Prof. Dr. Flenker, Referent:
Sehr geehrter Herr
Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Präsident, ich darf Ihnen von dieser
Stelle aus zunächst einmal sehr, sehr herzlich zu Ihrer beeindruckenden
Wiederwahl am gestrigen Tage gratulieren. Ich schließe in meinen Glückwunsch
natürlich die anderen wieder gewählten Mitglieder des Vorstands ein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in den letzten
Tagen sehr intensive, teilweise auch sehr kontroverse Diskussionen über das
Gesundheitswesen der Bundesrepublik Deutschland und über die
Weiterbildungsordnung geführt. Am letzten Tag dieses 106. Deutschen Ärztetages
darf ich Sie bitten, dem jetzt anstehenden Tagesordnungspunkt Berufsordnung
Ihre Aufmerksamkeit zu widmen. Der Vorstand der Bundesärztekammer hat
beschlossen, auch den 106. Deutschen Ärztetag mit Berufsordnungsfragen zu
beschäftigen. Daran erkennen Sie, dass es sich bei der Berufsordnung um ein
dynamisches Regelwerk handelt, das die ärztliche Berufsausübung entsprechend
gestaltet.
Nachdem wir im vergangenen Jahr in Rostock Vorschriften
zur beruflichen Kommunikation neu gefasst haben, legt Ihnen der Vorstand nun
drei Entschließungsanträge zu folgenden Abschnitten der Berufsordnung vor. Es
geht zum einen um die Neuregelung des § 18. Hierbei handelt es sich um die
Lösung des Problems insbesondere der Differenzierung von Zweigpraxis und
ausgelagerten Praxisräumen.
Es geht zum anderen um eine Neufassung des § 26, der den
ärztlichen Notfalldienst betrifft.
Drittens geht es um die Zusammenarbeit des Arztes mit
Dritten; das betrifft § 30 ff. der Berufsordnung. Der Herr Präsident
hat in seinem Referat zur Eröffnung des Ärztetages bereits auf die Bedeutung
gerade dieses Abschnitts der Berufsordnung hingewiesen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, gestatten Sie mir, dass
ich Ihnen jetzt die einzelnen Neufassungen der Vorschriften abschnittsweise erläutere.
Ich komme zunächst zu § 18 betreffend die Zweigpraxis/ausgelagerte Praxisräume.
Diese Vorschrift regelt, unter welchen Voraussetzungen Zweigpraxen und
ausgelagerte Praxisräume betrieben werden dürfen. Die wesentlichen Neuerungen
in dieser Vorschrift finden Sie in § 18 Abs. 2 der (Muster-)Berufsordnung. Nach
bisheriger Interpretation dieser Vorschrift durch unsere Berufsordnungsgremien
unterscheiden sich Zweigpraxen von ausgelagerten Praxisräumen unter anderem
dadurch, dass sich ausgelagerte Praxisräume in räumlicher Nähe zum Ort der
Niederlassung befinden müssen und in diesen Räumen kein Erstkontakt mit den
Patientinnen und Patienten stattfinden darf. Als zulässig wurde angesehen, dass
sowohl am Ort der Niederlassung als auch in den weiteren Untersuchungs- und
Behandlungsräumen identische Leistungen erbracht werden können. So ist es
beispielsweise statthaft, dass ein Radiologe ein zweites CT oder ein zweites
NMR in diesen Untersuchungsräumen etabliert, wenn am Niederlassungsort aus
räumlichen, statischen oder sonstigen Gründen die Installation eines
Zweitgeräts nicht möglich ist.
Diese Auslegung der berufsrechtlichen Vorschriften wurde
vom Verwaltungsgericht Baden-Württemberg mit Urteil vom 16. Mai 2000,
insbesondere aber auch vom Bundessozialgericht mit Urteil vom 12. September
2001 nicht geteilt. Das Bundessozialgericht hat die Berufsordnung so ausgelegt,
dass der Erstkontakt kein taugliches Abgrenzungskriterium von Zweigpraxen und
ausgelagerten Praxisräumen sei und dass von ausgelagerten Praxisräumen nur dann
gesprochen werden könnte, wenn die Erbringung der ärztlichen Leistung am Ort
der Niederlassung aus sachlichen Gründen - hier insbesondere organisatorischer
oder medizinischer Art - nicht möglich sei, und dass - dies ist in diesem
Zusammenhang ganz wichtig - in den ausgelagerten Praxisräumen nicht solche
Leistungen erbracht würden, die auch am Praxissitz erbracht werden. Bei
Erbringung identischer Leistung an verschiedenen Orten liege - so die
Auffassung des Bundessozialgerichts - immer eine genehmigungspflichtige
Zweigpraxis vor, unabhängig davon, ob am zweiten Ort Sprechstunden abgehalten
werden.
