TOP IV : Novellierung einzelner Vorschriften der (Muster-) Berufsordnung

4. Tag: Freitag, 23. Mai 2003 Vormittagssitzung

Prof. Dr. Flenker, Referent:

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Präsident, ich darf Ihnen von dieser Stelle aus zunächst einmal sehr, sehr herzlich zu Ihrer beeindruckenden Wiederwahl am gestrigen Tage gratulieren. Ich schließe in meinen Glückwunsch natürlich die anderen wieder gewählten Mitglieder des Vorstands ein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in den letzten Tagen sehr intensive, teilweise auch sehr kontroverse Diskussionen über das Gesundheitswesen der Bundesrepublik Deutschland und über die Weiterbildungsordnung geführt. Am letzten Tag dieses 106. Deutschen Ärztetages darf ich Sie bitten, dem jetzt anstehenden Tagesordnungspunkt Berufsordnung Ihre Aufmerksamkeit zu widmen. Der Vorstand der Bundesärztekammer hat beschlossen, auch den 106. Deutschen Ärztetag mit Berufsordnungsfragen zu beschäftigen. Daran erkennen Sie, dass es sich bei der Berufsordnung um ein dynamisches Regelwerk handelt, das die ärztliche Berufsausübung entsprechend gestaltet.

Nachdem wir im vergangenen Jahr in Rostock Vorschriften zur beruflichen Kommunikation neu gefasst haben, legt Ihnen der Vorstand nun drei Entschließungsanträge zu folgenden Abschnitten der Berufsordnung vor. Es geht zum einen um die Neuregelung des § 18. Hierbei handelt es sich um die Lösung des Problems insbesondere der Differenzierung von Zweigpraxis und ausgelagerten Praxisräumen.

Es geht zum anderen um eine Neufassung des § 26, der den ärztlichen Notfalldienst betrifft.

Drittens geht es um die Zusammenarbeit des Arztes mit Dritten; das betrifft § 30 ff. der Berufsordnung. Der Herr Präsident hat in seinem Referat zur Eröffnung des Ärztetages bereits auf die Bedeutung gerade dieses Abschnitts der Berufsordnung hingewiesen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, gestatten Sie mir, dass ich Ihnen jetzt die einzelnen Neufassungen der Vorschriften abschnittsweise erläutere. Ich komme zunächst zu § 18 betreffend die Zweigpraxis/ausgelagerte Praxisräume. Diese Vorschrift regelt, unter welchen Voraussetzungen Zweigpraxen und ausgelagerte Praxisräume betrieben werden dürfen. Die wesentlichen Neuerungen in dieser Vorschrift finden Sie in § 18 Abs. 2 der (Muster-)Berufsordnung. Nach bisheriger Interpretation dieser Vorschrift durch unsere Berufsordnungsgremien unterscheiden sich Zweigpraxen von ausgelagerten Praxisräumen unter anderem dadurch, dass sich ausgelagerte Praxisräume in räumlicher Nähe zum Ort der Niederlassung befinden müssen und in diesen Räumen kein Erstkontakt mit den Patientinnen und Patienten stattfinden darf. Als zulässig wurde angesehen, dass sowohl am Ort der Niederlassung als auch in den weiteren Untersuchungs- und Behandlungsräumen identische Leistungen erbracht werden können. So ist es beispielsweise statthaft, dass ein Radiologe ein zweites CT oder ein zweites NMR in diesen Untersuchungsräumen etabliert, wenn am Niederlassungsort aus räumlichen, statischen oder sonstigen Gründen die Installation eines Zweitgeräts nicht möglich ist.

Diese Auslegung der berufsrechtlichen Vorschriften wurde vom Verwaltungsgericht Baden-Württemberg mit Urteil vom 16. Mai 2000, insbesondere aber auch vom Bundessozialgericht mit Urteil vom 12. September 2001 nicht geteilt. Das Bundessozialgericht hat die Berufsordnung so ausgelegt, dass der Erstkontakt kein taugliches Abgrenzungskriterium von Zweigpraxen und ausgelagerten Praxisräumen sei und dass von ausgelagerten Praxisräumen nur dann gesprochen werden könnte, wenn die Erbringung der ärztlichen Leistung am Ort der Niederlassung aus sachlichen Gründen - hier insbesondere organisatorischer oder medizinischer Art - nicht möglich sei, und dass - dies ist in diesem Zusammenhang ganz wichtig - in den ausgelagerten Praxisräumen nicht solche Leistungen erbracht würden, die auch am Praxissitz erbracht werden. Bei Erbringung identischer Leistung an verschiedenen Orten liege - so die Auffassung des Bundessozialgerichts - immer eine genehmigungspflichtige Zweigpraxis vor, unabhängig davon, ob am zweiten Ort Sprechstunden abgehalten werden.

