Dienstag, 18. Mai 2004, 10.00 Uhr
Ulla Schmidt, MdB, Bundesministerin
für Gesundheit und Soziale Sicherung:
Frau Senatorin! Sehr geehrter Herr Professor Hoppe! Liebe Frau Dr.
Auerswald! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich
ganz herzlich für die Einladung zum 107. Deutschen Ärztetag. Die Tatsache,
dass ich schon zum vierten Mal in Folge hier bin, zeigt ja, dass die
Bindungen zwischen uns sehr viel intensiver sind, als manche öffentliche
Kontroverse das für Außenstehende vermuten lässt. Wenn ich einen Blick
in das Programm dieses Deutschen Ärztetages werfe, sehe ich, dass
die Ärzteschaft am Puls der Zeit ist, denn Sie beschäftigen sich mit
aktuellen Fragen der Gesundheitspolitik, insbesondere der Neuordnung
der Versorgung, der Ausrichtung des Qualitätsmanagements und der ärztlichen
Fortbildung. Besonders wichtig finde ich, dass Sie darüber hinaus
auch die (Muster-)Berufsordnung an die Entwicklungen des GKV-Modernisierungsgesetzes
anpassen wollen. Ich freue mich, dass ich die Gelegenheit habe, hier
einige Worte auch dazu zu sagen.
Meine Damen und Herren, Gesundheitspolitik ist
nie einfach, sie war es auch in der Vergangenheit nicht. Gesundheitspolitik
findet derzeit unter sehr schwierigen Rahmenbedingungen statt. Die
wirtschaftliche Entwicklung, die in den letzten drei Jahren bis zur
Stagnation geführt hat, lässt die Einnahmen bei den Kostenträgern
schrumpfen. Auf der anderen Seite wachsen die Ansprüche an die Gesundheitsversorgung.
Das hat viel damit zu tun, dass auch die Auseinandersetzung um den
effizienten Einsatz und die angemessene Verteilung von knappen Mitteln
schärfer wird.
Sie wissen, dass gerade auch die Dynamik oder die
Möglichkeiten der modernen Medizin nicht immer dazu führen, dass Leistungen
einfach kostengünstiger zu haben sind, auch vieles, was für uns heute
selbstverständlich ist. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, dass
wir 1967 – viele von Ihnen werden das auch so empfunden haben – nach
Südafrika geschaut haben. Viele haben gar nicht geglaubt, dass es
möglich ist, ein Herz zu transplantieren und dass ein Mensch mit einem
fremden Herzen leben kann. Heute, gut 30 Jahre später, geschieht dies
in unseren Kliniken tagtäglich. Das ist nicht einmal mehr eine Zeitungsmeldung
wert.
Wir können heute Gott sei Dank durch den medizinischen
Fortschritt und durch die Entwicklung vieles, aber das kostet auch
Geld. Wir müssen gemeinsam dafür kämpfen, dass die Frage, ob jemand
eine Niere, ein Herz oder eine Lunge transplantiert bekommen muss
– ich nenne die Mukoviszidosepatientinnen und -patienten –, nur davon abhängig
ist, ob dies medizinisch machbar ist und ein passendes Organ zur Verfügung
steht.
Ziel unserer Gesundheitspolitik ist, dafür zu sorgen,
dass für unsere Kinder und Kindeskinder gilt, was für uns selbstverständlich
ist, was wir aber für die Zukunft erkämpfen müssen, nämlich dass die
entscheidende Frage bei der Inanspruchnahme von gesundheitlichen Dienstleistungen
nur die Frage ist, was medizinisch notwendig, machbar und verantwortbar
ist. Es darf nicht auf die Beantwortung der Frage ankommen, welcher
Krankenkasse man angehört und wie viel Geld man im Portemonnaie hat.
Das zu erreichen ist mir besonders wichtig.
