Dr. Flenker, Referent:
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine sehr geehrten
Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Nach den intensiven,
engagierten und teilweise emotionalisierten Diskussionen und dem
historischen Beschluss vom gestrigen Tage sowie den Feierlichkeiten
der letzten Nacht und des heutigen Morgens muss ich Sie um Aufmerksamkeit
für die Berufsordnung bitten. Das schöne alte deutsche
Weihnachtslied "Alle Jahre wieder" ist nicht die Leitmelodie
der Berufsordnungsgremien der Bundesärztekammer. Trotzdem steht
heute die Berufsordnung wieder auf der Tagesordnung eines Deutschen
Ärztetages, obwohl wir - da erinnern Sie sich nicht falsch
- vor relativ kurzer Zeit, nämlich auf dem 100. Deutschen Ärztetag,
eine Gesamtnovellierung der (Muster-)Berufsordnung beschlossen haben
und wir uns auf dem 103. Deutschen Ärztetag gerade mit jenen
Vorschriften der Berufsordnung befasst haben, die heute wiederum
auf der Tagesordnung stehen.
Trotzdem sind wir veranlasst, uns erneut mit den Vorschriften der
beruflichen Kommunikation bzw. mit den Vorschritten der ärztlichen
Werbung zu befassen; denn das Bundesverfassungsgericht, aber auch
das Bundesverwaltungsgericht haben sich im vergangenen Jahr und
auch in diesem Jahr in einer, wie man geradezu sagen kann, Kaskade
von monatlichen Entscheidungen mit Fragen der Werbung von Ärzten,
Zahnärzten, Tierärzten und Rechtsanwälten befasst
und grundsätzliche Entscheidungen zum Bereich der beruflichen
Kommunikation freiberuflich Tätiger getroffen. Ich glaube,
die meisten dieser Entscheidungen sind Ihnen aus der Presse bekannt.
Zu nennen ist hier zuerst die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts
vom April 2001, in der es Ärzten gestattet wurde, auf ihrem
Praxisschild neben der Facharztbezeichnung unter Angabe der verleihenden
Organisation den Tätigkeitsschwerpunkt Akupunktur anzukündigen.
Im Juli 2001 hat dann das Bundesverfassungsgericht für die
Zahnärzte entschieden, dass Zahnärzte berechtigt sind,
auf ihrem Praxisschild nicht nur Qualifikationen anzukündigen,
die nach Weiterbildungsrecht erworben wurden, sondern auch sonstige
Qualifikationen angegeben werden dürfen, wenn diese beispielsweise
auf einer Fortbildung beruhen und der Zahnarzt diese angekündigte
Tätigkeit nicht nur gelegentlich ausübt.
Im Januar 2002 hat das Bundesverfassungsgericht weiterhin entschieden,
dass im Bereich der Klinikwerbung der Begriff Spezialist verwandt
werden darf.
Im Februar 2002 hat das Bundesverfassungsgericht sodann entschieden,
dass die Begrenzung von Anzeigen auf bestimmte Anlässe wie
Praxisgründung, Urlaubsvertretung u. a. nicht mehr angemessen
ist und auch diese Begrenzung, die bisher im Berufsrecht vorgesehen
ist, aufzuheben ist.
Meine Damen und Herren, aus all diesen Entscheidungen, ja dieser
Entscheidungskaskade, die ergänzt werden durch eine Reihe von
Entscheidungen zum Werberecht der Anwälte, ergibt sich die
verfassungsrechtliche Bewertung zur Außendarstellung von Ärzten.
Das Bundesverfassungsgericht führt wörtlich aus - ich
darf zitieren -:
Das Werbeverbot für Ärzte soll dem Schutz
der Bevölkerung dienen, es soll das Vertrauen der Patienten
darauf erhalten, dass der Arzt nicht aus Gewinnstreben bestimmte
Untersuchungen vornimmt, Behandlungen vorsieht oder Medikamente
verordnet ... Die ärztliche Berufsausübung soll sich
nicht an ökonomischen Erfolgskriterien, sondern an medizinischen
Notwendigkeiten orientieren. Das Werbeverbot beugt einer gesundheitspolitisch
unerwünschten Kommerzialisierung des Arztberufs vor. Werberechtliche
Vorschriften in ärztlichen Berufsordnungen hat das Bundesverfassungsgericht
daher mit der Maßgabe als verfassungsmäßig angesehen,
dass nicht jede, sondern lediglich die berufswidrige Werbung verboten
ist ... Für interessengerechte und sachangemessene Informationen,
die keinen Irrtum erregen, muss im rechtlichen und geschäftlichen
Verkehr jedoch Raum bleiben.