Diese Auffassung des Bundessozialgerichts, meine Damen und
Herren, wird nach wie vor von unseren Berufsordnungsgremien nicht geteilt.
Diese sind vielmehr der Meinung, dass Abgrenzungskriterium ausschließlich der
Erstkontakt zum Patienten sein könne und Leistungsidentität nicht zwingend der
Annahme von ausgelagerten Praxisräumen entgegenstehe.
Um diese unsere Auffassung nach Vorliegen der
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts aufrechterhalten zu können, ist es
erforderlich, § 18 Abs. 2 der (Muster-)Berufsordnung neu zu fassen. Dadurch
wird festgestellt, dass der Erstkontakt immer am Ort der Niederlassung
stattzufinden hat. In ausgelagerten Praxisräumen dürfen auch solche Leistungen
erbracht werden, die am Ort der Niederlassung selbst erbracht werden. Es ist
also Leistungsidentität möglich.
Um Missbrauch auszuschließen, wird zudem klargestellt,
dass der Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung zu beachten ist und
eine Anzeigepflicht gegenüber der Ärztekammer eingeführt wird.
Damit trägt diese Neufassung auch zwischenzeitlich
gewachsenen Versorgungsstrukturen Rechnung.
Darüber hinaus wurde § 18 Abs. 1 infolge der Neufassung
des § 18 Abs. 2 um einen Satz ergänzt, der sich bisher im zweiten Absatz
befunden hat, systematisch jedoch richtiger in den ersten Absatz gehört.
Auch wenn Ihnen die vorgeschlagene Neufassung
möglicherweise als ein rein technisches, als ein rein juristisches Problem
erscheint, bitte ich Sie doch, die Auswirkungen dieses Änderungsentwurfs nicht
zu unterschätzen. Kritiker der Neuregelung wenden ein, dass durch diese
Neuregelung zum einen der Filialbildung von Praxen Vorschub geleistet werden
könnte, dass zum anderen nun ein griffiges Abgrenzungskriterium zwischen
ausgelagerten Praxisräumen und Zweigpraxen nicht mehr gegeben werde.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, erlauben Sie mir aber die
Frage, ob freiberufliche Tätigkeit die Tätigkeit an einem Ort zwingend
voraussetzt. Ich meine: nein. Die Diskussionen zum
Gesundheitssystemmodernisierungsgesetz haben gezeigt, dass wir veränderte
Formen der ärztlichen Berufsausübung erhalten werden. Wir brauchen in der
Zukunft Strukturen, in denen auch niedergelassene Kolleginnen und Kollegen
kooperieren können. Nicht nur die im Gesetz vorgesehenen Gesundheitszentren,
sondern auch neue Vertragsstrukturen von Vertragsärzten müssen sich im Rahmen
der ambulanten Versorgung etablieren können.
Die Neufassung des § 18 Abs. 2 eröffnet diese Möglichkeit.
Niedergelassene Ärzte können gemeinsam ausgelagerte Praxisstätten bilden,
können gemeinsam kostenintensive Investitionen tätigen und können sie dann
gemeinsam nutzen. Wenn der niedergelassene und freiberuflich tätige Arzt
erhalten bleiben soll, müssen Formen der Berufsausübung in Zukunft so gestaltet
werden, dass die Kolleginnen und Kollegen kooperieren können. Dazu kann die
Klarstellung in § 18 Abs. 2 einen Beitrag leisten. Liebe Kolleginnen und
Kollegen, letztlich betreten wir hier auch Neuland. Im Bereich der Radiologie
und Dialyse sind uns solche Kooperationsformen ja bekannt.
Ich gehe davon aus, dass die Novellierung des § 18
wahrscheinlich nur ein Zwischenschritt zur zukünftigen berufsrechtlichen
Gestaltung ärztlicher Kooperationen ist. So sind ja auch die bereits
vorliegenden Anträge der Kollegin Haus und des Kollegen Monte zu verstehen,
dass die Berufsordnungsgremien gebeten werden, entsprechende Regelungen zu
schaffen, damit solche Kooperationen in Zukunft möglich sind.
