ENTSCHLIESSUNGSANTRAG I - 3
Auf Antrag des Vorstandes der Bundesärztekammer
(Drucksache I-3) fasst der 105. Deutsche Ärztetag folgende
Entschließung:
Die von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung
vorgelegte Analyse zur Altersstruktur und Arztzahlentwicklung
zeigt auf, dass sich der Arbeitsmarkt für die deutschen Ärztinnen
und Ärzte im Umbruch befindet: Die deutsche Ärzteschaft
hat gravierende Nachwuchsprobleme. Hieraus entstehen schon jetzt
bundesweit Versorgungsengpässe vor allem in der Allgemeinmedizin,
aber auch in anderen Fachbereichen. Die anwachsende Zahl von Stellenausschreibungen
und die festgestellte Zunahme des Durchschnittsalters betrifft
insbesondere die ostdeutschen Länder.
Durch überbordende Reglementierungen und Bürokratisierung
der ärztlichen Berufsausübung und einer budgetbedingten
Arbeitsüberlastung ist der Arztberuf in Klinik und Praxis
offensichtlich zunehmend unattraktiv geworden. Die Situation stellt
sich folgendermaßen dar:
· Der "Verlust" an Medizinstudenten und -studentinnen
im Studienverlauf liegt zwischen 30 bis 40 Prozent. In dieser
unvertretbar hohen Quote befinden sich Studienabbrecher und Studienwechsler
sowie eine etwa gleich große Zahl von Studienabsolventen,
die jedoch nicht in die AiP-Phase eintreten und offensichtlich
in alternative Berufsfelder gehen.
· Die Zahl der Allgemeinmediziner und Praktischen Ärzte
hat in den letzten Jahren kontinuierlich abgenommen; in den neuen
Bundesländern werden zudem in den nächsten fünf
bis zehn Jahren ca. 40 Prozent Hausärzte die Altersgrenze
erreichen und somit aus dem Berufsleben ausscheiden.
· Insbesondere in den neuen Bundesländern stellt sich
die Altersproblematik auch in anderen Fachgebieten besonders dramatisch
dar: es fehlt der Nachwuchs einerseits - andererseits ist die
Versorgung durch ein überproportionales Ausscheiden von Rentnern
und Ruheständlern gefährdet.
· Vor allem in den ländlichen Regionen wirkt sich
der Ärztemangel schon heute aus und greift bereits auf Ballungsgebiete
über.
· Auf Grund der schlechten Arbeitsbedingungen wählen
immer mehr Ärzte den frühestmöglichen Zeitpunkt
für ihre Pensionierung oder scheiden ganz aus dem Arztberuf
aus.
· Obwohl für 2001 die Gesamtstatistik noch eine gering
positive Steigerungsrate von 1,6 Prozent aufweist, ist die Rate
an berufstätigen Ärztinnen und Ärzten in einigen
Landesärztekammern bereits jetzt negativ; ein warnendes Anzeichen
für einen sich auf absehbare Zeit generell abzeichnenden
Ärztemangel ist der deutliche Rückgang an stationär
tätigen Ärzten und Ärztinnen in fünf Landesärztekammern.
· Die gegenwärtig bestehenden regionale Versorgungsengpässe
werden sich vor dem Hintergrund erhöhter Behandlungserfordernisse
infolge Langlebigkeit, Multimorbidität und medizinischen
Fortschritts erheblich verschärfen.
Der Deutsche Ärztetag fordert daher eine konzertierte Aktion
von ärztlicher Selbstverwaltung, Politik und Krankenkassen,
um die fatale Entwicklung zu stoppen und möglichst umzukehren.
Durch Abbau staatlicher Reglementierungen sowie durch angemessene
Arbeits- und Vergütungsbedingungen am Krankenhaus und in
freier Praxis muss dem Arztberuf wieder der Stellenwert eingeräumt
werden, den er im Ansehen der Bevölkerung nach wie vor hat.
Es ist an der Zeit, die Diffamierung des Arztberufes einzustellen.
Der Arztberuf muss wieder attraktiv werden.
Junge Ärztinnen und Ärzte können verstärkt
motiviert werden, wieder in die praktische Medizin zu gehen.
Dazu sind folgende Maßnahmen geeignet:
· Umsetzung der novellierten Approbationsordnung mit praxisnahem
Medizinstudium an den Medizinischen Fakultäten aller Bundesländer
· Änderung der Bundesärzteordnung zwecks Abschaffung
des AiP's als überfällige Maßnahme
· Verbesserung der ärztlichen Weiterbildung in Klinik
und Praxis und Bereitstellung der hierfür notwendigen Mittel
· Schaffung einer einheitlichen Hausarzt-Qualifikation
und weiterer Anreize für die Weiterbildung in der Allgemeinmedizin
· Anerkennung des Bereitschaftsdienstes als volle Arbeitszeit
entsprechend des Urteils des Europäischen Gerichtshofes
· Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit
von Beruf und Familie
· Reduzierung und Bezahlung von Überstunden
· Aufhebung der Ost-West-Finanzierungslücke und gleicher
Lohn für gleiche Arbeit
Gelingt es nicht, mit diesen und weiteren Maßnahmen die
fatale Entwicklung umzukehren, wird es zu unübersehbaren
Folgewirkungen mit einem Versorgungsnotstand in ganz Deutschland
kommen und die Patienten werden unter dem Mangel an medizinischer
Betreuung und ärztlicher Zuwendung zu leiden haben.
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