ENTSCHLIESSUNGSANTRAG III – 1
ÄNDERUNGSANTRAG ZUM ENTSCHLIESSUNGSANTRAG III
– 1a
ÄNDERUNGSANTRAG ZUM ENTSCHLIESSUNGSANTRAG III
– 1b
ÄNDERUNGSANTRAG ZUM ENTSCHLIESSUNGSANTRAG III
– 1c
Auf Antrag des Vorstandes
der Bundesärztekammer (Drucksache III-1)
unter Berücksichtigung des Antrages von Frau Dr. Gitter (Drucksachen III-1a und
III-1b) und von Dr. Holfelder (Drucksache III-1c) fasst der 106. Deutsche
Ärztetag einstimmig folgende Entschließung:
Wir Ärztinnen und Ärzte
betreuen Patienten, für die es keine kurativen Therapien mehr gibt. Der Umgang
mit diesen Patienten bringt große physische, psychische, soziale und seelische
Belastungen für die Patienten selbst, aber auch für die Angehörigen und das
behandelnde Team, insbesondere die Pflegekräfte und Ärzte, mit sich.
Ängste in der Bevölkerung vor
einem menschenunwürdigen Leben in einer solch scheinbar ausweglosen Situation,
lassen immer wieder die Forderung der Legalisierung der aktiven Sterbehilfe
aufkommen.
Die Konsequenz aus diesem
Problemkreis heißt nicht Resignation oder Hoffnungslosigkeit, sondern aktives,
palliativmedizinisches Handeln, das heißt Entwickeln einer Lebensperspektive
für Patienten mit einer nicht heilbaren, weit fortgeschrittenen und
fortschreitenden Erkrankung und begrenzter Lebenserwartung. Dies kann erreicht
werden durch eine umfassende Symptomkontrolle, insbesondere der
Schmerztherapie, sowie mitmenschliche Begleitung und Verwirklichung
realistischer Hoffnung, um die Menschenwürde bis zum Lebensende zu bewahren.
Der Deutsche Ärztetag
erachtet die Stärkung und Förderung der Palliativmedizin und Schmerztherapie
als notwendig und lehnt die Euthanasie und die Hilfe zur Selbsttötung ab.
Der 106. Deutsche Ärztetag
begrüßt daher die Aufnahme der Palliativmedizin in die
(Muster-)Weiterbildungsordnung.
Der Deutsche Ärztetag
unterstützt mit Nachdruck die in der neuen (Muster-) Weiterbildungsordnung
vorgesehene wichtige Stellung der Palliativmedizin als ein wesentliches Element
der ärztlichen Tätigkeit.
Der 106. Deutsche Ärztetag
fordert:
§
die
Aufnahme der Palliativmedizin als Querschnittsbereich in die Approbationsordnung
für Ärzte und ihre Zulassung als Wahlfach für die abschließende ärztliche Prüfung
Die
Palliativmedizin wurde mit der letzten Novellierung der Approbationsordnung für
Ärzte (ÄAppO) im Frühjahr 2002 zwar namentlich in die ÄAppO aufgenommen,
ohne Anerkennung als
Querschnittsbereich bzw. Wahlfach bleibt diese Erwähnung jedoch weitgehend
wirkungslos. Unter dem jetzigen Wortlaut der Approbationsordnung hängt es
allein vom Engagement der einzelnen medizinischen Fakultät ab, ob palliativmedizinische
Inhalte auch prüfungsrelevant sein können. Daher wird wahrscheinlich auch
weiterhin nur ein kleiner Teil der Medizinstudenten mit den Grundlagen der
Palliativmedizin vertraut gemacht werden.
§
den Auf- und
Ausbau ambulanter palliativmedizinischer Versorgungsstrukturen
Die
Versorgung sterbender Menschen und ihrer Angehörigen ist Bestandteil der
ärztlichen Tätigkeit. Die zeit- und betreuungsintensive Versorgung
schwerkranker und sterbender Menschen wird aber häufig durch Rahmenbedingungen
belastet, die eine angemessene Versorgung in häuslicher Umgebung am Lebensende
schwer oder unmöglich machen. Modellprojekte, die deutlich zeigen konnten, wie
sehr spezialisierte Unterstützungssysteme hilfreich zur häuslichen Versorgungsqualität
Schwerkranker und Sterbender beitragen können, sind bis heute auf wenige
Regionen beschränkt. Und das, obwohl es durch solche Unterstützungssysteme
möglich ist, die medizinische Versorgung der zu Hause sterbenden Patienten
eindrucksvoll zu verbessern.
