Dr. Koßmann, Hamburg:
Sehr geehrter Herr Präsident! Kollegen und Kolleginnen! Ich
spreche für meinen Antrag 27 und gegen den Antrag 9. In beiden
Anträgen geht es um Kindererziehungszeiten. In der gesetzlichen
Rentenversicherung sind seit 1989 so genannte Kindererziehungszeiten
eingeführt, rentenbegründend und rentensteigernd. Kritisiert
wurden diese Kindererziehungszeiten von Rentenexperten immer deshalb,
weil sie ausschließlich aus Geldern der Versichertengemeinschaft
bezahlt werden müssen, obwohl Kindererziehung eine gesamtgesellschaftliche
Aufgabe darstellt und somit der Staat auch dafür Verantwortung
trägt.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Anerkennung von Kindererziehungszeiten
in der gesetzlichen Rentenversicherung damit gerechtfertigt, dass
80 Prozent der Bevölkerung, also sozusagen fast alle, in ihr
versichert seien und weil die gesetzliche Rentenversicherung im
Umlageverfahren - der so genannte Generationenvertrag - finanziert
sei. Genau diese Argumente gelten aber für die nach Kapitaldeckungsgrundsätzen
finanzierten berufsständischen Versorgungswerke nicht.
Inzwischen hat nun die Bundesregierung die Versichertengemeinschaft
der gesetzlichen Rentenversicherung insofern entlastet, als der
Bund aus Steuermitteln seit 1999 Beiträge für Kindererziehungszeiten
an die gesetzliche Rentenversicherung zahlt. Die berufsständischen
Versorgungswerke fordern seither, dass auch an sie Beiträge
aus Steuermitteln geleistet werden.
In dieser Phase der politischen Diskussion sind Forderungen an die
Versorgungswerke, Kindererziehungszeiten aus eigenen Mitteln zu
finanzieren, politisch unklug. Verantwortliches Handeln bedeutet
daher zurzeit, zunächst abzuwarten und auf allen politischen
Ebenen die Forderung nach Übernahme von Beiträgen für
Kindererziehungszeiten durch den Bund auch für ärztliche
Versorgungswerke zu erheben.
Mein Fazit lautet: Wenn die berufsständischen Versorgungswerke
die Chance nicht verspielen wollen, dass der Bund auch für
ihre Mitglieder Beiträge während der Phase der Kindererziehung
übernimmt, ist es das Gebot der Stunde, jetzt nicht mit Forderungen
vorzupreschen, sondern der Deutsche Ärztetag sollte sich hinter
die Forderung der anderen berufsständischen Versorgungswerke
stellen und diese unterstützen, damit der Bund in Zukunft seine
Verpflichtung auch gegenüber diesen wahrnimmt.
Dies gilt umso mehr, als die Beiträge, die der Bund für
Kindererziehende aufbringt, auch aus dem allgemeinen Steueraufkommen
finanziert werden, an dessen Aufbringung auch wir Ärztinnen
und Ärzte als Mitglieder der Versorgungswerke beteiligt sind.
Aus diesem Grunde bitte ich Sie, dem Antrag 9 aus Hessen nicht zuzustimmen,
sondern dem von mir und weiteren Kolleginnen und Kollegen eingebrachten
Antrag 27.
Ich möchte noch darauf hinweisen, dass im Entschließungsantrag
des Vorstands der Bundesärztekammer zu Tagesordnungspunkt III
unter Punkt 7 auf Seite 5 steht:
An die Ärztlichen Versorgungswerke wird appelliert
zu prüfen, inwieweit auch bei den Versorgungswerken Kindererziehungszeiten
berücksichtigt werden können.
Mit dieser Forderung erübrigt sich auch der Antrag 9.
Vielen Dank.
(Beifall)
Prof. Dr. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer
und des Deutschen Ärztetages:
Schönen Dank, Frau Koßmann. - Als nächste Rednerin
bitte Frau Dr. Berendes aus Westfalen-Lippe.
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