Ich komme nun zu § 26, dem ärztlichen Notfalldienst. Der
105. Deutsche Ärztetag in Rostock hat den Vorstand der Bundesärztekammer
gebeten, die Regelungen zum ärztlichen Notdienst in § 26 der
(Muster-)Berufsordnung neu zu regeln. Es hat sich in der Vergangenheit gezeigt,
dass gerade Verpflichtungen zur Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst
insbesondere junge Kolleginnen und Kollegen von der Niederlassung abhalten. In
Zeiten des immer gravierender werdenden Ärztemangels, in Zeiten, in denen die
Versorgung mit niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen in manchen Regionen
kaum noch sicherzustellen ist, können wir uns dies nicht leisten. Die
vorgeschlagene Neuregelung soll Eltern die Möglichkeit eröffnen, als
niedergelassene Ärzte tätig zu sein und gleichzeitig die Kinderbetreuung
sicherzustellen. In der Neuregelung werden die Kollegin und der Kollege
gleichgestellt. Ich glaube, dies ist eine Form der gelebten Emanzipation, in
diesem Fall vielleicht gelebter Emanzipation von Männern.
Ich komme jetzt zur Zusammenarbeit mit Dritten. Das
betrifft § 30 ff. Die zurzeit geltenden Vorschriften sind auf dem 86. Deutsche
Ärztetag 1983, also vor 20 Jahren, nach heftiger Diskussion eingeführt
worden und wurden in den letzten 20 Jahren nur unwesentlich geändert. Damals
wie heute werden und wurden wir wegen der Zusammenarbeit mit der Industrie
angegriffen. Uns wurde und wird vorgeworfen, dass wir mit der pharmazeutischen
Industrie klüngeln. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Zusammenarbeit von
Ärzten und der pharmazeutischen Industrie, mit Medizinprodukteherstellern, aber
auch mit Apothekern, Sanitätshäusern und anderen Gesundheitseinrichtungen in
unserem Gesundheitswesen ist wünschenswert, notwendig und aus unserer Sicht
zwingend erforderlich. Aber wir müssen Regeln für ein Miteinander entwickeln,
die gewährleisten, dass auf der einen Seite eine sinnvolle Zusammenarbeit
möglich ist, dass auf der anderen Seite die Unabhängigkeit der Ärzte in ihrem
individuellen ärztlichen Tun gesichert bleibt.
Diese Zielsetzung verfolgen bereits die Vorschriften der
geltenden (Muster-)Berufsordnung. Aber es bedarf weiterer Konkretisierungen
und klarerer Regelungen. Wir müssen anders, als wir es vor 20 Jahren getan
haben, Regelungen schaffen, die wir in den Landesärztekammern auch tatsächlich
durchsetzen. Wiederholt sind Vorwürfe gegen die Ärzteschaft erhoben worden,
dass bei der Zusammenarbeit mit der Industrie die ärztliche Unabhängigkeit
nicht in ausreichendem Maße gewahrt worden sei. Diese Vorwürfe wurden sowohl
gegenüber Krankenhausärzten als auch gegenüber niedergelassenen Ärzten erhoben.
In fast allen Fällen konnten die zunächst erhobenen Vorwürfe ausgeräumt werden.
Sie werden sich alle an den so genannten Herzklappenskandal erinnern, an einen
vermeintlichen Skandal, bei dem gegen mehr als 1 000 Kolleginnen und Kollegen
ein Verfahren eröffnet wurde. Hierüber wurde breit und intensiv in der Presse
unterrichtet. Es wurde breit darüber diskutiert. Wir haben aus der Presse aber
fast nichts darüber erfahren, dass von diesen über 1 000 Verfahren fast alle
Verfahren, bis auf 80 Verfahren, eingestellt wurden.