Vor
dem Hintergrund der Einführung eines diagnoseorientierten Fallpauschalen-Systems
(DRG) und der dadurch zu erwartenden schnelleren Verlegung von besonders
schwerkranken und sterbenden Menschen in ihre häusliche Umgebung ist der Aufbau
leistungsfähiger ambulanter Strukturen der palliativmedizinischen Versorgung
notwendig.
Die zuständigen Stellen werden
aufgefordert, bisher bestehende bürokratische Hemmnisse in der (finanziellen)
Versorgung Schwerstkranker zu beseitigen, z.B. schnellere Zuerkennung der
entsprechenden Pflegestufen etc..
§
den Auf- und
Ausbau palliativmedizinischer Versorgungsstrukturen im stationären Bereich und
die Anpassung der Krankenhausfinanzierung an die Bedürfnisse schwerkranker und
sterbender Menschen
Die
unveränderte Einführung diagnoseorientierter Fallpauschalen (DRG) zur
Krankenhausfinanzierung wird die Einrichtung und den Betrieb von Palliativstationen
massiv gefährden, weil die neuen Fallpauschalen die Palliativmedizin nicht
sachgerecht abbilden können.
Durch
die seit dem 01.01.2003 im Einsatz befindliche DRG-Version wird
die palliativmedizinische Behandlung von Schwerkranken und Sterbenden nicht korrekt
dargestellt. Dies liegt u. a. daran, dass die
Palliativmedizin in Australien, dem Ursprungsland auch der deutschen DRG-Systematik, aus dem DRG-System ausgeschlossen
ist und dort über andere Entgelte vergütet wird. Sollen
Palliativstationen als Ort einer hohen Versorgungsqualität Schwerkranker und
Sterbender erhalten bleiben und gleichzeitig ihrer Aus- und
Weiterbildungsfunktion dauerhaft gerecht werden, muss eine Sonderregelung für
die adäquate Finanzierung der Palliativmedizin am Krankenhaus gefunden werden.
§
Sektoren-
und Berufsgruppen übergreifende Angebotsstrukturen (Integrierte Versorgung):
Menschen
mit schweren und unheilbaren Erkrankungen benötigen eine möglichst reibungslose
Versorgungskette mit einer optimalen interdisziplinären und
multiprofessionellen Zusammenarbeit. Deshalb muss die starre Trennung zwischen
stationärer und ambulanter Behandlung in der Regelversorgung aufgelöst werden.
§
Förderung und Ausbau der Kinder-Palliativmedizin
Palliativmedizinische Angebote für
Kinder sind noch viel zu wenig vorhanden. Davon sind die schwerstkranken Kinder
und ihre Familie betroffen. Diese brauchen palliativmedizinische
Versorgungsmöglichkeiten, die auch Eltern und Geschwister einbeziehen.
§
Palliativmedizinische
und hospizliche Angebote statt Euthanasie
Der
Deutsche Ärztetag lehnt aktive Sterbehilfe (Euthanasie) ab. Er betont die
Notwendigkeit guter palliativmedizinischer Angebote, um dem Ruf nach aktiver
Sterbehilfe eine echte Lebenshilfe entgegen zu setzen. Die rein verbale Ablehnung
der aktiven Sterbehilfe ohne die Bereitstellung der Ressourcen für eine gute
Palliativmedizin ist menschenverachtend. Sie fördert die Angst der Patienten,
die ohne Aussicht auf eine würdige Behandlung den Ruf nach aktiver Sterbehilfe
anstimmen werden. Politiker und Kostenträger werden deshalb an ihre Pflicht erinnert,
die gesetzlichen und finanziellen Voraussetzungen zu schaffen, dass
schwerkranke und sterbende Menschen jederzeit eine gute palliativmedizinische
Versorgungsqualität erhalten.
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