtsausschusses beim Berliner Versorgungswerk. Ich möchte auf eine spezielle Thematik eingehen, die mir sehr am Herzen liegt. Es geht um die Frage: Wie können wir Kinderbetreuungszeiten in unserer Versicherung berücksichtigen? Ich bin inzwischen fest davon überzeugt, dass wir den diesbezüglichen Antrag III-27 unterstützen müssen, der darauf hinausläuft, dass die Einnahmen aus der Ökosteuer, die wir ja alle zahlen, entsprechend auch an die berufsständischen Versorgungswerke gehen. Ich bitte Sie, den Antrag 27 zu unterstützen und nicht den Antrag 9, der nicht systemkonform ist. Sie sollten den Antrag 9 ablehnen und dem Antrag 27 ganz klar zustimmen.

(Beifall)

Zu den Kinderbetreuungszeiten habe ich den Antrag III-19 eingebracht. In ihm geht es um die Erstattungsmöglichkeit im Einzelfall bei ehrenamtlichen Tätigkeiten. Das ist keine Lex Müller-Dannecker, obwohl das auf meinen Wunsch hin in Berlin eingeführt wurde. Bei uns lautet die Erstattungsregelung wie folgt:

Sonstige notwendige Nebenkosten, z. B. Kosten für die Betreuung von im Haushalt lebenden Kindern, werden bei Nachweis erstattet. Über die Notwendigkeit der Auslagen wird im Einzelfall entschieden.

Mit dieser modernen Erstattungsregelung kann man bei der Kinderbetreuung von der Kammer unterstützt werden, wenn man zum Ärztetag fahren will und keine Möglichkeit besteht, dass der Ehemann oder sonst jemand auf die Kinder aufpasst. Das wäre ein Signal von Ihnen, dass hier in Zukunft noch mehr Frauen sitzen sollten. Ich freue mich, dass wir schon so viele sind und dass Sie uns zugehört haben.

Danke schön.

(Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages:

Schönen Dank, Frau Müller-Dannecker. - Als nächste Rednerin Frau Dr. Huber aus Nordrhein.

© 2002, Bundesärztekammer.