Aus dieser Rechtsprechung folgt, dass in einer modernen Informationsgesellschaft
- wir leben in einer solchen Informationsgesellschaft - auch dem
berechtigten Interesse der Bevölkerung auf Information Rechnung
getragen werden muss. Um das Interesse an sachlicher, vielleicht
besser gesagt: guter und zutreffender Information zu sichern, muss
es Grenzen geben. Diese sind allerdings weit zu ziehen und finden
sich immer dort, wo Ankündigungen anpreisend, irreführend
oder vergleichend sind.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wenn nach der neuesten Rechtsprechung
der obersten deutschen Gerichte fast alles erlaubt und kaum etwas
verboten ist, warum überhaupt noch eine Regelung zur ärztlichen
Kommunikation in der Berufsordnung? Warum verzichten wir nicht auf
eine Regelung? Ich kann diese Fragen, die von der Ärzteschaft
gestellt werden, gut nachvollziehen. Diese Fragen haben wir natürlich
auch in den Berufsordnungsgremien der Bundesärztekammer, im
Ausschuss und in der Ständigen Konferenz, intensiv diskutiert.
Wir sind zu der Auffassung gelangt, dass an den Regelungen zur Werbung
im ärztlichen Berufsrecht festgehalten werden sollte. Freiberufliche
Tätigkeit zeichnet sich dadurch aus, dass eben nicht wie für
gewerbliche Leistungen geworben wird, sondern dass auch im Rahmen
von zulässigen Informationen dem Patientenschutz Rechnung zu
tragen ist. Auch generalisierende Regelungen können dazu beitragen,
die Qualität der Information zu sichern. Dieses Ziel sollte
die Ärzteschaft nicht aufgeben.
Auch ein Blick über die deutschen Grenzen im Vergleich mit
den anderen europäischen Berufsordnungen zeigt, das in Europa
grundsätzlich an Wettbewerbsvorschriften für die Ärzte
festgehalten wird. Diese Überlegungen lassen es gerechtfertigt
erscheinen, weiter eine Regelung zur ärztlichen Werbung in
die Berufsordnung aufzunehmen. Allerdings sind nicht mehr Regelungen
aller Details erforderlich, sondern die Neufassung kann sich auf
generalklauselartige Bestimmungen beschränken.
Erlauben Sie mir nun, Ihnen kurz die Neuregelung darzustellen.
Zunächst möchte ich Ihnen einen Überblick über
die Grundsätze der neuen Regelungen geben. Anschließend
werde ich die Vorschriften im Einzelnen erläutern.
Die wichtigsten Grundsätze lauten: keine Detailregelung, sondern
Generalklausel; keine Privilegierung von Bezeichnungen, die nach
dem Weiterbildungsrecht erworben wurden - es können alle Informationen
wie Weiterbildungsbezeichnungen, sonstige öffentlich-rechtliche
Qualifikationen, Tätigkeitsschwerpunkte und organisatorische
Hinweise angekündigt werden -; alle Werbeträger werden
gleich behandelt, sodass keine Differenzierung zwischen elektronischen
Medien und Papiermedien erfolgt; die Beschränkung der anlassbezogenen
Information wird aufgehoben, also nicht nur Information bei Praxisvertretung,
Urlaub oder Ähnlichem; keine Sonderregelung für Klinikwerbung;
auf die besonderen Informationsmöglichkeiten unter Ärzten
wird verzichtet; der notwendige Inhalt des Praxisschildes wird festgelegt,
es gibt aber keine Regelungen zur Größe und zur Anzahl
der Schilder - es muss also niemand mehr mit dem Fotoapparat und
einem Zollstock durch die Stadt laufen -; die Ankündigung von
Kooperationen wird geregelt; für Verzeichnisse wurde eine Sonderregelung
in § 28 neu aufgenommen; Streichung des Kapitels D 1.
Nun die Vorschriften im Einzelnen. § 27 - erlaubte Information
und berufswidrige Werbung - wurde neu gefasst. Abs. 1 enthält
entsprechend der Systematik moderner Gesetzestechnik eine Beschreibung
des Normzweckes. Die Formulierung orientiert sich an der Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Juli 2001 zur Implantologie.
