TOP VI : Tätigkeitsbericht der Bundesärztekammer

4. Tag: Freitag, 31. Mai 2002 Vormittagssitzung

Prof. Dr. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages:

Es gibt den, wie ich finde, gut begründeten Antrag, zum Antrag 81 eine zweite Lesung durchzuführen. Ich lese den gesamten Text vor. Ich meine, es ist sinnvoll, dass wir akzeptieren, dass noch einmal eine Rede dagegen und eine Rede dafür erfolgt.

Der Text lautet:

Der Deutsche Ärztetag fordert die Bundesregierung auf, die gesetzlichen Grundlagen für eine bessere Verzahnung der Partner im Gesundheitswesen zu schaffen: Es sollen in den Aufsichtsräten der Krankenkassen Vertreter der verfassten Ärzteschaft mit Stimm- und ggf. Vetorecht bei bestimmten Entscheidungen vertreten sein, wie z. B. Durchführung und Finanzierung von Gesundheits- und Werbekampagnen, Bau von Verwaltungsgebäuden. Umgekehrt sollen Vertreter der Krankenkassen in den Aufsichtsräten von Gesundheitsanbietern (Krankenhausketten, Medikamentenherstellern, Bundes-KV) mit gleichen Rechten mitwirken. Im Falle eines Vetos muss dann die zuständige Landesregierung als Aufsichtsbehörde die strittige Entscheidung zur Wahrung der Interessenslage der Bevölkerung regeln.

Ich glaube, dort steht viel mehr, als wir uns das eben auf die Schnelle im Hinblick auf den Begriff "Verzahnung" vorgestellt haben. Wir haben vielleicht nur daran gedacht, dass Ärzte und Schwestern oder Ärzte und Sozialstationen gut zusammenarbeiten sollen.

Ich darf eine zweite Lesung als Vorsitzender einleiten und tue das hiermit. Ich bitte Herrn Henke, sich dazu zu äußern.

Henke, Vorstand der Bundesärztekammer:

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn über dem Antrag steht: "Verzahnung der Partner im Gesundheitswesen", ist das zunächst einmal etwas, was sympathisch ist und bei dem man sagt: Das wollen wir, weil wir eigentlich darunter leiden, dass die Kooperation und die Zusammenarbeit im Gesundheitswesen geringer ausgeprägt sind, als wir uns dies wünschen. Das setzt aber voraus, dass diejenigen, die kooperieren, auch in relativ klaren Strukturen kooperieren und dass nicht hinter verschlossenen Türen in intransparenten Verfahren Entscheidungen getroffen werden.

Das Land Nordrhein-Westfalen arbeitet derzeit beispielsweise für den Bereich der Müllentsorgung die Konsequenzen auf, die daraus resultieren, dass man öffentliche Gewalt und private Unternehmen dergestalt miteinander verzahnt, dass sie in Joint Ventures zusammenarbeiten, und derjenige, der als Privater mitwirkt, in der Gefahr ist, jedenfalls bei Ausschreibungen, die Bewerbungen seiner Konkurrenz zu sehen.

Was hier vorgeschlagen wird, ist im Grunde genommen die inhaltliche Trennung zwischen denjenigen, die Leistungen erbringen - den Begriff Leistungserbringer würde ich nicht verwenden -, und denjenigen, die sie finanzieren, aufzuheben. Wir bekommen damit ein völlig intransparentes und nicht mehr definierbares Interessengefüge. Natürlich bin ich dagegen, wie die Krankenkassen Werbekampagnen finanzieren. Natürlich würde ich das gern verhindern. Ich finde, die Krankenkasse ist nicht dazu da, als Akteur einzugreifen, sondern sie ist dazu da, den Patienten die Möglichkeit einer unabhängigen Entscheidung über seine Behandlung zu ermöglichen.

Aber glauben wir wirklich, dass der Weg, um das zu erreichen, derjenige ist, dass Vertreter der Ärzte in Aufsichtsräte von Kassen gehen? Wollen wir, um das zu erreichen, umgekehrt akzeptieren, dass unsere eigenen Sphären von Interessendefinition durchdrungen werden von Kassenvertretern, die dort natürlich alle Informationen, die sie bekommen können, als Machtmittel einsetzen und nutzen werden?

Wenn es am Ende des Antrags heißt, dass dann, wenn man sich nicht einigen konnte, die Landesregierung eine abschließende Entscheidung trifft - bei den bundesunmittelbaren Kassen müsste man sagen: die Bundesregierung -, dann haben wir den Staat in allem drin.
Deshalb bitte ich Sie, noch einmal zu überlegen, ob wir diesen Antrag nicht doch einer näheren Beratung zuführen müssten, als uns das eben in einem ersten sympathischen Ansatz gelungen ist.

(Beifall)

Prof. Dr. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages:

Danke schön. Daraus schließe ich, dass die Intention besteht, den Antrag dem Vorstand zu überweisen. Stimmt das so? - Okay. Dann frage ich also: Wer ist dafür, den Antrag auf Drucksache VI-81 an den Vorstand zu überweisen? - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Der Antrag ist an den Vorstand überwiesen. Damit haben wir den Gesetzgeber nicht direkt aufgefordert, etwas Neues zu tun.

© 2002, Bundesärztekammer.