(Beifall)
Ein weiterer Punkt, der die Politik und damit auch
die Gesundheitspolitik nicht einfacher macht, ist der demographische
Wandel. Wenn wir Gott sei Dank – auch dank der Fortschritte in der
Medizin – eine immer älter werdende Gesellschaft sind und zu wenig
junge Menschen nachwachsen, stellt diese Entwicklung das gesamte Gesundheitswesen
vor neue, bisher nicht gekannte Herausforderungen. Deshalb bin ich
bei aller Kontroverse in den Debatten der letzten Monate sehr froh,
dass es uns trotz unterschiedlicher Vorstellungen über die Weiterentwicklung
des Gesundheitswesens im letzten Jahr gelungen ist, zusammen mit der
CDU/CSU ein Reformgesetz zu entwickeln, und dass es uns gelungen ist,
mit den Stimmen von mehr als 90 Prozent der Mitglieder des Deutschen
Bundestages und auch des Bundesrates ein Reformgesetz zu verabschieden,
von dem ich sage, dass seine kurzfristigen Folgen dramatisch übertrieben
werden und seine langfristigen strukturverändernden
Wirkungen noch viel zu sehr unterschätzt werden.
Ich bin froh, dass wir diesen Schritt getan haben,
auch wenn man viele Punkte unterschiedlich werten kann. Niemand soll
doch glauben, dass wir einfachere Debatten hätten, wenn der durchschnittliche
Beitragssatz zur Krankenversicherung auf über 15 Prozent gestiegen
wäre. Wir versuchen, auch über Strukturveränderungen
die Effizienzreserven im System zu heben.
Ich will heute nicht über Praxisgebühr und Zuzahlungen
sprechen. Darüber haben wir in den letzten Monaten lange diskutiert.
Ich sage nur so viel: Ich bitte alle, die mit mir der Meinung sind,
dass es heute im Gesundheitswesen ein Einnahmenproblem gibt, den Weg
mit zu beschreiten, die Einnahmensituation durch die Beteiligung der
Patientinnen und Patienten über Zuzahlungen zu verbessern. Es will
doch niemand ernsthaft behaupten, es wäre besser, die Beiträge enorm
steigen zu lassen und damit dazu beizutragen, dass es nicht einfacher,
sondern schwieriger wird, Arbeitsplätze in Deutschland zu schaffen.
Die Kostenbeteiligung über Zuzahlungen von denjenigen, die Leistungen
in Anspruch nehmen, stellt neben den solidarisch finanzierten Beiträgen
einen Teil der Einnahmen dar.
Ich will mich jetzt auf die Strukturveränderungen
konzentrieren, die mit dem GKV-Modernisierungsgesetz ermöglicht wurden.
Herr Professor Hoppe, ich formuliere es bewusst so: ermöglicht, nicht
verordnet.
Meine Damen und Herren, die riesigen Fortschritte
in der Medizin lassen sich im Versorgungsalltag oft schwer umsetzen.
Medizinische Leitlinien sind eine gute Orientierungshilfe für Arzt
und Patient auf dem Weg zu einer sowohl optimalen als auch individuellen
Therapie. Diese beiden guten Sätze stammen nicht von mir, sondern
das hat in der letzten Woche Herr Dr. Jonitz für den Ausschuss „Qualitätssicherung“ der Bundesärztekammer
festgestellt. Ich habe sie zitiert, weil ich finde, dass Herr Dr.
Jonitz Recht hat. Das zeigt auch, dass neues Denken und neues
Handeln nicht nur nötig, sondern auch möglich sind, und dass wir uns
hier auf einem guten Weg befinden, uns darüber zu verständigen, wie
denn eine leitliniengestützte Medizin im Alltag zu verstehen ist.
Auch wenn mich noch immer manche Stimme aus der
Ärzteschaft zu den prognostizierten Folgen der Reform irritiert, bin
ich zutiefst überzeugt, dass immer mehr niedergelassene Ärztinnen
und Ärzte und auch Krankenhäuser die Chancen erkennen, die das GMG
bietet, und dass sie neue Aufgaben offensiv angehen. Beispielhaft
hierfür sind der Abschluss von Integrationsverträgen oder die Neugründung
von Medizinischen Versorgungszentren.
Die Blaupausen sind fertig gestellt, die Verhandlungen
mit den Kostenträgern sind überall in Gang gekommen. Erste Abschlüsse
stimmen mich optimistisch, dass endlich Bewegung in die erstarrten
Formen der sektoral abgeschotteten Gesundheitsversorgung kommt.
Sie wissen, dass mit dem GMG auch die Grundlagen
dafür geschaffen werden, dass in den nächsten zwei Jahren über die
Arbeit auch der Kassenärztlichen Bundesvereinigung mit den Krankenkassen
der Grundstein dafür gelegt werden kann, dass wir die sektorale Budgetierung
endgültig überwinden und dass wir auch bei der Honorarvergütung der
niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte zu neuen Formen kommen, weg vom
Honorarverteilungsmaßstab im bisherigen Sinne, hin zu Verhandlungen
über Qualität, Menge und Preis, damit der Einzelne weiß, wie viel
er für seine Leistung vergütet bekommt. Ich bin überzeugt, dass die
geplanten Änderungen in der ärztlichen Berufsordnung dieser Entwicklung
zusätzliche Schubkraft verleihen.
