Dr. Möhrle, Vorstand der Bundesärztekammer:
Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Ich nehme an, dass wir alle dasselbe wollen, nämlich
dass sich die Ärzteschaft mit lauter und vernehmbarer Stimme meldet, wenn es um
Gesundheitsfragen geht, und dass wir die Gesundheitspolitik aktiv mitgestalten. Wenn uns die
Politik auffordert, in bestimmten Gremien mitzuarbeiten, dann müssen wir das
auch tun, denn sonst werden wir nicht mehr ernst genommen. Diese Aufgaben nimmt
die Bundesärztekammer für alle Landesärztekammern wahr. Dass das nicht umsonst
zu leisten ist, ist logisch.
Hinzu kommt, dass sich die Bundesärztekammer durch den
Umzug nach Berlin in einer besonderen Lage befindet. Bedenken Sie bitte, dass
uns vor dem Umzug zahlreiche langjährige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
verlassen haben oder noch verlassen werden, die durch neue Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter ersetzt werden müssen. Selbstverständlich müssen sich die neuen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erst einmal einarbeiten. Das bedingt in
gewissen Bereichen auch eine geringfügige Aufstockung der Mitarbeiterzahl.
Trotz allem: Die Ärzte haben das Recht darauf, dass mit
ihren Mitteln sparsam umgegangen wird. Herr Kollege
Calles, Sie fragten: Was ist Sparsamkeit? Wie kann man sie prüfen? Da muss ich
Ihnen sagen: Das wird sehr schwer sein. Sparsamkeit in diesem Sinne ist doch,
dass mit möglichst geringem finanziellen Aufwand ein vorausgesehener Nutzen
erreicht wird. Dieser Nutzen sind immer berufspolitische Entscheidungen, die
von Ihnen hier oder vom Vorstand getroffen werden.
Wenn wir nicht in der Lage wären, eine ausgabenorientierte
Einnahmenpolitik zu betreiben - ganz im Gegensatz zur gesetzlichen
Krankenversicherung ‑, dann müssten wir eine einnahmenorientierte
Berufspolitik betreiben. Das würde bedeuten, dass wir vieles, was Sie hier
beschließen oder was der Vorstand beschließt, mit der lakonischen Bemerkung
abtun müssten: Es tut uns Leid, das können wir nicht machen, dafür haben wir
kein Geld! Ich glaube, das ist nicht der richtige Weg. Deshalb scheidet meines
Erachtens eine Budgetierung im Voraus aus. Wir können nicht sagen, wir dürfen
unseren Haushalt nur um 3,5 Prozent - oder welchen Prozentsatz auch immer
- steigern. Das hängt doch ganz davon ab, was in dem darauffolgenden Jahr auf
uns zukommt.
Herr Calles, Sie haben Zweifel daran geäußert, ob die
Kolleginnen und Kollegen in den Landesärztekammern so recht wüssten, was sie
für die Bundesärztekammer aufwenden, ob sie da denn gefragt würden. Ich weiß ja
nicht, wie es in Bayern abläuft, aber in unserer Landesärztekammer läuft es so
ab, dass die Delegierten über den Kammerhaushalt beschließen, in dem ganz
deutlich auch die Aufwendungen für die Bundesärztekammer ausgewiesen sind. Sie
tun das, nachdem der Vorsitzende unserer
Finanzkommission die Aufwendungen für die Bundesärztekammer geprüft und der
Delegiertenversammlung jeden Etatposten erläutert hat. Ich nehme an, dass das
auch in den meisten anderen Kammern der Fall ist. Unsere Kolleginnen und Kollegen
wissen also, was sie zahlen, und sie sehen hoffentlich auch jeden Tag, was sie
dafür bekommen.