Zweck der Bestimmung ist der Patientenschutz durch sachgerechte
und angemessene Information sowie die Vermeidung einer dem Selbstverständnis
des Arztes zuwiderlaufenden Kommerzialisierung des Arztberufs.
In § 27 Abs. 2 wird klargestellt, dass berufsbezogene sachliche
Informationen zulässig sind.
§ 27 Abs. 3 regelt, was unter berufswidriger Werbung zu verstehen
ist. Dies sind beispielsweise Informationen, die geeignet sind,
den Patienten irrezuführen, weil eine falsche Qualifikation
angegeben wird oder die eigene Leistungsfähigkeit anpreisend
herausgestellt wird.
§ 27 Abs. 4 legt fest, welche Angaben zukünftig auf allen
Informationsmedien angegeben werden können. Dieses sind wie
bisher Weiterbildungsbezeichnungen, also beispielsweise Facharzt
für Allgemeinmedizin, Facharzt für Chirurgie usw. Neu
sind sonstige öffentlich-rechtliche Qualifikationen und Tätigkeitsschwerpunkte
und in dem bisher bekannten Maße organisatorische Hinweise.
Durch diese Vorschrift in § 27 Abs. 4 wird die bisherige Privilegierung
der Weiterbildungsbezeichnungen aufgegeben und den Vorgaben des
Bundesverfassungsgerichts gefolgt.
In diesem Zusammenhang wurde in den Berufsordnungsgremien der Bundesärztekammer
kontrovers die Frage diskutiert, ob man den Begriff "Tätigkeitsschwerpunkt"
oder stattdessen "besondere Untersuchungs- und Behandlungsmethoden"
verwenden sollte. Letztlich haben sich nach eingehender Diskussion
die Berufsordnungsgremien für den umfassenden Begriff "Tätigkeitsschwerpunkt"
entschieden.
Gleichzeitig wurde in diesem Zusammenhang auch die Frage diskutiert,
ob eine zahlenmäßige Begrenzung der ankündigungsfähigen
Tätigkeitsschwerpunkte erfolgen sollte. Das Bundesverfassungsgericht
lässt eine solche zahlenmäßige Begrenzung ausdrücklich
zu. Im Hinblick darauf, dass die Ankündigung nur erfolgen darf,
wenn die Tätigkeit nicht nur gelegentlich ausgeübt wird,
erschien eine ausdrückliche zahlenmäßige Begrenzung
entbehrlich.
Besonders hinweisen möchte ich Sie auf die Möglichkeit,
dass zukünftig auf die Ärztekammer hingewiesen werden
kann, die die Qualifikation verliehen hat. Damit wird nach meiner
Auffassung ein wichtiger Beitrag zur Qualitätssicherung der
Ankündigungen geleistet.
Der letzte Satz des Absatzes 4 stellt sicher, dass selbst gewählte
Ankündigungen nicht mit solchen nach dem Weiterbildungsrecht
verwechselt werden.
§ 27 Abs. 5 stellt sicher, dass nur solche Tätigkeiten
angekündigt werden dürfen, die auch ausgeübt werden.
§ 27 Abs. 6 räumt den Ärztekammern die Möglichkeit
ein, die Ankündigungen zu überprüfen.
In § 28 finden Sie eine Sonderregelung für Verzeichnisse.
Hierdurch soll der kostenlose Grundeintrag gewährleistet werden
und damit die Chancengleichheit unter allen Ärzten gewahrt
werden.
Meine sehr verehrten Kolleginnen, meine sehr geehrten Kollegen,
damit ist im Prinzip die Regelung für die Werbung beschrieben.
In den Folgevorschriften der §§ 17, 18, 22 der (Muster-)
Berufsordnung finden Sie einige Detailregelungen zu Praxisschildern.
Diese Detailregelungen sind Folgeänderungen zum vorgeschlagenen
§ 27. Wenn zukünftig vieles erlaubt wird, muss auf der
anderen Seite sichergestellt werden, dass das Praxisschild die zur
Information notwendigen Mindestinhalte aufweist.
§ 17 Abs. 4 betrifft das Praxisschild. Hier wird der obligate
Inhalt des Praxisschildes festgeschrieben. Fakultativ sind weitere
Angaben auf dem Praxisschild möglich.
§ 18 Abs. 3 regelt den Inhalt des Schildes bei ausgelagerten
Praxisräumen.