Meine Damen und Herren, ich habe Verständnis dafür,
dass Veränderungen auch im Wettbewerb nicht den ungeteilten Beifall
aller finden. Das ist immer so, wenn es Veränderungen geben soll oder
wenn etwas Neues auf der Tagesordnung steht. Es ist bei manchen, die
dies nicht gewohnt sind, nicht einfach, zu sagen: Ich will mich in
Zukunft stärker den Anforderungen des Wettbewerbs stellen.
Darüber muss man diskutieren, das nehmen wir auch
alles ernst. Dass allerdings zur Bewahrung von Besitzständen manchmal
auch die ethische Keule geschwungen wird, um vor der drohenden Kommerzialisierung
des Gesundheitswesens zu warnen, finde ich – gelinde gesagt – merkwürdig.
Ich habe es immer so verstanden, dass es unser gemeinsames Ziel ist,
dafür zu sorgen, dass wir ein hoch qualifiziertes Gesundheitswesen
haben, gute Leistungen und gute Arbeitsbedingungen, für die ich stehe.
Ich habe es immer auch so verstanden, dass von vielen die Freiberuflichkeit
der Ärztin und des Arztes als Ausprägung auch des freien Unternehmertums
verstanden wird. Auch das ist mit Wettbewerb verbunden. Ich hatte
auch den Eindruck, dass die Ärzteschaft akzeptiert hat, dass jede
medizinische Entscheidung zugleich eine Entscheidung über den Verbrauch
von limitierten Ressourcen ist.
Ich sage Ihnen ganz klar – das ergibt sich auch
aus den Reden, die vor mir gehalten wurden –: Wenn wir die Ressourcen
nicht optimal einsetzen, dann ist das nicht nur unwirtschaftlich,
sondern dann birgt dies auch die Gefahr in sich, dass es unethisch
werden kann; denn jeder Euro, der für eine überflüssige oder qualitativ
nicht optimale Versorgung ausgegeben wird, fehlt an anderer Stelle.
Ich glaube, bei aller Kontroverse wird niemand
hier im Saal bestreiten, dass die Versorgungskette von der Selbsthilfe
über den Hausarzt und den Facharzt bis hin zum Krankenhaus und zu
Reha-Einrichtungen an vielen Stellen nicht
nur optimiert werden kann, sondern optimiert werden muss. In dieser
Optimierungskette hat für mich auch der Hausarzt eine zentrale Rolle
zu übernehmen. Es wird oft gesagt, die Einrichtung von hausarztzentrierten
Versorgungssystemen sei gegen die Fachärzte gerichtet. Das ist nicht
so. Die fachärztliche Versorgung ist die eine Seite. Wer denn, wenn
nicht der Allgemeinmediziner, der Kinder- und Jugendarzt oder der
hausärztlich tätige Internist soll eine zentrale Lotsenfunktion in
diesem System übernehmen? Ich glaube, nur wenn wir so herangehen und
definieren, was die Aufgabe eines jeden Einzelnen ist, wo die Stärke
und die Fähigkeit des Hausarztes liegt, wenn wir uns fragen, wie wir
die Angebote optimieren können, wie die Rolle des Facharztes im niedergelassenen
Sektor aussieht und wo der Krankenhaussektor angesiedelt ist, wenn
wir dies alles optimieren und die Zusammenarbeit intensivieren, werden
wir Schritte nach vorn tun können und die Gesundheitsversorgung der
Zukunft sicherstellen können.
(Beifall)
Ich frage Sie ernsthaft: Wenn dabei zugleich Geld
eingespart werden kann – was ist daran eigentlich kritikwürdig? Die
Entscheidung, in welcher Organisation und in welcher Rechtsform diese
Prozesskette organisiert wird, wird deshalb künftig nicht mehr allein
durch den Gesetzgeber verbindlich vorgegeben, sondern auch in die
Hand der Ärzte und der ärztlich geleiteten Institutionen übergeben.
Der Gesetzgeber hat die Palette möglicher Versorgungsangebote erweitert.