Diese Auffassung des Bundessozialgerichts, meine Damen und Herren, wird nach wie vor von unseren Berufsordnungsgremien nicht geteilt. Diese sind vielmehr der Meinung, dass Abgrenzungskriterium ausschließlich der Erstkontakt zum Patienten sein könne und Leistungsidentität nicht zwingend der Annahme von ausgelagerten Praxisräumen entgegenstehe.

Um diese unsere Auffassung nach Vorliegen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts aufrechterhalten zu können, ist es erforderlich, § 18 Abs. 2 der (Muster-)Berufsordnung neu zu fassen. Dadurch wird festgestellt, dass der Erstkontakt immer am Ort der Niederlassung stattzufinden hat. In ausgelagerten Praxisräumen dürfen auch solche Leistungen erbracht werden, die am Ort der Niederlassung selbst erbracht werden. Es ist also Leistungsidentität möglich.

Um Missbrauch auszuschließen, wird zudem klargestellt, dass der Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung zu beachten ist und eine Anzeigepflicht gegenüber der Ärztekammer eingeführt wird.

Damit trägt diese Neufassung auch zwischenzeitlich gewachsenen Versorgungsstrukturen Rechnung.

Darüber hinaus wurde § 18 Abs. 1 infolge der Neufassung des § 18 Abs. 2 um einen Satz ergänzt, der sich bisher im zweiten Absatz befunden hat, systematisch jedoch richtiger in den ersten Absatz gehört.

Auch wenn Ihnen die vorgeschlagene Neufassung möglicherweise als ein rein technisches, als ein rein juristisches Problem erscheint, bitte ich Sie doch, die Auswirkungen dieses Änderungsentwurfs nicht zu unterschätzen. Kritiker der Neuregelung wenden ein, dass durch diese Neuregelung zum einen der Filialbildung von Praxen Vorschub geleistet werden könnte, dass zum anderen nun ein griffiges Abgrenzungskriterium zwischen ausgelagerten Praxisräumen und Zweigpraxen nicht mehr gegeben werde.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, erlauben Sie mir aber die Frage, ob freiberufliche Tätigkeit die Tätigkeit an einem Ort zwingend voraussetzt. Ich meine: nein. Die Diskussionen zum Gesundheitssystemmodernisierungsgesetz haben gezeigt, dass wir veränderte Formen der ärztlichen Berufsausübung erhalten werden. Wir brauchen in der Zukunft Strukturen, in denen auch niedergelassene Kolleginnen und Kollegen kooperieren können. Nicht nur die im Gesetz vorgesehenen Gesundheitszentren, sondern auch neue Vertragsstrukturen von Vertragsärzten müssen sich im Rahmen der ambulanten Versorgung etablieren können.

Die Neufassung des § 18 Abs. 2 eröffnet diese Möglichkeit. Niedergelassene Ärzte können gemeinsam ausgelagerte Praxisstätten bilden, können gemeinsam kostenintensive Investitionen tätigen und können sie dann gemeinsam nutzen. Wenn der niedergelassene und freiberuflich tätige Arzt erhalten bleiben soll, müssen Formen der Berufsausübung in Zukunft so gestaltet werden, dass die Kolleginnen und Kollegen kooperieren können. Dazu kann die Klarstellung in § 18 Abs. 2 einen Beitrag leisten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, letztlich betreten wir hier auch Neuland. Im Bereich der Radiologie und Dialyse sind uns solche Kooperationsformen ja bekannt.