(Beifall)
Nun zu den einzelnen Anträgen, die Sie gestellt haben,
Herr Calles. Das Unglück der Flutkatastrophe im vergangenen Jahr war - das habe
ich mir von hier langjährig tätigen Kollegen
sagen lassen - in den letzten 30 oder 40 Jahren die erste und einzige
Situation, bei der die Notwendigkeit bestand, schnell finanzielle Hilfe zu
leisten. Ich kann Sie beruhigen: Wir würden im Haushalt der Bundesärztekammer
sicher durch die gegenseitige Deckungsfähigkeit der einzelnen Etatposten immer
eine Möglichkeit finden, Gelder freizumachen, wenn denn beschlossen würde, dass
dies überhaupt zulässig ist. Vorhin wurde ja schon auf die Schwierigkeit der
Verwendung von Beitragsmitteln unserer Pflichtmitglieder hingewiesen. Das wäre
also machbar.
Wenn wir einen solchen Fonds einrichten, bekommen wir zwei
Probleme. Erstens muss dieser Fonds vernünftig dotiert sein, damit er überhaupt
etwas darstellt. Das bläht unseren Haushalt auf. Wir müssten diesen Betrag Jahr
für Jahr vor uns herschieben. Die haushaltsrechtliche Frage ist, ob wir eine
solche Rückstellung, die für einen derartigen Zweck gebildet wird - das ist es
ja dann ‑, nicht in absehbarer Zeit auflösen müssten. Ich glaube
nicht, dass sich das unendlich perpetuieren ließe.
Ich bitte Sie also, diesen Teil des Antrags, wenn Sie ihn
denn nicht ablehnen, zumindest an den Vorstand der Bundesärztekammer zu
überweisen, damit geklärt wird, ob das überhaupt geht.
Nicht ganz fair finde ich den zweiten Teil Ihres Antrags
2, in dem Sie versuchen, über die Hintertür die gewichtete Abstimmung im
Vorstand der Bundesärztekammer zu installieren, die hier in diesem Hause schon
einmal durch Beschluss der Nichtbefassung abgelehnt wurde. Wir stehen zu dem
Prinzip, dass im Vorstand der Bundesärztekammer so abgestimmt wird, dass jede
Kammer eine Stimme hat. Alles andere würde bedeuten, dass sich nur zwei der
großen Kammern zusammentun müssten und schon könnten alle anderen zu Hause
bleiben und müssten gar nicht mehr mit abstimmen. Das kann es nicht geben, das
ist nicht demokratisch.
(Beifall)
Diesen Teil des Antrags sollte man also streichen. Herr Kollege Hansen hat das ja vorhin auch schon gesagt.
Was die Frage anlangt, ob wir eine Vorausbudgetierung
versuchsweise einführen sollten - das steht in Ihrem Antrag 5 ‑, so
habe ich dazu gerade etwas gesagt.
Zu Ihrer Bemerkung im Antrag 3, dass das Finanzgebaren mit
dem Haushaltsrecht der Kammer nicht vereinbar sei, muss ich mich Herrn Hansen anschließen: Zumindest mit dem Haushaltsrecht unserer
Kammer Hessen wäre das vereinbar. Ich gehe einmal davon aus, dass das in den
anderen Kammern
ebenso der Fall ist.
Ich bitte Sie, liebe Kolleginnen
und Kollegen, diese vier Anträge in toto abzulehnen.
Ich danke Ihnen.
(Beifall)
Prof. Dr. Dr. h. c. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der
Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages:
Vielen Dank. Damit haben
wir alle Redner zu Wort kommen lassen und können uns nun der Abstimmung
zuwenden. Zur Information: Auf dem Ärztetag in Rostock hat es den Beschluss,
die Empfehlung oder die Bitte gegeben, dass der Vorstand einen Spendenaufruf
hinsichtlich des Zwangsarbeiterfonds veröffentlicht. Das ist geschehen. Bisher
sind etwas mehr als 46 000 Euro für den Zwangsarbeiterfonds gespendet
worden. Man sollte dafür danken, dass Sie das getan haben.
(Beifall)
Wir kommen jetzt zu den Anträgen. Wir stimmen zunächst
über den Antrag 1 ab.
(Zuruf)
- Möchten Sie erst über die anderen Anträge abstimmen?
(Beifall)
Über die anderen Anträge wird nicht über den Stimmführer
abgestimmt.
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