Bei einer sinnvollen Vielfalt von Angeboten wird die Akzeptanz durch
die Patientinnen und Patienten entscheidend dafür sein, welcher Versorgungsform
Erfolg beschieden ist. Nicht ich oder sonstige Gesundheitsminister
entscheiden, wie die ärztliche Praxis in der Zukunft organisiert ist,
sondern die Patientinnen und Patienten.
Bei allen Diskussionen ist eines klar: Von dieser
grundsätzlichen Entscheidung, dass es die Freiheit der Patientinnen
und Patienten ist, diejenige Versorgungsform zu wählen, die für sie
am besten geeignet ist, werden sich die Parteien im Deutschen Bundestag
– das sage ich auch über unsere eigene Partei hinaus – nicht abbringen
lassen.
Das gilt auch für einen zweiten Punkt, der uns
in den Beratungen auch über das GKV-Modernisierungsgesetz wichtig
war, nämlich dass die entscheidende Voraussetzung, wenn wir wirklich
einen Qualitätswettbewerb schaffen wollen, die Herstellung von Transparenz
über die Angebote und die erbrachten Leistungen ist. Dazu hat die
deutsche Ärzteschaft schon vieles geleistet, aber hier bleibt auch
noch einiges zu tun, vor allen Dingen, wenn wir in Deutschland im
internationalen Vergleich Spitze werden wollen und die Patientinnen
und Patienten den Raum einnehmen können, den sie in einem modernen
Gesundheitssystem brauchen.
Die Politik hat sich dieses Ziel gesetzt. Wir haben
die Rahmenbedingungen verändert. Das ist auch einer der Gründe dafür,
dass wir hartnäckig für ein fachlich unabhängiges Institut für Qualität
und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen gekämpft haben. Das ist
auf einem guten Weg. Ich bedanke mich herzlich für die wirklich intensive
Mitarbeit. Ich sehe unter uns Herrn Hess, der als Vorsitzender des
Gemeinsamen Bundesausschusses hier sehr aktiv mitwirkt.
Ich bin erfreut darüber, dass durch die anstehenden
Änderungen der Berufsordnung für Ärzte dieser Prozess der Flexibilisierung
der Versorgungsformen unterstützt und forciert wird.
Meine Damen und Herren, wo wir zur Verbesserung
der Arbeitsbedingungen von Ärztinnen und Ärzten und damit gleichzeitig
zur Steigerung der Attraktivität des Arztberufes gesetzgeberische
Beiträge leisten können, haben wir dies getan.
(Widerspruch)
Ich darf nur darauf hinweisen, dass wir dem auch
von Ihnen als unglücklich empfundenen Konzept des Arztes bzw. der
Ärztin im Praktikum ein Ende gesetzt
(Beifall)
und damit den Berufseinstieg für junge Ärztinnen
und Ärzte verbessert haben. Gleichzeitig haben wir dafür gesorgt,
dass diese Entscheidung ab Oktober dieses Jahres nicht zulasten der
Budgets der Krankenhäuser geht, sondern dass dafür zusätzliches Geld
bereitgestellt wird. Es werden im Jahre 2005 immerhin 300 Millionen
Euro in die Zukunft der medizinischen Versorgung investiert. Das ist
unter Berücksichtigung der schwierigen Bedingungen, in denen sich
auch die Krankenkassen befinden, nicht einfach. Den Arzt im Praktikum
abzuschaffen, ohne auch dafür zu sorgen, dass die finanziellen Mittel
vorhanden sind, um die Ärztinnen und Ärzte angemessen zu vergüten,
wäre nur eine halbe Entscheidung gewesen. Aber so hat der Deutsche
Bundestag nicht entschieden.
(Beifall)
Ich halte die Erweiterung der Angebote nicht für
etwas Negatives, Frau Dr. Auerswald, wenn in Zukunft Ärztinnen und
Ärzte im Angestelltenverhältnis ambulant tätig sein können. Ich treffe
junge Menschen, die das hohe Investitionsrisiko bei einer Niederlassung
als selbstständig tätiger Arzt scheuen.
(Widerspruch)
– Keine Aufregung, Ruhe! Ich will ja nicht, dass
wir hier krank werden. Ich will nicht zum Blutdruckanstieg beitragen.