Ich gehe davon aus, dass die Novellierung des § 18 wahrscheinlich nur ein Zwischenschritt zur zukünftigen berufsrechtlichen Gestaltung ärztlicher Kooperationen ist. So sind ja auch die bereits vorliegenden Anträge der Kollegin Haus und des Kollegen Monte zu verstehen, dass die Berufsordnungsgremien gebeten werden, entsprechende Regelungen zu schaffen, damit solche Kooperationen in Zukunft möglich sind.

Ich komme nun zu § 26, dem ärztlichen Notfalldienst. Der 105. Deutsche Ärztetag in Rostock hat den Vorstand der Bundesärztekammer gebeten, die Regelungen zum ärztlichen Notdienst in § 26 der (Muster-)Berufsordnung neu zu regeln. Es hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass gerade Verpflichtungen zur Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst insbesondere junge Kolleginnen und Kollegen von der Niederlassung abhalten. In Zeiten des immer gravierender werdenden Ärztemangels, in Zeiten, in denen die Versorgung mit niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen in manchen Regionen kaum noch sicherzustellen ist, können wir uns dies nicht leisten. Die vorgeschlagene Neuregelung soll Eltern die Möglichkeit eröffnen, als niedergelassene Ärzte tätig zu sein und gleichzeitig die Kinderbetreuung sicherzustellen. In der Neuregelung werden die Kollegin und der Kollege gleichgestellt. Ich glaube, dies ist eine Form der gelebten Emanzipation, in diesem Fall vielleicht gelebter Emanzipation von Männern.

Ich komme jetzt zur Zusammenarbeit mit Dritten. Das betrifft § 30 ff. Die zurzeit geltenden Vorschriften sind auf dem 86. Deutsche Ärztetag 1983, also vor 20 Jahren, nach heftiger Diskussion eingeführt worden und wurden in den letzten 20 Jahren nur unwesentlich geändert. Damals wie heute werden und wurden wir wegen der Zusammenarbeit mit der Industrie angegriffen. Uns wurde und wird vorgeworfen, dass wir mit der pharmazeutischen Industrie klüngeln. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Zusammenarbeit von Ärzten und der pharmazeutischen Industrie, mit Medizinprodukteherstellern, aber auch mit Apothekern, Sanitätshäusern und anderen Gesundheitseinrichtungen in unserem Gesundheitswesen ist wünschenswert, notwendig und aus unserer Sicht zwingend erforderlich. Aber wir müssen Regeln für ein Miteinander entwickeln, die gewährleisten, dass auf der einen Seite eine sinnvolle Zusammenarbeit möglich ist, dass auf der anderen Seite die Unabhängigkeit der Ärzte in ihrem individuellen ärztlichen Tun gesichert bleibt.

Diese Zielsetzung verfolgen bereits die Vorschriften der geltenden (Muster-)Be­rufsordnung. Aber es bedarf weiterer Konkretisierungen und klarerer Regelungen. Wir müssen anders, als wir es vor 20 Jahren getan haben, Regelungen schaffen, die wir in den Landesärztekammern auch tatsächlich durchsetzen. Wiederholt sind Vorwürfe gegen die Ärzteschaft erhoben worden, dass bei der Zusammenarbeit mit der Industrie die ärztliche Unabhängigkeit nicht in ausreichendem Maße gewahrt worden sei. Diese Vorwürfe wurden sowohl gegenüber Krankenhausärzten als auch gegenüber niedergelassenen Ärzten erhoben. In fast allen Fällen konnten die zunächst erhobenen Vorwürfe ausgeräumt werden. Sie werden sich alle an den so genannten Herzklappenskandal erinnern, an einen vermeintlichen Skandal, bei dem gegen mehr als 1 000 Kolleginnen und Kollegen ein Verfahren eröffnet wurde. Hierüber wurde breit und intensiv in der Presse unterrichtet. Es wurde breit darüber diskutiert. Wir haben aus der Presse aber fast nichts darüber erfahren, dass von diesen über 1 000 Verfahren fast alle Verfahren, bis auf 80 Verfahren, eingestellt wurden.

