Dr. Dehnst, Westfalen-Lippe:
Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Mit Schrecken und Befremden habe ich heute Morgen
vernommen, wie angesichts der großen Probleme im Gesundheitswesen die
Landesgesundheitsministerin von einer Produktivitätssteigerung sprach, die
notwendig sei, und wie angesichts der Problematik des EuGH-Urteils die
Bundesgesundheitsministerin platt sagte: Arbeitszeit ist Arbeitszeit. Ich frage
mich wirklich, was sie damit meint.
Ich möchte aus diesem Grunde auf die Gesichtspunkte Kosten
und Produktivität in unserem Gesundheitssystem eingehen. Das Märchen von der
Kostenexplosion in unserem Gesundheitssystem ist in Expertenkreisen schon lange
vom Tisch. Man muss sich die Frage stellen, warum diese Kostenexplosion ausbleibt.
Der GKV-Anteil am Bruttoinlandsprodukt beträgt seit Jahrzehnten konstant etwa 6
Prozent. Dies ist umso verwunderlicher, als die Dienstleistungen des
Gesundheitswesens sehr personalintensiv sind. Seit vielen Jahren nehmen die
Rationalisierungen in der Industrie und im Dienstleistungsbereich zu. Personenbezogene
Dienstleistungen können jedoch mit der gesamtwirtschaftlichen Produktivität
nicht Schritt halten, da Arbeitsgegenstände ja Menschen sind. Diese können
nicht aufbewahrt, nicht gestapelt oder standardisiert werden.
Die Arbeit der Pflege und der Medizin ist auf kranke und
hilfsbedürftige Menschen gerichtet. Daher sind die Möglichkeiten der
betrieblichen Rationalisierung noch weiter eingeschränkt. Rationalisierungen im
Gesundheitswesen können mit dem allgemeinen Trend wegen der Personalintensität
nicht mithalten.
Dies müsste normalerweise zu einem relativen Preisanstieg
führen. Die Tatsache, dass dies nicht die Folge ist, dass dies nur in geringem
Ausmaß der Fall ist, hat ihren Grund in der hohen Einsatzbereitschaft, ja man
muss sagen: Opferbereitschaft und Leidensfähigkeit derer, die im
Gesundheitswesen arbeiten: Arbeitsverdichtung, nicht bezahlte Überstunden,
Leistungen über das Budget hinaus sind die entsprechenden Stichworte.
Arbeitsplätze im Gesundheitswesen sind preiswert. Wo
schafft die Summe von 1 Milliarde DM die meisten Arbeitsplätze, dazu noch
ausschließlich in Deutschland? Bei BMW sind es 1 933, bei der VIAG sind es
1 976, im Gesundheitswesen sind es 9 212.
Das Gesundheitswesen bietet mehr Arbeitsplätze als EDV,
Büromaschinen, Bergbau, Medientechnik, Metallerzeugung, Elektrotechnik,
Ernährungsgewerbe, chemische Industrie und Kraftwagenbau zusammen. Doch was
macht die Politik seit Mitte der 90er-Jahre? Die Jobmaschine Gesundheitswesen
wird abgewürgt durch Verschiebebahnhöfe, durch die Budgetierung und die weiter
sinkende Lohnquote.
Ich möchte mich für Ihre Aufmerksamkeit bedanken. Ceterum censeo medicum in practicum esse abolendum.
(Beifall)
Prof. Dr. Dr. h. c. Jörg-Dietrich Hoppe,
Präsident der
Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages:
Danke schön. Jetzt bitte
Herr Zollner aus Baden-Württemberg.
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