Büchner, Schleswig-Holstein:
Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Sie kennen meine Meinung: Die Ignoranz der Politik wird nur noch
übertroffen durch unsere Demut. Ich möchte dem Highlight von Herrn Professor Mehnert, der gesagt hat, dass wir mit Goethe, Schiller und
Thomas Mann im Land der Dichter und Denker lebten, ein anderes literarisches
Zeugnis hinzufügen, und zwar von Elmar Brandt: Das ist Abzocke auf der ganzen
Linie.
Durch das Krankenversicherungsbeitragsdämpfungsgesetz 1977
wurde der Beitrag der Rentner zur Krankenversicherung von 17 Prozent auf 11,8
Prozent gesenkt. Dies hat im Jahre 2001 zu einem Defizit von 61,7 Milliarden DM
- das entspricht circa 30 Milliarden Euro - geführt. Das Fass ist allmählich
voll. Wohin man schaut: Mittelentzug. Der Gebrauch des Begriffs „Transparenz“
bedeutet nur, dass uns mächtig Sand in die Augen geschaufelt wird. DRGs und DMPs wirken so, als
wollte man den Patienten kurz vor seiner Herzoperation noch einmal kräftig
würgen, um ihn dann ordentlich vorbereitet operieren zu können. Wir haben uns
in Schleswig-Holstein entschlossen, initiiert vom NAV-Virchow-Bund,
Verfassungsbeschwerde gegen die Nullrunde, gegen das Beitragssatzsicherungsgesetz
einzulegen. Diese Verfassungsbeschwerde wurde gestern von einer Gynäkologin,
einem Praktischen Arzt, einem Anästhesisten, einem Orthopäden, einem Chirurg
und einem Allgemeinarzt, der vor Ihnen steht, eingelegt.
Ich möchte Sie um Unterstützung für diese Initiative
bitten. Professor Sodan, der Präsident des Berliner
Verfassungsgerichts, sagt:
Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber keine Blankovollmacht
zur
beliebigen Einschränkung der Berufsfreiheit von Ärzten eingeräumt. Der
Gesetzgeber ist nicht berechtigt, die Vergütungen zu sozialisieren. Der
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist verletzt. Die Festschreibung der
Nullrunde überschreitet mit den bestehenden Reglementierungen die Schwelle der
Verfassungsmäßigkeit. Die Nullrunde bringt das Fass zum Überlaufen.
Ich habe den entsprechenden Antrag bereits auf dem
außerordentlichen Ärztetag am 18. Februar dieses Jahres in Berlin gestellt. Er
wurde damals aus Zeitmangel an den Vorstand überwiesen. Ich bitte Sie heute um
Unterstützung des folgenden Textes:
Der 106. Deutsche Ärztetag begrüßt und unterstützt die Verfassungsbeschwerde
gegen die so genannte Null-Runde im Beitragssatzsicherungsgesetz, die vom NAV-Virchow-Bund
Schleswig-Holstein initiiert wurde und der sich in einer gemeinsamen Kammer-
und Abgeordnetenversammlung am 12.02.2003 die örtlichen Körperschaften und sämtliche freien und Berufsverbände in
Schleswig-Holstein angeschlossen haben. Das Fass läuft über, nach über 30
gesetzlichen Neuregelungen in den vergangenen 20 Jahren, nach Budgetierung,
Rationierung, DRGs und DMPs.
Wir machen unsere verfassungsmäßigen Rechte geltend, wie schon Rudolf Virchow
1849 sagte: „Will man etwas, so muss man radikal sein“.
Es geht hier um einen neuerlichen Mittelentzug, den man
auf 6 bis 8 Prozent beziffert. Wir wollen uns nicht vorwerfen lassen, dass wir
diesen Weg nicht gegangen sind. Deshalb werden wir ihn beschreiten. Ich bitte
Sie um Ihre Unterstützung. Bei aller Bedeutung der leisen Töne müssen wir auch
einmal klar Flagge zeigen. Das ist eine Chance. Ich bitte Sie um Ihre
Unterstützung.
Danke.
(Beifall)
Prof. Dr. Dr. h. c. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der
Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages:
Vielen Dank, Herr Kollege
Büchner. Wir haben die Anträge zum Teil ja auch deswegen an den Vorstand
überwiesen, weil wir gern wollten, dass der Beschluss des außerordentlichen
Deutschen Ärztetages als besonderes Menetekel in der Welt ist. Diese Wirkung
hat er ja auch gehabt. Das bedeutet nicht, dass wir das auf diesem Ärztetag
nicht weiter diskutieren.
Sie finden auf Ihren Plätzen zwei Papiere: Zum einen einen Auszug aus dem Entwurf eines Gesetzes zur
Modernisierung des Gesundheitssystems und zum anderen einen rechtlichen
Überblick nach Sachthemen bezüglich dieses Gesetzentwurfs, erstellt von Herrn
Rechtsanwalt Schirmer, dem Leiter der gemeinsamen Rechtsabteilung von
Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung. Vielen Dank, Herr
Schirmer, für diese Arbeit.
(Beifall)
Der nächste Redner ist Herr Dr. Pickerodt.
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