Die Gesamtzahl der Ärztinnen ist im letzten Jahrzehnt deutlich
angestiegen. Insgesamt arbeiten in der Bundesrepublik Deutschland
derzeit 111.504 Ärztinnen in Krankenhäusern, Praxen
und sonstigen Einrichtungen des Gesundheitswesens und stellen
damit rund 40 % aller berufstätigen Ärzte.
Diese Entwicklung kann gleichwohl nicht darüber hinwegtäuschen,
dass nach wie vor eine Vielzahl struktureller Probleme und subtiler
Diskriminierungen die geforderte Gleichstellung von Ärzten
und Ärztinnen behindert. So sind Ärztinnen überproportional
häufig und länger arbeitslos als ihre männlichen
Kollegen. Wegen der Vereinbarkeitsproblematik zwischen Beruf und
Familie wählen Ärztinnen häufiger als Ärzte
Stellen, die nicht ihren eigentlichen Zielen und Erwartungen entsprechen,
und sind in weit geringerem Ausmaß als ihre Kollegen in
der Lage, eine abgeschlossene Weiterbildung zu absolvieren.
Besonders deutlich wird die Problematik in den Führungspositionen:
Hier sind lediglich knapp 10 % aller Chefarztpositionen und nur
3,6 % aller C 4-Lehrstühle in der Medizin mit Frauen besetzt.
Auch international liegt die Bundesrepublik Deutschland damit
weit zurück.
Der 105. Deutsche Ärztetag fordert daher ein umfassendes
Konzept zur Förderung der Chancengleichheit, das geeignet
ist, sowohl den Einstieg in den Beruf als auch Entwicklungsmöglichkeiten
sicherzustellen und Karrierechancen zu verbessern. Dazu gehören
insbesondere:
Flexible Arbeitszeitmodelle organisieren
Ärztliche Tätigkeit, insbesondere im Krankenhaus, ist
nach wie vor geprägt durch eine weit über den Durchschnitt
aller sonstigen Bereiche hinausgehende Arbeitszeit. Zunehmend
teilen Ärztinnen und Ärzte jetzt auch den Wunsch nach
geregelter Arbeitszeit bei angemessener Vergütung. Erst durch
den Abbau übermäßiger und zum Teil unbezahlter
Überstunden und Bereitschaftsdienste und die Einrichtung
einer ausreichenden Zahl zusätzlicher Stellen wird es zukünftig
sowohl für Ärztinnen wie Ärzte möglich sein,
engagiert und ambitioniert ihre beruflichen und familiären
Aufgaben zu erfüllen.
Die Verantwortlichen in den Krankenhäusern und anderen Bereichen
ärztlicher Tätigkeit werden daher aufgefordert, gemeinsam
mit den Beschäftigten patienten- und mitarbeiterorientierte
Konzepte einer flexiblen Arbeitszeitgestaltung (qualifizierte
Teilzeitarbeitsplätze/Altersteilzeit etc.) zu entwickeln
und einzuführen, bei denen auch eine qualifizierte Weiterbildung
möglich ist.
Der Gesetzgeber wird aufgefordert, die Möglichkeiten einer
Teilzeittätigkeit auch im ambulanten Bereich (Praxis-Jobsharing)
durch entsprechende Änderungen der Rechtsgrundlagen flexibler
zu gestalten.
Kinderbetreuung sichern
Unabdingbare Voraussetzung für eine sinnvolle Vereinbarkeit
von Beruf und Familie ist die Sicherstellung von Kinderbetreuung.
Der 105. Deutsche Ärztetag fordert Bund und Länder eindringlich
auf, den bereits vor Jahren normierten Rechtsanspruch auf einen
Kindergartenplatz zügig umzusetzen. Darüber hinaus werden
Krankenhäuser und Unikliniken ermutigt
- bereits bestehende Kinderbetreuungseinrichtungen auszuweiten
und sie Kindern sämtlicher Mitarbeitergruppen zu öffnen;
- zukünftig alle Möglichkeiten der Kooperation (Krankenhäuser
untereinander, Krankenhäuser und
- Eltern sowie Krankenhäuser, Eltern, Kommunen und Gemeinden)
zu nutzen, um ähnlich wie im
- industriellen Bereich neue flexible Kinderbetreuungsmöglichkeiten
zu organisieren.
Darüber hinaus sind Bund und Länder aufgefordert, entsprechend
den internationalen Gepflogenheiten vermehrt qualifizierten Unterricht
in Ganztagsschulen zu organisieren.
Die wegen Erwerbstätigkeit erforderlichen finanziellen Aufwendungen
zur Kinderbetreuung sind als voll abzugsfähige Werbungskosten
zu definieren. Es ist nicht einzusehen, dass Betriebe mehr oder
weniger sinnvolle Aufwendungen als Werbungskosten steuermindernd
einsetzen können, die bei einer Berufstätigkeit von
Frauen dagegen zwangsläufig erforderlichen Aufwendungen der
Kinderbetreuung als Kosten der privaten Lebensführung deklariert
werden und nur begrenzt abzugsfähig sind.
Arbeitgebern ist der finanzielle Aufwand für die Einhaltung
von Mutterschutzbestimmungen aus öffentlichen Mitteln zu
entrichten.
Karrierechancen für Ärztinnen verbessern
Der 105. Deutsche Ärztetag begrüßt das von der
Bundesregierung initiierte Programm zur "Chancengleichheit
von Frauen in Forschung und Lehre", das bis zum Jahre 2005
den Professorinnen-Anteil auf 20 % erhöhen und damit verdoppeln
will. Ärztinnen müssen bei der Besetzung von Lehrstühlen
dabei entsprechend berücksichtigt werden. Dazu ist es u.
a. erforderlich, Berufungsverfahren transparent und überprüfbar
zu gestalten und bei der Besetzung von Berufungskommissionen und
der Auswahl von Gutachtern neben den Gleichstellungsbeauftragten
auch Professorinnen zu beteiligen.
Im Krankenhausbereich werden die Verantwortlichen aufgefordert,
dafür Sorge zu tragen, dass der Anteil von Frauen in Führungspositionen
sich entsprechend den Plänen für den universitären
Bereich deutlich erhöht. Führungspositionen sind grundsätzlich
öffentlich auszuschreiben und Frauen in die Auswahlgremien
zu integrieren.
Mentorenprogramme initiieren
Internationale Erfahrungen zeigen, dass Mentorenprogramme geeignete
Instrumente sind, um Frauen in ihrer beruflichen Entwicklung zu
fördern und ihnen auf ihrem individuellen Karriereweg Hilfestellung
zu leisten.
Bundesregierung und Krankenhausträger werden aufgefordert,
Mentoring als Instrument der Personalentwicklung zu begreifen
und an Universitätskliniken und Krankenhäusern zu initiieren
und zu fördern.
Ärztinnen stellen ein Potential dar, dessen differenzierte
Erfahrungen und vielfältige Qualifikationen im Gesundheitswesen
unverzichtbar sind.