TOP VI : Tätigkeitsbericht der Bundesärztekammer

4. Tag: Freitag, 31. Mai 2002 Vormittagssitzung

Prof. Dr. Kahlke, Hamburg:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Montgomery, mit Ihrer Empfehlung haben Sie die Sache auf den Punkt gebracht. Das wollten Sie natürlich auch. Genau dort liegt der Unterschied. Die Herausforderung für die Ärztinnen und Ärzte in dieser Situation ist eine kaum auszuhaltende. Es ist sicher schwierig, Menschen mit der gebotenen Sachlichkeit und Nüchternheit gegenüberzutreten, die die Polizei und manchmal auch das ärztliche Personal provozieren. In § 81 a der Strafprozessordnung steht - das habe ich in der Begründung zu meinem Antrag ausgeführt -, dass entsprechende Maßnahmen nur zulässig sind, wenn keine Nachteile für die Gesundheit zu befürchten sind. Auf einer Veranstaltung mit Juristen und Rechtsmedizinern hat der Leitende Oberstaatsanwalt erklärt: Wenn es ärztlich nicht zu vertreten ist, kann natürlich auch kein Arzt dazu gezwungen werden. Deshalb ist es ja wohl auch so in der Strafprozessordnung formuliert. Es wäre nicht hinnehmbar, wenn uns vorgeschrieben werden dürfte, was wir zu tun haben, wenn das eigene Berufsethos dadurch konterkariert würde.

In Hamburg gab es die ganz besonders drastische Situation, dass ein 19-Jähriger durch solche Maßnahmen zu Tode gekommen ist. Das macht ganz deutlich, dass hier entschieden zu weit gegangen wurde.

Der zweite Satz des dritten Absatzes des Antrags VI-2, den ich ansonsten unterstützen kann, lautet:

Die Stärke des Tatverdachts muss die Maßnahme rechtfertigen, nicht der mögliche Widerstand des Beschuldigten.

Ich meine: Allenfalls kann die unmittelbare Gefahr die Maßnahme rechtfertigen. Ich frage, ob es nicht heißen muss, dass die ärztliche Berufsordnung die Maßnahme rechtfertigen muss. Ich denke, eine Maßnahme, die zum Tode führen kann, darf nicht als gerechtfertigt angesehen werden.

Wir haben hier aus gutem Grund Studierende zu verschiedenen Themen angehört. Die Studierenden der Universität Hamburg - in Hamburg hat sich ja der Vorfall ereignet - haben in diesem Sinne eine Resolution verfasst und haben sich eindeutig gegen die gewaltsame Verabreichung der Brechmittel unter Hinweis auf die Berufsordnung, unter Hinweis auf das Berufsethos, dem sie sich verpflichtet fühlen, ausgesprochen. Ich meine, auch dieses Votum der Studierenden sollten wir berücksichtigen.

Diese Herausforderung gefährdet auch das, was Professor Hanns Gotthard Lasch - im Übrigen war ich überrascht, hier meinen alten Doktorvater aus Heidelberger Zeiten wieder zu treffen - in seinen Dankesworten zum Ausdruck gebracht hat. Er hat vom Verlust des Ärztlichen gesprochen. Das mag etwas altmodisch klingen. Aber ich glaube, wenn wir in diesem Punkt nicht ganz konsequent sind, dass die Berufsordnung höher zu werten ist als Erwartungen, die an uns im Zuge der Beweissicherung gerichtet werden, geht das Ärztliche verloren. Ich denke, es darf nicht auf der Strecke bleiben. Deshalb bitte ich Sie, neben dem Antrag VI-34 den Antrag VI-2 unverändert anzunehmen.

Vielen Dank.

(Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages:

Danke sehr, Herr Kahlke. - Als nächste Rednerin bitte Frau Kollegin Femers aus Westfalen-Lippe.

© 2002, Bundesärztekammer.