TOP IV : Zukunft der hausärztlichen Versorgung

2. Tag: Mittwoch, 29. Mai 2002 Nachmittagssitzung

Zimmer, Nordrhein:

Herr Präsident!Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als jemand, der auf dem Eisenacher Ärztetag für die Allgemeinmedizin, in der er ja tätig ist, wirklich gezittert und gelitten hat, möchte ich zunächst einmal erklären: Ich sehe in dem vorgeschlagenen Kompromissmodell überhaupt nicht die Abschaffung der Allgemeinmedizin, denn Namen sind Schall und Rauch, Inhalte sind alles, was das Leben hinterher hergibt.

(Beifall)

Herr Dr. Koch, Sie haben es geschafft, die zwei dicksten Ankertaue der medizinischen Versorgung überhaupt, nämlich die Allgemeinmedizin und die Innere Medizin, wenn man sie nach der Zahl betrachtet, durch eine Spinnmaschine hindurchzuziehen und ein wunderbar fein gewebtes Netz herauszubekommen, mit dem man Fallschirm springen kann und meiner Ansicht nach sicher auf dem Boden landet, soweit man - das müssen wir uns hier einmal vor Augen führen - sich in der Medizin jung orientiert, was man werden will. Diejenigen, die hier sitzen, sind doch von diesem Problem per se nicht mehr betroffen.

(Beifall)

Wir schaffen aber in einer Zeit, in der wir uns über den Ärztemangel und über die Orientierungslosigkeit in der Medizin beschweren, zum ersten Mal eine Chance, jungen Menschen zu sagen: Du musst nicht am ersten Tag anfangen zu lügen, weil du Allgemeinarzt werden willst, aber in eine internistische Abteilung musst;

(Beifall)

du kannst, weil du in der Universität vielleicht nicht ganz genau weißt, was du wirklich werden willst - ich wollte per se Unfallchirurg werden -, dich orientieren und feststellen, dass das nicht ein Leben lang so gehen kann, dass du damit nicht zufrieden bist, und du kannst innerhalb von zwei - jetzt sogar drei - Jahren immer noch eine Entscheidung treffen, bei der deine Lebenszeit bis dorthin nicht sinnlos irgendwo in einer Klinik verbracht wurde.

(Beifall)

Wenn man am Ende einer Ausbildung von fünf Jahren, die eine Praxistätigkeit mit beinhaltet, wirklich meint, man müsste, obwohl chirurgisch gebildet, trotzdem internistischer Chef in einer Klinik der Grund- und Regelversorgung werden - wer ist daran gehindert, sich weiteres Fachwissen im stationären Bereich anzueignen und vielleicht nach sechs oder sieben Jahren auch Chefarzt einer Grundversorgungsklinik zu werden

(Beifall)

und damit einer der bestqualifizierten Partner für die Zukunft zu werden, wie ich sie mir wünsche, nämlich Chefarzt internistischer Regelversorgungseinrichtungen, der weiß, wie das Leben draußen aussieht? Damit habe ich eine Zukunft vor mir, die mich glücklich machen würde.

(Beifall)

Vor diesem Hintergrund bin ich willens und bereit, für mich als Person selbst auf den Namen zu verzichten, wenn die Allgemeinmedizin als Annex hinten herunterfällt, wenn nur die Inhalte stimmen.

Ich möchte Sie noch auf eine ganz gefährliche Vision hinweisen. Es geht um die im Antrag IV-5 dargestellte hausärztliche Versorgung aus der Sicht einer anderen Gruppierung. Dort wird der Facharzt für Allgemeinmedizin und Innere Medizin als die Basisversorgung schlechthin, nämlich die Vorqualifikation für richtige Ärzte mit darauf aufsetzendem Schwerpunkt der Inneren Medizin, optiert. Das halte ich gerade für junge Menschen für verführerisch, denn sie geraten in die Situation, dass sie erst das eine komplett machen müssen, um anschließend dann der bessere Arzt zu werden. Wie viel Lebensarbeitszeit können wir eigentlich diesen jungen Ärzten, die sowieso nicht mehr kommen wollen, abverlangen, um am Ende ein Ziel zu erreichen, das sie von vornherein nicht wollen?

Danke.

(Lebhafter Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages:

Schönen Dank, Herr Zimmer. Herr Zimmer ist - das muss ich denen sagen, die leider nicht im Rheinland wohnen können -

(Heiterkeit)

ein beliebter Fernsehgast in WDR 3, wenn es um gesundheitspolitische Themen geht und man einen richtigen Hausarzt braucht, der was vom Zucker versteht, der etwas von Windeln bei alten Leuten versteht. Da ist Herr Zimmer der Richtige; er weiß immer, woran wir sind. Vielen Dank.

(Beifall)

Als nächster Redner bitte Herr Dr. von Römer aus Bayern.

© 2002, Bundesärztekammer.