TOP III : Ärztinnen: Zukunftsperspektive für die Medizin

3. Tag: Donnerstag, 30. Mai 2002 Vormittagssitzung

Dr. Koßmann, Hamburg:

Sehr geehrter Herr Präsident! Kollegen und Kolleginnen! Ich spreche für meinen Antrag 27 und gegen den Antrag 9. In beiden Anträgen geht es um Kindererziehungszeiten. In der gesetzlichen Rentenversicherung sind seit 1989 so genannte Kindererziehungszeiten eingeführt, rentenbegründend und rentensteigernd. Kritisiert wurden diese Kindererziehungszeiten von Rentenexperten immer deshalb, weil sie ausschließlich aus Geldern der Versichertengemeinschaft bezahlt werden müssen, obwohl Kindererziehung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe darstellt und somit der Staat auch dafür Verantwortung trägt.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung damit gerechtfertigt, dass 80 Prozent der Bevölkerung, also sozusagen fast alle, in ihr versichert seien und weil die gesetzliche Rentenversicherung im Umlageverfahren - der so genannte Generationenvertrag - finanziert sei. Genau diese Argumente gelten aber für die nach Kapitaldeckungsgrundsätzen finanzierten berufsständischen Versorgungswerke nicht.

Inzwischen hat nun die Bundesregierung die Versichertengemeinschaft der gesetzlichen Rentenversicherung insofern entlastet, als der Bund aus Steuermitteln seit 1999 Beiträge für Kindererziehungszeiten an die gesetzliche Rentenversicherung zahlt. Die berufsständischen Versorgungswerke fordern seither, dass auch an sie Beiträge aus Steuermitteln geleistet werden.

In dieser Phase der politischen Diskussion sind Forderungen an die Versorgungswerke, Kindererziehungszeiten aus eigenen Mitteln zu finanzieren, politisch unklug. Verantwortliches Handeln bedeutet daher zurzeit, zunächst abzuwarten und auf allen politischen Ebenen die Forderung nach Übernahme von Beiträgen für Kindererziehungszeiten durch den Bund auch für ärztliche Versorgungswerke zu erheben.

Mein Fazit lautet: Wenn die berufsständischen Versorgungswerke die Chance nicht verspielen wollen, dass der Bund auch für ihre Mitglieder Beiträge während der Phase der Kindererziehung übernimmt, ist es das Gebot der Stunde, jetzt nicht mit Forderungen vorzupreschen, sondern der Deutsche Ärztetag sollte sich hinter die Forderung der anderen berufsständischen Versorgungswerke stellen und diese unterstützen, damit der Bund in Zukunft seine Verpflichtung auch gegenüber diesen wahrnimmt.

Dies gilt umso mehr, als die Beiträge, die der Bund für Kindererziehende aufbringt, auch aus dem allgemeinen Steueraufkommen finanziert werden, an dessen Aufbringung auch wir Ärztinnen und Ärzte als Mitglieder der Versorgungswerke beteiligt sind.

Aus diesem Grunde bitte ich Sie, dem Antrag 9 aus Hessen nicht zuzustimmen, sondern dem von mir und weiteren Kolleginnen und Kollegen eingebrachten Antrag 27.

Ich möchte noch darauf hinweisen, dass im Entschließungsantrag des Vorstands der Bundesärztekammer zu Tagesordnungspunkt III unter Punkt 7 auf Seite 5 steht:

An die Ärztlichen Versorgungswerke wird appelliert zu prüfen, inwieweit auch bei den Versorgungswerken Kindererziehungszeiten berücksichtigt werden können.

Mit dieser Forderung erübrigt sich auch der Antrag 9.

Vielen Dank.

(Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages:

Schönen Dank, Frau Koßmann. - Als nächste Rednerin bitte Frau Dr. Berendes aus Westfalen-Lippe.

© 2002, Bundesärztekammer.