TOP I : Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik

1. Tag: Dienstag, 20. Mai 2003 Nur Nachmittagssitzung

Dr. Gitter, Bremen:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte erneut dieses Forum nutzen, um Sie und die Öffentlichkeit darauf aufmerksam zu machen, wie Geld durch die bereits bestehende überbordende Bürokratie zum Fenster herausgeschmissen wird. Das, was ich in dem Gesetzentwurf lese, wird die Sache ja nur noch verschlimmern. Wie Sie sich erinnern werden, hatte ich auf dem außerordentlichen Deutschen Ärztetag drei dicke Bücher mitgebracht. Ich habe sie auch noch PC-gestützt mitgebracht. Dort ist nachzulesen, wie durch die verordnete Leistungsdokumentation, die nichts mit der Dokumentation von Diagnose und Operation zu tun hat - das ist selbstverständlich unsere Pflicht -, und durch die Ausfeilung von Abrechnungstatbeständen das Geld zum Fenster hinausgeworfen wird.

Ärztinnen und Ärzte in deutschen Krankenhäusern werden nicht nur dazu verpflichtet, die Diagnosen zu dokumentieren, sondern auch deren Reihenfolge nach den dicken Kodierrichtlinien abzuwägen und dann einzugeben und umzutauschen. Das ist beim besten Willen nicht unsere Aufgabe. Krankenschwestern und Krankenpfleger werden zu diesem Unsinn gezwungen. Das kostet Geld. Wenn die Politik das unbedingt möchte, dann sollte sie dafür sorgen, dass das nicht Ärztinnen und Ärzte bzw. Pflegerinnen und Pfleger tun, sondern andere Personen, die speziell dafür herangezogen und auch bezahlt werden.

Ich denke, wir werden uns in dieser Hinsicht in Zukunft auch verweigern. Wenn sich die Ministerin uns gegenüber verweigert, endlich dafür zu sorgen, dass verbindliche Regelungen zur Arbeitszeit in den Krankenhäusern in das Gesetz aufgenommen werden und dass auch festgelegt wird, wie diese Arbeitszeitregelungen finanziert werden, werden wir uns verweigern, unsere Arbeitskraft weiterhin kostenlos für diesen Dokumentationsunsinn zur Verfügung zu stellen.

(Beifall)

Ich finde es einfach erbärmlich, dass eine sich sozialdemokratisch nennende Bundesregierung so viel Geld herausschmeißt und gleichzeitig darüber nachdenkt, Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen und Bedürftigen in diesem Lande, die vielleicht unverschuldet arbeitslos geworden sind, Leistungen zu kürzen, während mit vollen Händen Geld beispielsweise für Kommissionen ausgegeben wird, für Aufgaben, für die wir Leute ins Parlament gewählt haben, die in den entsprechenden Gremien sitzen. Schließlich werden im Bundesgesundheitsministerium auch teure Staatssekretäre und auch die Ministerin bezahlt.

(Beifall)

Hier geht es nicht nur darum, dass Geld herausgeschmissen wird, sondern hier handelt es sich auch um eine Entdemokratisierung, weil mehr oder weniger
ano­nyme Berater die Gesetzentwürfe im Hintergrund schreiben und dem Parlament die Kontrolle entzogen ist. Das Parlament aber ist letztendlich verantwortlich.

Noch ein Beispiel für offensichtlichen Unsinn, der im Gesetz steht. Die Eintrittsgebühr für Fachärzte wird dazu führen, dass die Notfallambulanzen in den Krankenhäusern von Patienten überquellen, die eigentlich zum niedergelassenen Facharzt gehören, wo man sie auch gern sähe.

Vielen Dank.

(Beifall)

Prof. Dr. Dr. h. c. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages:

Danke schön, Frau Gitter. Jetzt noch einmal Herr Dr. Schwarzkopf-Steinhauser. Bitte schön.

© 2003, Bundesärztekammer.