ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
V – 34
Der
Antrag von Prof. Dr. Kunze, Dr. Emminger, Herrn Hesse
und Prof. Dr. Lob (Drucksache V-34) wird zur weiteren Beratung an den Vorstand
der Bundesärztekammer überwiesen:
Der Deutsche Ärztetag fordert
den Bundesgesetzgeber auf, im Rahmen der bevorstehenden Gesetzgebung zur
Änderung des Gesundheitssystems mit dem Ziel der Integration von ambulanter und
stationärer Versorgung folgende strukturelle Maßnahmen zu berücksichtigen:
1.
Die
Zusammenführung (Integration) von ambulanter und stationärer Versorgung muss in
erster Linie für die Patienten eine bestmögliche Versorgung zur Folge haben.
Die Patienten fordern zu Recht bei komplexen, chronischen Erkrankungen die
Behandlung und Betreuung „aus einer Hand“ und begehren verstärkt das Recht auf
freie Arztwahl auch im Krankenhaus.
2.
Einer
tatsächlichen Zusammenführung der unterschiedlichen Versorgungsebenen stehen heute im wesentlichen
die sektoralen Budgets entgegen. Daher ist deren Aufhebung grundlegende
Voraussetzung. Nur wenn die am Patienten erforderliche Leistung in allen
Bereichen gleich bewertet und vergütet wird, wird echter Wettbewerb möglich
sein. Es muss eine Vergütungsordnung für alle Ärzte der bisherigen Ebenen
erstellt werden, die gleiches Geld für gleiche Leistungen vorsieht, wenn sie
unter gleichen Voraussetzungen nach gleichen Standards erbracht werden.
3.
Eine
einheitliche Vergütung für ärztliche Leistung hat dann die Aufhebung struktureller
und organisatorischer Grenzen zur Folge. Dann ist es von untergeordneter
Bedeutung, in welchem Rahmen eine ärztliche Leistung erbracht wird, ob ambulant,
teilstationär oder stationär. Sowohl die hausärztliche, die fachärztliche und
die stationäre Behandlung müssen sich stets am aktuellen Versorgungsbedarf und
an der Art, der Schwere und ggf. der Komplexität der Erkrankung orientieren.
Dies gilt sowohl in der Infrastruktur einer in wirtschaftlicher Selbständigkeit
betriebenen Praxis als auch im Krankenhaus, das seine Aufgaben in erster Linie
noch mit Hilfe angestellter Ärztinnen und Ärzte erfüllt, jedoch künftig auch in
Zusammenarbeit mit dort freiberuflich tätigen Ärztinnen und Ärzten erbringen
soll.
4.
Für die
Krankenhausärzte bedeutet dies, dass das bisherige hierarchisch gegliederte
ärztliche System in den Krankenhäusern angepasst wird. Dazu sind kooperative
Strukturen in den verschiedenen Leistungsbereichen notwendig. Alle Fachärzte
müssen gleichberechtigt sein und erbringen ihre Leistungen ambulant wie
stationär oder ergänzen sich nach gegenseitiger Absprache. Bisher ambulant
tätige Fachärzte erhalten Zugang zu Klinikstrukturen, umgekehrt können die bisherigen
Krankenhausärzte gleichzeitig in eigener Praxis, in Praxisverbünden oder konsiliarisch-ambulant tätig sein, ohne dass sie hierfür
eine immer wieder zu erneuernde Ermächtigung bisheriger Prägung benötigen.
5.
Eine
allgemeine institutionelle Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante
Versorgung ist demgegenüber kontraproduktiv, weil dann viele Patienten Krankenhäuser
aufsuchen würden, für die die teuren Infrastrukturen nicht erforderlich sind.
Bis zur generellen Umstellung auf das Versorgungssystem müssen die Instrumente
einer verstärkten persönlichen Ermächtigung von einzelnen Fachärzten bzw.
mehreren Fachärzten gemeinsam am Krankenhaus, die verstärkte Zulassung von
Vertragsärzten am Krankenhaus und der Ausbau des kooperativen Belegarztsystems
gefordert werden.
Weiterhin stellt
der Deutsche Ärztetag fest:
Soll die integrierte
Versorgung mehr anbieten, als bisher bereits „Netze“ mit ihren regional
unterschiedlichen Modellen ermöglichen, dann müssen vorhandene starre Grenzen
zwischen den existierenden Ebenen und Leistungsträgern abgebaut werden. Die
Gliederung der Ärzteschaft in Krankenhausärzte und niedergelassene Ärzte wird
ihre bisherige Bedeutung verlieren müssen aufgrund der Anforderung, die der
Patient an seinen Arzt stellt, wegen der zunehmenden Spezialisierung selbst innerhalb
eines Faches und gegenüber Rehabilitation und Pflege einen Zugang zu haben.
Selbst die Anforderungen der künftigen Fort- und Weiterbildung erzwingen einen
Abbau der bisherigen starren Gruppenzugehörigkeit.
Übergangsweise
kommt eine persönliche Ermächtigung oder die Niederlassung von Fachärzten im
Krankenhaus insbesondere für Leistungen aus folgenden Bereichen in Betracht:
§
Interventionelle Gastroenterologie, Kardiologie und Radiologie
§
Versorgung
spezieller onkologischer Patienten und spezieller Infektionen (HIV)
§
Nachsorge
von Transplantationspatienten
§
Spezielle nephrologische Kooperationsformen
§
Behandlung
von komplexen Verletzungen (analog berufsgenossenschaftlicher Heilverfahren)
§
Orthopädische
Versorgung geistig und körperlich behinderter Kinder
§
Versorgung
schwer psychisch Behinderter
§
Gemeinsames
Betreiben von Notfallpraxen /-ambulanzen in den Krankenhäusern
Diese flexible
integrierte Versorgung wird durch verbesserte Information und Kommunikation
erhebliche Effizienzsteigerungen bewirken und zur Erhöhung der Sicherheit für
den Patienten bei denkbaren Komplikationen beitragen. Dazu muss durch ein
einheitliches Vergütungssystem den Fachärzten – auch soweit sie nicht mit
Krankenhäusern kooperieren – Wettbewerbsgleichheit in der vertragsärztlichen
Versorgung
garantiert werden.
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