Auch diese unhaltbaren Vorwürfe schaden dem Ansehen der
Ärzteschaft. Deshalb ist es notwendig, klare Regelungen für alle Bereiche
ärztlicher Tätigkeiten zu schaffen. Für den Bereich der Krankenhausärzte, der
vom Anwendungsbereich des Antikorruptionsgesetzes erfasst wird, erläutert der
so genannte gemeinsame Standpunkt zur strafrechtlichen Bewertung der
Zusammenarbeit zwischen Industrie, medizinischen Einrichtungen und deren
Mitarbeitern die strafrechtlichen Rahmenbedingungen zur Zusammenarbeit. Auch
die geltende Berufsordnung enthält bereits im vierten Abschnitt, nämlich in §
30 ff., Regelungen zur Zusammenarbeit von Ärzten und Industrie, die
gewährleisten sollen, dass die ärztliche Unabhängigkeit bei der Zusammenarbeit
mit Dritten gesichert ist.
Die nunmehr über zwei Jahre andauernde Diskussion um diese
berufsrechtlichen Vorschriften hat jedoch gezeigt, dass hier nach 20 Jahren ein
Weiterentwicklungsbedarf besteht, um die von der Ärzteschaft für notwendig
gehaltene Kooperation mit Industrieunternehmen so zu gestalten, dass die
Unabhängigkeit des Arztes jederzeit gewahrt ist und gleichzeitig eine
angemessene Kooperation möglich ist.
Der Vorstand der Bundesärztekammer hat daher im Sommer
2001 die Berufsordnungsgremien beauftragt, den vierten Abschnitt der
Berufsordnung zu überprüfen und Regelungen zur Weiterentwicklung vorzulegen.
Die Berufsordnungsgremien sind bei der Weiterentwicklung von folgenden
Überlegungen ausgegangen: Die Kooperation von Ärzteschaft und Industrie ist
sowohl notwendig als auch wünschenswert. Die Kooperation muss so gestaltet
sein, dass bei allen Formen der Zusammenarbeit die Wahrung der ärztlichen
Unabhängigkeit gesichert ist und das Patientenwohl als oberste Handlungsmaxime
der medizinischen Versorgung gesichert ist.
Um diese Ziele zu erreichen - Kooperation von Ärzten und
Industrie auf der einen Seite, Wahrung der ärztlichen Unabhängigkeit auf der
anderen Seite -, wurden folgende Prinzipien zugrunde gelegt:
Erstens Transparenz der Finanzflüsse; zweitens Trennung
von Beschaffungsentscheidung und Zuwendungsempfang; drittens Äquivalenz von
Leistung und Gegenleistung; viertens Dokumentation der Zusammenarbeit.
Das sind Betrachtungen, die auch im
Antikorruptionsstrafrecht herangezogen werden. Wir haben uns bemüht, diese Prinzipien
so weit wie möglich im Berufsrecht zu verankern.
Die wesentlichen Neuerungen dieses Abschnitts sind zum
einen die Konkretisierung der Vorschrift in § 32 der (Muster-)Berufsordnung,
der zukünftig als Generalklausel immer dann zur Anwendung gelangt, wenn die
nachstehenden Spezialvorschriften den Sachverhalt nicht erfassen können.
Weiterhin wurde wie im Antikorruptionsgesetz auch im
Berufsrecht die so genannte Drittvorteilsnahme als berufsrechtswidrig
eingeordnet. Um Transparenz herzustellen, sollen die Verträge schriftlich
geschlossen und den Ärztekammern vorgelegt werden.
Neben diesen Ihnen vielleicht rein technisch anmutenden
Regelungen enthält § 33 Abs. 4 der (Muster-)Berufsordnung die wohl
weitestgehende Neuregelung. Durch die Neuregelung des § 33 Abs. 4 der
(Muster-)Berufsordnung wird unter Einhaltung bestimmter Voraussetzungen
erstmals das individuelle Fortbildungssponsoring gestattet. Es geht den
Berufsordnungsgremien dabei nicht darum, Lustreisen zu interessanten
Urlaubsorten, gesponsert von der Pharmaindustrie, zu legalisieren, sondern es
geht darum, insbesondere auch niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen die
Möglichkeit zu eröffnen, Aufwendungen für wissenschaftlich anspruchsvolle
Fortbildung von Dritten gesponsert zu bekommen.