In § 22 a Abs. 1 wird aufgeführt, dass man nicht quasi
anonym in einer Praxisgemeinschaft tätig werden kann, sondern
dass der Name des Arztes und seine Arztbezeichnung anzuzeigen sind.
Weiterhin wird geregelt, dass in einer Praxisgemeinschaft beispielsweise
der Name Virchow oder Sauerbruch nicht weitergeführt werden
kann. Ebenso wird in § 22 a aufgeführt, dass sich bei
Kooperationen der Arzt mit in das Schild aufnehmen lassen muss.
In Abs. 3 wird geregelt, dass Zusammenschlüsse von Organisationsgemeinschaften
nicht angekündigt werden dürfen. Dies entspricht der bisherigen
Regelung des Kapitels D 1 Nr. II Abs. 9 - 11.
Neu ist hier die ausdrückliche Möglichkeit, einen Praxisverbund
anzukündigen. Alle weiteren Vorschriften zur Ankündigung
ärztlicher Tätigkeiten sind aufgegeben worden. Dieses
gilt insbesondere für den bisherigen Abschnitt Kapitel D I
Nrn. 1 - 5.
Soweit in diesen berufsrechtlichen Vorschriften bisher Detailregelungen,
insbesondere Regelungen beispielsweise zur Ankündigung "hausärztliche
Versorgung" oder "Praxisklinik" oder "ambulantes
Operieren", enthalten waren, werden die Berufsordnungsgremien
der Bundesärztekammer nach der Beschlussfassung auf dem Deutschen
Ärztetag erläuternde Hinweise zu der neu gefassten Berufsordnung
erarbeiten, die die praktische Anwendung dieser Vorschriften erleichtern
sollen.
Meine sehr verehrten Kolleginnen, meine sehr geehrten Kollegen,
neben den vorgestellten Vorschriften zur beruflichen Kommunikation
bitten wir Sie, noch zwei weitere Änderungen der Berufsordnung
zu beschließen. Hierbei handelt es sich in § 20 Abs.
3 um die Berichtigung eines redaktionellen Fehlers, der jedoch in
einigen Ärztekammern zu Problemen geführt hat, und um
eine Änderung in § 15 Abs. 2. In § 15 Abs. 2 ist
bisher die Deklaration des Weltärztebundes berufsrechtlich
verankert. Diese Vorschrift normiert aber keine originären
berufsrechtlichen Pflichten, sondern regelt die Arbeit der Ethikkommissionen.
Deshalb haben die Berufsordnungsgremien eine Streichung und eine
Aufnahme in die Verfahrensordnung der Ethikkommissionen empfohlen.
Ich darf Sie bitten, bei der anschließenden Diskussion die
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu berücksichtigen.
Auch wenn Sie vielleicht diese Rechtsprechung nicht in allen Punkten
für überzeugend halten, wenn Sie vielleicht nicht nachvollziehen
können, welchen Informationswert Bezeichnungen wie "Spezialist"
haben und wie die Qualität der Information zukünftig gesichert
werden soll, so sind wir dennoch an diese Rechtsprechung unseres
obersten Gerichts gebunden. Berücksichtigen Sie bei der Diskussion
bitte auch, dass die Ärztekammern zukünftig ihre Fortbildungen
zertifizieren und damit ihren Beitrag zur Qualitätssicherung
von Informationen leisten werden. Bedenken Sie bitte auch, dass
zukünftig beispielsweise nach dem Fallpauschalengesetz, den
berühmt-berüchtigten DRGs, vergleichende Informationen
über Krankenhausleistungen möglich sein werden. Mit all
diesen Mitteln wird Transparenz über das ärztliche Leistungsangebot
hergestellt. Diese Transparenz sollten wir nicht fürchten,
diese Transparenz sollten wir befürworten.
Ich bitte Sie um Zustimmung zu den vorgeschlagenen Novellierungen
der (Muster-) Berufsordnung und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall)
Prof. Dr. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer und des
Deutschen Ärztetages:
Vielen Dank, Ingo Flenker, für diesen deutlich erklärenden
und zum Teil auch appellativen Vortrag, der uns in die Lage versetzt
hat, jetzt eine Diskussion über diese Thematik zu führen.
Es liegen einige Wortmeldungen vor. Das erste Thema, das uns beschäftigen
sollte, ist das Thema Werbung. Zu Wort gemeldet hat sich zu §
27 Abs. 5 Herr Kollege Bertram aus Thüringen. Bitte schön,
Herr Bertram.
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