Auch diese unhaltbaren Vorwürfe schaden dem Ansehen der Ärzteschaft. Deshalb ist es notwendig, klare Regelungen für alle Bereiche ärztlicher Tätigkeiten zu schaffen. Für den Bereich der Krankenhausärzte, der vom Anwendungsbereich des Antikorruptionsgesetzes erfasst wird, erläutert der so genannte gemeinsame Standpunkt zur strafrechtlichen Bewertung der Zusammenarbeit zwischen Industrie, medizinischen Einrichtungen und deren Mitarbeitern die strafrechtlichen Rahmenbedingungen zur Zusammenarbeit. Auch die geltende Berufsordnung enthält bereits im vierten Abschnitt, nämlich in § 30 ff., Regelungen zur Zusammenarbeit von Ärzten und Industrie, die gewährleisten sollen, dass die ärztliche Unabhängigkeit bei der Zusammenarbeit mit Dritten gesichert ist.

Die nunmehr über zwei Jahre andauernde Diskussion um diese berufsrechtlichen Vorschriften hat jedoch gezeigt, dass hier nach 20 Jahren ein Weiterentwicklungsbedarf besteht, um die von der Ärzteschaft für notwendig gehaltene Kooperation mit Industrieunternehmen so zu gestalten, dass die Unabhängigkeit des Arztes jederzeit gewahrt ist und gleichzeitig eine angemessene Kooperation möglich ist.

Der Vorstand der Bundesärztekammer hat daher im Sommer 2001 die Berufsordnungsgremien beauftragt, den vierten Abschnitt der Berufsordnung zu überprüfen und Regelungen zur Weiterentwicklung vorzulegen. Die Berufsordnungsgremien sind bei der Weiterentwicklung von folgenden Überlegungen ausgegangen: Die Kooperation von Ärzteschaft und Industrie ist sowohl notwendig als auch wünschenswert. Die Kooperation muss so gestaltet sein, dass bei allen Formen der Zusammenarbeit die Wahrung der ärztlichen Unabhängigkeit gesichert ist und das Patientenwohl als oberste Handlungsmaxime der medizinischen Versorgung gesichert ist.

Um diese Ziele zu erreichen - Kooperation von Ärzten und Industrie auf der einen Seite, Wahrung der ärztlichen Unabhängigkeit auf der anderen Seite -, wurden folgende Prinzipien zugrunde gelegt:

Erstens Transparenz der Finanzflüsse; zweitens Trennung von Beschaffungsentscheidung und Zuwendungsempfang; drittens Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung; viertens Dokumentation der Zusammenarbeit.

Das sind Betrachtungen, die auch im Antikorruptionsstrafrecht herangezogen werden. Wir haben uns bemüht, diese Prinzipien so weit wie möglich im Berufsrecht zu verankern.

Die wesentlichen Neuerungen dieses Abschnitts sind zum einen die Konkretisierung der Vorschrift in § 32 der (Muster-)Berufsordnung, der zukünftig als Generalklausel immer dann zur Anwendung gelangt, wenn die nachstehenden Spezialvorschriften den Sachverhalt nicht erfassen können.

Weiterhin wurde wie im Antikorruptionsgesetz auch im Berufsrecht die so genannte Drittvorteilsnahme als berufsrechtswidrig eingeordnet. Um Transparenz herzustellen, sollen die Verträge schriftlich geschlossen und den Ärztekammern vorgelegt werden.

Neben diesen Ihnen vielleicht rein technisch anmutenden Regelungen enthält § 33 Abs. 4 der (Muster-)Berufsordnung die wohl weitestgehende Neuregelung. Durch die Neuregelung des § 33 Abs. 4 der (Muster-)Berufsordnung wird unter Einhaltung bestimmter Voraussetzungen erstmals das individuelle Fortbildungssponsoring gestattet. Es geht den Berufsordnungsgremien dabei nicht darum, Lustreisen zu interessanten Urlaubsorten, gesponsert von der Pharmaindustrie, zu legalisieren, sondern es geht darum, insbesondere auch niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit zu eröffnen, Aufwendungen für wissenschaftlich anspruchsvolle Fortbildung von Dritten gesponsert zu bekommen.

