TOP III : Ärztinnen: Zukunftsperspektive für die Medizin

3. Tag: Donnerstag, 30. Mai 2002 Vormittagssitzung

Dr. Calles, Bayern:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um es gleich klarzustellen: Ich bin absolut für Gleichberechtigung. Das Wort bedeutet aber auch, dass ich dann nicht gleichzeitig für Bevorzugung sein kann. Frau Bühren, was Sie an Forderungen aufgelistet haben, kann ich hundertprozentig unterstützen - für Frauen und für Männer.

Wenn ich sehe, wie Ungleichgewichte inzwischen Platz greifen - beispielsweise bekommt in München die Frau ab 60 Jahren den Seniorenpass für die U-Bahn, die Männer ab 65 Jahren; vielleicht sterben die Männer deshalb früher; hier wäre eine Ursachenforschung notwendig, warum gar nicht so viele Männer früher sterben als Frauen -, wenn ich betrachte, dass eine Frau, eine normale Lebenserwartung unterstellt, ihren Seniorenpass 24 Jahre lang in Anspruch nehmen kann, Männer nur 12 Jahre, dann ist das zumindest für mich kein Zeichen von Gleichberechtigung.

Auch wenn ich die Regelarbeitszeit von Männern und Frauen betrachte, muss ich sagen, dass die dort vorhandenen Unterschiede dazu führen können, dass die Männer früher sterben als die Frauen.

Aber ich habe mich nicht hauptsächlich wegen dieser Fakten zu Wort gemeldet. Ich möchte auf einen Missstand hinweisen, der immer mehr um sich greift. Ich habe von einem Kollegen einen Artikel aus der "Ärzte-Zeitung" vom 22. Mai mit dem Titel: "Werden Frauen schlechter versorgt?" zugeschickt bekommen. In diesem Artikel steht völlig undifferenziert, dass bei herzkranken Frauen nur bei 11 Prozent Bypassoperationen durchgeführt werden, bei Männern in 24 Prozent der Fälle. Eine Erklärung dafür wird nicht geliefert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist doch nichts anderes als der Vorwurf zwischen den Zeilen, dass die Frauen nicht adäquat versorgt werden. Das ist im Prinzip der Vorwurf der unterlassenen Hilfeleistung.

In demselben Artikel wird ausgeführt, dass die herzkranken Männer zu 50 Prozent sofort die notwendigen Medikamente bekommen haben, die Frauen nur in 30 Prozent der Fälle. Unterlassene Hilfeleistung! Könnte das vielleicht der Grund für den Ärztemangel sein, den wir langsam haben?

Letztes Jahr stand sogar die Aussage im Raum, dass Ärzte Frauen kürzer reanimieren. Diese Aussage wurde bis heute nicht zurückgenommen. Ich bin seit 20 Jahren als Notarzt tätig. Ich habe, egal ob Mann oder Frau, so lange reanimiert, bis entweder der Tod feststand oder der Patient bzw. die Patientin ins Leben zurückgeholt worden ist. Ich weise solche Unterstellungen aufs Schärfste zurück. Ich möchte davor warnen, dass solche Artikel in Zukunft die Patienten auf das Stärkste verunsichern.

Ich danke Ihnen.

(Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages:

Danke sehr, Herr Calles. - Die nächste Rednerin ist Frau Dr. Koßmann aus Hamburg.

© 2002, Bundesärztekammer.