Henke, Vorstand der Bundesärztekammer:
Herr
Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe
mich gemeldet, weil ich zu einigen Anregungen Stellung nehmen möchte. Ich
glaube, dass Frau Gitter Recht hat mit ihrem Hinweis, dass wir keine Festlegung
darauf brauchen, ob die DRG-Systematik geändert werden soll. Wir brauchen eine
Sonderregelung für die adäquate Finanzierung
der Palliativmedizin am Krankenhaus. Wir müssen nicht klären, ob das über das
DRG-System stattfindet. Ich finde, deshalb kann man diesen Teil, wie von ihr
angeregt, herausnehmen; denn das Sterben eines Menschen lässt sich ja wohl kaum
in eine Pauschale fassen.
Ich glaube, wir brauchen auch zusätzliche Geldmittel in
der Vergütung von Hausbesuchen. Wenn man Hausbesuche insgesamt unattraktiv
macht, sorgt man auch dafür, dass sie in einer solchen fordernden Situation
nicht in dem Maße stattfinden können, wie wir uns das wünschen.
Ob die Anregung von Frau Schlang hinsichtlich einer
Broschüre von der Bundesärztekammer wirklich hilft, weiß ich nicht genau. Ich
habe mich sehr intensiv mit der nordrhein-westfälischen Versorgungssituation
befasst. Dort gibt es so rasch einen Wechsel in der Versorgungssituation, es
gibt so häufig neue Hospizdienste, die anschließend
wieder schließen, dass man sich fragen muss, ob man zu einem Zeitpunkt X ein
eingefrorenes Bild der Versorgung zeichnen sollte, noch dazu auf Bundesebene
durch eine Broschüre der Bundesärztekammer. Ich bin sehr skeptisch, ob das
nicht zu dem Zeitpunkt, da es gedruckt ist, schon veraltet sein muss. Wir sollten,
glaube ich, eher als Landesärztekammern oder vielleicht sogar in den
Kreisstellen dazu beitragen, dass die entsprechenden Informationen verfügbar
und austauschbar sind. Es gibt viele Regionen, in denen solche Verzeichnisse
existieren. Der Einzelne braucht sie immer vor Ort und nicht in der Fläche.
(Beifall)
Ich möchte noch einen Aspekt ansprechen, der mir nicht in
den Vorträgen, aber in den Diskussionsbemerkungen ein bisschen zu kurz gekommen
ist. Wir wollen, glaube ich, keine Konfrontation zwischen der Palliativmedizin
auf der einen Seite und dem Hospizgedanken auf der anderen Seite, sondern wir
nutzen die Palliativmedizin als ein Instrument, um den Wünschen nach Hilfe
gerecht werden zu können. Mein Eindruck ist, dass es eine Konfrontation, wie
sie früher einmal existierte, zwischen der Palliativmedizin und der
Hospizbewegung nicht mehr gibt. Die Palliativmedizin unterscheidet sich
natürlich von der Hospizbewegung dadurch, dass in der Palliativmedizin die
spezifischen ärztlichen Kompetenzen der palliativen Versorgung vorkommen und
dass der medizinische Aspekt stärker betont wird. Ich glaube, im Grunde wenden
wir dort etwas an, was wir alle auch aus der Hospizbewegung gelernt haben.
Ich glaube, das Wichtigste dabei ist die Erkenntnis, dass
das Sterben ein Teil des Lebens ist. Die Geburt eines Menschen ist zu einem
Prozess geworden, um den sich alle kümmern. Die Krankenhäuser schaffen
Besichtigungsmöglichkeiten der Kreißsäle, man kann sich die Musik aussuchen,
die erschallen soll, wenn die Geburt stattfindet. Ein Paar kann sich
entscheiden, welcher der vier oder fünf Kreißsäle die Geburtsstätte sein soll.
Ich habe nichts dagegen, aber wenn man das einmal vergleicht mit dem Weg aus
dem Leben heraus, dann sieht man, dass die Möglichkeit unseres eigenen Todes
immer noch verdrängt wird.
Ich bin Oberarzt in der Onkologie. Ich habe es an der
Seite sterbender Menschen erst dann aushalten können, als ich angefangen habe,
mich der Tatsache zu stellen, dass ich selbst sterblich bin. Ich glaube, man
kann sich der Nähe sterbender Menschen erst dann stellen, ohne das Sterben zu
einer Art Krankheit zu erklären, die man verdrängt, wenn man sich für sich
selbst vorstellt, wie die Situation des Sterbens unter Schmerzen sein wird, mit
der Angst, mit der Sorge vor dem Alleinsein, mit der Suche nach spiritueller
Orientierung.
Es ist wichtig, dass wir dafür sorgen, dass das Thema des
Sterbens nicht verdrängt wird und dass sich der Einzelne auch bei guter Gesundheit als Sterblicher empfindet und daher weiß:
Wenn wir über die Palliativmedizin und über die hospizliche Versorgung und über
die Möglichkeit der Hilfe für Sterbende sprechen, dann sprechen wir über etwas,
was dermaleinst uns selbst helfen kann.
Ich danke Ihnen.
(Beifall)
Prof. Dr. Dr. h. c. Jörg-Dietrich Hoppe,
Präsident der
Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages:
Vielen Dank, Herr Henke.
Liegen noch weitere Wortmeldungen vor? - Das
ist nicht der Fall. Damit haben wir die Rednerliste abgearbeitet. Wir kommen
nun zu den Statements der Referenten. Herr Klaschik wird beginnen. Bitte schön.
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