Diese Regelung ist im Vorfeld in den Gremien der Bundesärztekammer zunächst kontrovers diskutiert worden. Der Vorstand der Bundesärztekammer hat sich nach eingehender Diskussion entschlossen, Ihnen diese Änderungsvorschläge vorzulegen. Erlauben Sie mir nun, dass ich Ihnen auch diese Vorschriften im Einzelnen darstelle:

Ich komme zunächst zu § 30 Abs. 1 der (Muster-)Berufsordnung. Abs. 1 beschreibt den Normzweck der Vorschrift. Anders als in der Vergangenheit wird dieser Grundsatz nicht mehr nur in einer Kapitelüberschrift erwähnt, sondern wird Normtext und ist damit bei der Anwendung und Auslegung der nachstehenden Vorschriften heranzuziehen. Die Vorschrift stellt klar, dass bei der Zusammenarbeit von Ärzten mit Dritten das Patientenwohl oberster Grundsatz der ärztlichen Tätigkeit ist. Als Folgeänderung werden die bisherigen Abs. 1 und 2 nun Abs. 2 und 3. Aus systematischen Gründen wurde der letzte Satz von Abs. 2 (neu) an dieser Stelle gestrichen. Er ist ohne inhaltliche Änderung in § 7 Abs. 4 der (Muster-)Berufsordnung eingefügt worden.

Ich komme nun zu § 32: Annahme von Geschenken und anderen Vorteilen. Nach § 32 der (Muster-)Berufsordnung in der gültigen Fassung ist es berufsrechtswidrig, wenn ein Arzt sich Geschenke oder andere Vorteile, welche das übliche Maß kleiner Anerkennungen übersteigen, versprechen lässt oder annimmt und wenn hierdurch der Eindruck erweckt werden kann, dass der Arzt in seiner ärztlichen Entscheidung beeinflusst sein könnte. Nach dieser Formulierung im Konjunktiv liegt ein Verstoß gegen die Berufsordnung nicht erst dann vor, wenn tatsächlich eine Beeinflussung stattgefunden hat, sondern ausreichend ist vielmehr das Erwecken eines bösen Scheins. Damit liegt ein Verstoß gegen die Berufsordnung auch dann vor, wenn es gar nicht zu einer Zuwendung kommt. In der tatsächlichen Normanwendung war der Nachweis berufsrechtlicher Verstöße kaum möglich, da natürlich der Anschein der Beeinflussung kaum nachgewiesen werden konnte.

Um die Vorschrift praktikabler zu gestalten, ist nun eine Formulierung im Indikativ gewählt worden. Zukünftig soll somit nicht allein der Eindruck ausreichen, dass eine Beeinflussung hätte stattfinden können, sondern es kommt darauf an, dass der Eindruck entstanden ist, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung tatsächlich beeinflusst wird. Gegenüber der geltenden Fassung wird der Anwendungsbereich der Vorschrift insoweit eingeschränkt. Durch Neuformulierung wird klargestellt, dass § 32 der (Muster-)Berufsordnung für alle einseitigen Zuwendungen gilt, unabhängig davon, ob sie durch Patienten oder Dritte erfolgen. Als Dritte gelten natürlich auch Unternehmen.

Ebenso wie in allen Folgevorschriften ist auch diese Vorschrift nunmehr so ge­staltet, dass auch unzulässige Zuwendungen an Dritte berufsrechtswidrig sind. Dies stellt eine Ausweitung der Vorschrift dar. Diese Ausweitung erfolgt, um mögliche Umgehungstatbestände auszuschließen, da auch Zuwendungen, die beispielsweise Familienangehörigen, Mitarbeitern oder Organisationen, in denen der Arzt führend tätig ist, mit Wissen des Arztes gewährt werden, auf eine Beeinflussung ärztlicher Entscheidungen abzielen können.

Um diese Umgehungstatbestände zu unterbinden, ist die vorgeschlagene Ergänzung notwendig.

Ich komme jetzt zu § 33 der (Muster-)Berufsordnung. Er betrifft das Verhältnis zwischen Arzt und Industrie. Abs. 1 regelt die Zusammenarbeit zwischen den Ärzten und der Industrie. Entsprechend dem Äquivalenzgrundsatz müssen sich Leistung und Gegenleistung bei der Zusammenarbeit von Ärzten und Industrie entsprechen. Danach sind Verträge, durch die wertlose Leistungen honoriert werden, unzulässig.

Neu eingefügt wurde Satz 2. Entsprechend dem Transparenzgrundsatz und dem Dokumentationsgrundsatz sind Verträge über die Zusammenarbeit schriftlich abzuschließen und sollen der Ärztekammer vorgelegt werden. Im Grundsatz gilt, dass die Teilnahme an klinischen Studien, Anwendungsbeobachtungen und sonstige Leistungen zulässig sind, wenn die berufsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind.