Diese Regelung ist im Vorfeld in den Gremien der
Bundesärztekammer zunächst kontrovers diskutiert worden. Der Vorstand der
Bundesärztekammer hat sich nach eingehender Diskussion entschlossen, Ihnen
diese Änderungsvorschläge vorzulegen. Erlauben Sie mir nun, dass ich Ihnen auch
diese Vorschriften im Einzelnen darstelle:
Ich komme zunächst zu § 30 Abs. 1 der
(Muster-)Berufsordnung. Abs. 1 beschreibt den Normzweck der Vorschrift. Anders
als in der Vergangenheit wird dieser Grundsatz nicht mehr nur in einer
Kapitelüberschrift erwähnt, sondern wird Normtext und ist damit bei der
Anwendung und Auslegung der nachstehenden Vorschriften heranzuziehen. Die
Vorschrift stellt klar, dass bei der Zusammenarbeit von Ärzten mit Dritten das
Patientenwohl oberster Grundsatz der ärztlichen Tätigkeit ist. Als
Folgeänderung werden die bisherigen Abs. 1 und 2 nun Abs. 2 und 3. Aus
systematischen Gründen wurde der letzte Satz von Abs. 2 (neu) an dieser
Stelle gestrichen. Er ist ohne inhaltliche Änderung in § 7 Abs. 4 der
(Muster-)Berufsordnung eingefügt worden.
Ich komme nun zu § 32: Annahme von Geschenken und anderen
Vorteilen. Nach § 32 der (Muster-)Berufsordnung in der gültigen Fassung ist es
berufsrechtswidrig, wenn ein Arzt sich Geschenke oder andere Vorteile, welche
das übliche Maß kleiner Anerkennungen übersteigen, versprechen lässt oder annimmt
und wenn hierdurch der Eindruck erweckt werden kann, dass der Arzt in seiner
ärztlichen Entscheidung beeinflusst sein könnte. Nach dieser Formulierung im
Konjunktiv liegt ein Verstoß gegen die Berufsordnung nicht erst dann vor, wenn
tatsächlich eine Beeinflussung stattgefunden hat, sondern ausreichend ist
vielmehr das Erwecken eines bösen Scheins. Damit liegt ein Verstoß gegen die
Berufsordnung auch dann vor, wenn es gar nicht zu einer Zuwendung kommt. In der
tatsächlichen Normanwendung war der Nachweis berufsrechtlicher Verstöße kaum
möglich, da natürlich der Anschein der Beeinflussung kaum nachgewiesen werden
konnte.
Um die Vorschrift praktikabler zu gestalten, ist nun eine
Formulierung im Indikativ gewählt worden. Zukünftig soll somit nicht allein der
Eindruck ausreichen, dass eine Beeinflussung hätte stattfinden können, sondern
es kommt darauf an, dass der Eindruck entstanden ist, dass die Unabhängigkeit
der ärztlichen Entscheidung tatsächlich beeinflusst wird. Gegenüber der
geltenden Fassung wird der Anwendungsbereich der Vorschrift insoweit
eingeschränkt. Durch Neuformulierung wird klargestellt, dass § 32 der
(Muster-)Berufsordnung für alle einseitigen Zuwendungen gilt, unabhängig davon,
ob sie durch Patienten oder Dritte erfolgen. Als Dritte gelten natürlich auch
Unternehmen.
Ebenso wie in allen Folgevorschriften ist auch diese
Vorschrift nunmehr so gestaltet, dass auch unzulässige Zuwendungen an Dritte
berufsrechtswidrig sind. Dies stellt eine Ausweitung der Vorschrift dar. Diese
Ausweitung erfolgt, um mögliche Umgehungstatbestände auszuschließen, da auch
Zuwendungen, die beispielsweise Familienangehörigen, Mitarbeitern oder
Organisationen, in denen der Arzt führend tätig ist, mit Wissen des Arztes
gewährt werden, auf eine Beeinflussung ärztlicher Entscheidungen abzielen
können.
Um diese Umgehungstatbestände zu unterbinden, ist die
vorgeschlagene Ergänzung notwendig.
Ich komme jetzt zu § 33 der (Muster-)Berufsordnung. Er
betrifft das Verhältnis zwischen Arzt und Industrie. Abs. 1 regelt die
Zusammenarbeit zwischen den Ärzten und der Industrie. Entsprechend dem
Äquivalenzgrundsatz müssen sich Leistung und Gegenleistung bei der
Zusammenarbeit von Ärzten und Industrie entsprechen. Danach sind Verträge,
durch die wertlose Leistungen honoriert werden, unzulässig.