§ 33 Abs. 2 verbietet die Annahme von Werbegaben.

§ 33 Abs. 3 entspricht inhaltlich dem bisherigen Abs. 3 und verbietet die Vorteilsannahme im Zusammenhang mit Beschaffungsentscheidungen. Ebenso wie in Abs. 2 der neuen Fassung wurde Satz 3 des § 33 der (Muster-)Be­rufsordnung gültiger Fassung aus systematischen Gründen in einen eigenen Absatz gefasst. Ebenso wie bei den sonstigen Vorschriften des vierten Abschnitts wurde die Vorschrift auf den so genannten Drittvorteil erweitert.

Erstmals im Berufsrecht werden in dieser Vorschrift die Voraussetzungen für die Zulässigkeit von individuellem Fortbildungssponsoring im vierten Absatz geregelt. Nach der Vorschrift ist die Annahme eines angemessenen geldwerten Vorteils dann nicht berufswidrig, wenn so die Teilnahme an wissenschaftlichen - ich betone: wissenschaftlichen - Fortbildungsveranstaltungen ermöglicht wird.

Satz 2 begrenzt den Umfang der Zuwendung. Unangemessen sind alle Zuwendungen, die über die Annahme von Reisekosten, also Fahrt- und Übernachtungskosten, und Tagungsgebühren des Arztes hinausgehen. So dürfen Zuwendungen für Reisekosten von Begleitpersonen oder für Kosten für das Rahmenprogramm nicht angenommen werden. Die Annahme von Zuwendungen ist auch dann unzulässig, wenn es sich um reine Marketingveranstaltungen der Industrie handelt oder der überwiegende Zeitanteil bei einer Veranstaltung nicht für Fortbildung aufgewandt wird. Dies kann vermutet werden, wenn diese Veranstaltung zu einer schönen Reisezeit an einen besonders interessanten Urlaubsort stattfindet und der Urlaubswert im Vordergrund steht.

Nach den sicherlich nur mühsam zu verstehenden und vielleicht auch nicht für jeden leicht zu erfassenden Änderungen möchte ich ganz kurz zusammenfassen, was die §§ 32 und 33 nunmehr regeln. Danach ist zulässig die Teilnahme an klinischen Studien und Anwendungsbeobachtungen, wenn hierfür ein angemessenes Honorar zur Verfügung gestellt wird. Zulässig sind angemessene Honorare für einen Referenten. Zulässig ist die Annahme kleiner Geschenke im Rahmen des Üblichen. Zulässig ist individuelles Fortbildungssponsoring, wenn die Unterstützung angemessen ist.

Demgegenüber sind unzulässig: ein überhöhtes Honorar für erlaubte Austauschgeschäfte, die Annahme von wertvollen Werbegaben - der Porsche kann es also nicht sein -, Vorteile im Zusammenhang mit Beschaffungsentscheidungen und unangemessene Vorteile im Zusammenhang mit Fortbildungsveranstaltungen.

Ich komme nun zu § 34: Verordnungen, Empfehlungen und Begutachtung von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln. § 34 Abs. 1 wurde in der Terminologie den sonstigen Vorschriften dieses Abschnitts angepasst. Die so genannte Drittvorteilsnahme wurde berufsrechtlich erfasst. Im Einzelnen enthält § 34 folgende Verbote: Abgabe von Ärztemustern gegen Entgelt, Gutachten ausschließlich zu Werbezwecken, Unterstützung der missbräuchlichen Anwendung von Verschreibungen, Verweisung ohne hinreichenden Grund an andere Gesundheitsdienst­leister.