Neu eingefügt wurde Satz 2. Entsprechend dem
Transparenzgrundsatz und dem Dokumentationsgrundsatz sind Verträge über die
Zusammenarbeit schriftlich abzuschließen und sollen der Ärztekammer vorgelegt
werden. Im Grundsatz gilt, dass die Teilnahme an klinischen Studien,
Anwendungsbeobachtungen und sonstige Leistungen zulässig sind, wenn die
berufsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
§ 33 Abs. 2 verbietet die Annahme von Werbegaben.
§ 33 Abs. 3 entspricht inhaltlich dem bisherigen Abs. 3
und verbietet die Vorteilsannahme im Zusammenhang mit
Beschaffungsentscheidungen. Ebenso wie in Abs. 2 der neuen Fassung wurde Satz 3
des § 33 der (Muster-)Berufsordnung gültiger Fassung aus systematischen Gründen
in einen eigenen Absatz gefasst. Ebenso wie bei den sonstigen Vorschriften des
vierten Abschnitts wurde die Vorschrift auf den so genannten Drittvorteil
erweitert.
Erstmals im Berufsrecht werden in dieser Vorschrift die
Voraussetzungen für die Zulässigkeit von individuellem Fortbildungssponsoring
im vierten Absatz geregelt. Nach der Vorschrift ist die Annahme eines
angemessenen geldwerten Vorteils dann nicht berufswidrig, wenn so die Teilnahme
an wissenschaftlichen - ich betone: wissenschaftlichen -
Fortbildungsveranstaltungen ermöglicht wird.
Satz 2 begrenzt den Umfang der Zuwendung. Unangemessen
sind alle Zuwendungen, die über die Annahme von Reisekosten, also Fahrt- und
Übernachtungskosten, und Tagungsgebühren des Arztes hinausgehen. So dürfen Zuwendungen
für Reisekosten von Begleitpersonen oder für Kosten für das Rahmenprogramm
nicht angenommen werden. Die Annahme von Zuwendungen ist auch dann unzulässig,
wenn es sich um reine Marketingveranstaltungen der Industrie handelt oder der
überwiegende Zeitanteil bei einer Veranstaltung nicht für Fortbildung
aufgewandt wird. Dies kann vermutet werden, wenn diese Veranstaltung zu einer
schönen Reisezeit an einen besonders interessanten Urlaubsort stattfindet und
der Urlaubswert im Vordergrund steht.
Nach den sicherlich nur mühsam zu verstehenden und
vielleicht auch nicht für jeden leicht zu erfassenden Änderungen möchte ich
ganz kurz zusammenfassen, was die §§ 32 und 33 nunmehr regeln. Danach ist
zulässig die Teilnahme an klinischen Studien und Anwendungsbeobachtungen, wenn
hierfür ein angemessenes Honorar zur Verfügung gestellt wird. Zulässig sind
angemessene Honorare für einen Referenten. Zulässig ist die Annahme kleiner
Geschenke im Rahmen des Üblichen. Zulässig ist individuelles
Fortbildungssponsoring, wenn die Unterstützung angemessen ist.
Demgegenüber sind unzulässig: ein überhöhtes Honorar für
erlaubte Austauschgeschäfte, die Annahme von wertvollen Werbegaben - der
Porsche kann es also nicht sein -, Vorteile im Zusammenhang mit
Beschaffungsentscheidungen und unangemessene Vorteile im Zusammenhang mit
Fortbildungsveranstaltungen.
Ich komme nun zu § 34: Verordnungen, Empfehlungen und
Begutachtung von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln. § 34 Abs. 1 wurde in der
Terminologie den sonstigen Vorschriften dieses Abschnitts angepasst. Die so
genannte Drittvorteilsnahme wurde berufsrechtlich erfasst. Im Einzelnen enthält
§ 34 folgende Verbote: Abgabe von Ärztemustern gegen Entgelt, Gutachten
ausschließlich zu Werbezwecken, Unterstützung der missbräuchlichen Anwendung von
Verschreibungen, Verweisung ohne hinreichenden Grund an andere Gesundheitsdienstleister.
§ 35 betrifft Fortbildungsveranstaltungen und Sponsoring.
Eine Änderung erfolgte hier nicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir ist bewusst, dass
gerade der letzte Abschnitt der Novellierungsvorschläge eine lebhafte
Diskussion auslösen könnte. Aber nicht zuletzt auch die Vorschriften des
Gesundheitssystemmodernisierungsgesetzes zur ärztlichen Fortbildung machen es
erforderlich, dass die Ärzteschaft zur Frage des Fortbildungssponsorings eine
eindeutige Position einnimmt und in dieser Frage eindeutig handelt. Uns allen
ist klar, dass bei der explosionsartigen Entwicklung des medizinischen Wissens
eine dauerhafte, lebenslange Fortbildung dringend erforderlich ist. Sollte der
Entwurf des § 95 b Sozialgesetzbuch V Wirklichkeit werden, ist dies nicht
nur erforderlich, um die Zulassung als Vertragsarzt zu erhalten, sondern auch,
um auf dem Stand des Wissens zu bleiben.
Es darf bei der Neuregelung nicht aus dem Auge verloren
werden: Wir müssen für die Zukunft Regelungen schaffen, die wir durchsetzen
können und die wir auch durchsetzen wollen. Es ist keine Frage: In der
Vergangenheit hat es einen Fortbildungstourismus gegeben. Das wird jeder
bestätigen können; davor können wir die Augen nicht verschließen. Es hat andere
Umgehungsstrategien hinsichtlich der geltenden Bestimmungen der
(Muster-)Berufsordnung gegeben, die wir in der Vergangenheit nicht nachhaltig
unterbunden haben. Deshalb sollten wir jetzt Regelungen schaffen, die wir
durchsetzen und die geeignet sind, die bisherigen Fehlentwicklungen zu beenden.
Aus diesem Grunde möchte ich Sie nachhaltig bitten, den
vorgelegten Anträgen des Vorstands zuzustimmen, wobei ich darauf aufmerksam
machen möchte, dass die Ihnen jetzt vorgelegten Beschlussanträge geringgradige
redaktionelle Änderungen gegenüber den an die Kammern versandten Anträgen
beinhalten, zurückgehend auf ein Gespräch, das die Berufsordnungsgremien mit
den Vertretern der Aufsichtsbehörden geführt haben.
Ich möchte mich bei den Kolleginnen und Kollegen, die in
den Berufsordnungsgremien mitgearbeitet haben, an dieser Stelle ganz herzlich
bedanken. Ich bedanke mich natürlich ganz besonders bei der Geschäftsführung,
bei Frau Wollersheim, ohne deren Hilfe eine Textierung der Ihnen vorgelegten
Vorschriften kaum möglich gewesen wäre.
Ich bedanke mich bei Ihnen, dass Sie mir trotz der
sicherlich etwas schwierigen Materie am frühen Morgen so freundlich zugehört
haben. Herzlichen Dank.
(Beifall)
Prof. Dr. Dr. h. c. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der
Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages:
Vielen Dank, Ingo Flenker,
für die Einführung. Dem Vorsitzenden der Berufsordnungsgremien, der
Rechtsabteilung - hier speziell Frau Rechtsanwältin Wollersheim -, dem
Ausschuss und der Ständigen Konferenz herzlichen Dank für die Vorarbeiten, die
geleistet wurden, um diese Fassung herzustellen, damit wir heute über dieses
wichtige Thema beraten können.
Es gibt bereits den Antrag, auf dem nächsten Deutschen
Ärztetag das Thema Berufsordnung noch einmal zu einem zentralen Thema zu
machen, also eine größere Novellierung vorzunehmen. Dazu kommen wir erst, wenn
wir die bisher angesprochenen Punkte abgehandelt haben. Sie haben die Anträge
vor sich liegen. Wortmeldungen liegen ebenfalls vor. Ich glaube, wir müssen die
Wortmeldungen nicht den einzelnen Anträgen zuordnen, sondern wir können das
Gesamtkapitel diskutieren. Nach Erledigung der Wortmeldungen kommen wir zur
Abstimmung über die Anträge.
Bevor wir in die Aussprache eintreten, darf ich Herrn
Professor von Jagow herzlich willkommen heißen, der bereits eingetroffen ist.
Er ist der Vorsitzende des Medizinischen Fakultätentages.
(Beifall)
Er wird uns später einen Bericht zur Umsetzung der neuen
Approbationsordnung an den Medizinischen Fakultäten geben.
Ich begrüße ferner unsere ausländischen Gäste, die auch
heute zahlreich vertreten sind.
(Beifall)
Die erste Wortmeldung kommt von Frau Goesmann,
Vizepräsidentin der Ärztekammer Niedersachsen. Bitte schön, Frau Kollegin
Goesmann.
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