§ 35 betrifft Fortbildungsveranstaltungen und Sponsoring. Eine Änderung erfolgte hier nicht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir ist bewusst, dass gerade der letzte Abschnitt der Novellierungsvorschläge eine lebhafte Diskussion auslösen könnte. Aber nicht zuletzt auch die Vorschriften des Gesundheitssystemmodernisierungsgesetzes zur ärztlichen Fortbildung machen es erforderlich, dass die Ärzteschaft zur Frage des Fortbildungssponsorings eine eindeutige Position einnimmt und in dieser Frage eindeutig handelt. Uns allen ist klar, dass bei der explosionsartigen Entwicklung des medizinischen Wissens eine dauerhafte, lebenslange Fortbildung dringend erforderlich ist. Sollte der Entwurf des § 95 b Sozialgesetzbuch V Wirklichkeit werden, ist dies nicht nur erforderlich, um die Zulassung als Vertragsarzt zu erhalten, sondern auch, um auf dem Stand des Wissens zu bleiben.

Es darf bei der Neuregelung nicht aus dem Auge verloren werden: Wir müssen für die Zukunft Regelungen schaffen, die wir durchsetzen können und die wir auch durchsetzen wollen. Es ist keine Frage: In der Vergangenheit hat es einen Fortbildungstourismus gegeben. Das wird jeder bestätigen können; davor können wir die Augen nicht verschließen. Es hat andere Umgehungsstrategien hinsichtlich der geltenden Bestimmungen der (Muster-)Berufsordnung gegeben, die wir in der Vergangenheit nicht nachhaltig unterbunden haben. Deshalb sollten wir jetzt Regelungen schaffen, die wir durchsetzen und die geeignet sind, die bisherigen Fehlentwicklungen zu beenden.

Aus diesem Grunde möchte ich Sie nachhaltig bitten, den vorgelegten Anträgen des Vorstands zuzustimmen, wobei ich darauf aufmerksam machen möchte, dass die Ihnen jetzt vorgelegten Beschlussanträge geringgradige redaktionelle Änderungen gegenüber den an die Kammern versandten Anträgen beinhalten, zurückgehend auf ein Gespräch, das die Berufsordnungsgremien mit den Vertretern der Aufsichtsbehörden geführt haben.

Ich möchte mich bei den Kolleginnen und Kollegen, die in den Berufsordnungsgremien mitgearbeitet haben, an dieser Stelle ganz herzlich bedanken. Ich bedanke mich natürlich ganz besonders bei der Geschäftsführung, bei Frau Wollersheim, ohne deren Hilfe eine Textierung der Ihnen vorgelegten Vorschriften kaum möglich gewesen wäre.

Ich bedanke mich bei Ihnen, dass Sie mir trotz der sicherlich etwas schwierigen Materie am frühen Morgen so freundlich zugehört haben. Herzlichen Dank.

(Beifall)

Prof. Dr. Dr. h. c. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages:

Vielen Dank, Ingo Flenker, für die Einführung. Dem Vorsitzenden der Berufsordnungsgremien, der Rechtsabteilung - hier speziell Frau Rechtsanwältin Wollersheim -, dem Ausschuss und der Ständigen Konferenz herzlichen Dank für die Vorarbeiten, die geleistet wurden, um diese Fassung herzustellen, damit wir heute über dieses wichtige Thema beraten können.

Es gibt bereits den Antrag, auf dem nächsten Deutschen Ärztetag das Thema Berufsordnung noch einmal zu einem zentralen Thema zu machen, also eine größere Novellierung vorzunehmen. Dazu kommen wir erst, wenn wir die bisher angesprochenen Punkte abgehandelt haben. Sie haben die Anträge vor sich liegen. Wortmeldungen liegen ebenfalls vor. Ich glaube, wir müssen die Wortmeldungen nicht den einzelnen Anträgen zuordnen, sondern wir können das Gesamtkapitel diskutieren. Nach Erledigung der Wortmeldungen kommen wir zur Abstimmung über die Anträge.

Bevor wir in die Aussprache eintreten, darf ich Herrn Professor von Jagow herzlich willkommen heißen, der bereits eingetroffen ist. Er ist der Vorsitzende des Medizinischen Fakultätentages.

(Beifall)

Er wird uns später einen Bericht zur Umsetzung der neuen Approbationsordnung an den Medizinischen Fakultäten geben.

Ich begrüße ferner unsere ausländischen Gäste, die auch heute zahlreich vertreten sind.

(Beifall)

Die erste Wortmeldung kommt von Frau Goesmann, Vizepräsidentin der Ärztekammer Niedersachsen. Bitte schön, Frau Kollegin Goesmann.

© 2003, Bundesärztekammer.