Ich treffe junge Frauen und Gott sei Dank auch
junge Väter, die ambulant tätig sein wollen und dies in Teilzeitarbeit
absolvieren wollen, weil sie Beruf und Familie miteinander verbinden
wollen. Wenn wir neben der Möglichkeit, im stationären Sektor und
freiberuflich im ambulanten Sektor tätig zu sein, die Option bieten,
den ärztlichen Beruf auch im Angestelltenverhältnis ausüben zu können,
dann ist das eine Erweiterung der Angebote und wird mit dazu beitragen
– so hoffen wir –, dass sich auch jene jungen Menschen für den ärztlichen
Beruf entscheiden, die heute vielleicht lieber in die Industrie gehen,
weil sie dort geregelte Arbeitszeiten haben. Ich bitte Sie, es auch
unter diesem Aspekt zu sehen.
(Beifall)
Im Konsens mit der Ärzteschaft haben wir die Frage
der Arbeitsbedingungen auf dem Wege über die Arbeitszeitgipfel bereits
angepackt und entsprechende Regelungen gefunden, bevor der Europäische
Gerichtshof seine Entscheidung gefällt hat. Wir haben dafür gesorgt,
dass bis zum Jahr 2007 insgesamt 700 Millionen Euro auch durch
die Kassen bereitgestellt werden, damit notwendige neue Stellen finanziert
werden können, wenn innovative Arbeitszeitmodelle umgesetzt und Organisationsstrukturen
in den Häusern modernisiert werden. Es gibt eine ganze Menge Krankenhäuser,
die diesen Weg gehen.
Wir haben durch eine unabhängige wissenschaftliche
Studie herausgefunden, dass Arbeitszeitprobleme durch eine moderate
Einstellung und vor allen Dingen durch Änderungen in der Arbeitszeitorganisation
vernünftig lösbar sind.
Meine Damen und Herren, wir verschließen nicht
die Augen vor der Tatsache, dass sich ein Ärztemangel in strukturschwachen
Gebieten, vor allen Dingen in der hausärztlichen Versorgung, abzeichnet.
Mit dem Gesetz wurde den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassen
ein ganzer Strauß von Instrumenten zur Verfügung gestellt, um die
Ressourcen dorthin zu lenken, wo sie dringend benötigt werden, und
um die Grundlagen dafür zu schaffen, dass man sich präventiv in der
Vorausplanung für die nächsten Jahre engagiert. Wenn weitere Maßnahmen
und auch weitere Erleichterungen notwendig sind, um dieses Problem
zu beherrschen, dann sage ich Ihnen hier ganz ehrlich: Ich bin immer
offen für Verbesserungsvorschläge und auch für gute Regelungen. Das
gilt im Übrigen auch für die Entbürokratisierung.
(Widerspruch)
Ich gehe mit Ihnen den Weg nach vorne, warte immer
auf die Vorschläge auch aus der Ärzteschaft, was wir tun können.
(Zurufe)
Aber einfach ein Zurück in die alte Zeit gibt es
nicht. Nach vorn können wir gemeinsam gehen. Deshalb gilt: Für gute
Vorschläge finden Sie bei uns immer ein offenes Ohr.
(Zurufe)
Meine Damen und Herren, Veränderungen im kurativen
Versorgungsbereich werden aber nicht ausreichen, um die Zukunftsprobleme
zu lösen und Antworten auf die Problematik einer älter werdenden Gesellschaft
zu geben. Es ist zwischen uns unstreitig – dies ist eines der wenigen
Themen, die zwischen uns nicht streitig sind –, dass wir die Prävention
und die Gesundheitsförderung ausweiten müssen. Herzstück unseres Präventionsgesetzes
wird deshalb die Stiftung Prävention sein. Dort werden die nicht wettbewerblichen Aktivitäten aller Sozialversicherungsträger
organisiert und finanziert. Wir wollen, dass nicht nur die gesetzliche
Krankenversicherung, sondern auch die Rentenversicherung, die Pflegeversicherung
und die Unfallversicherungen gesetzlich verpflichtet werden, einen
Teil ihrer Ausgaben pro Mitglied in die Verhütung von Krankheiten,
in die Prävention und in die Gesundheitsvorsorge zu investieren. Dazu
wollen wir die rechtlichen Grundlagen schaffen.
Alle Aktivitäten müssen auf gemeinsame Ziele ausgerichtet
werden, um Krankheiten zu vermeiden bzw. deren Eintritt hinauszuzögern.
Ich glaube, dass wir damit einen entscheidenden Schritt nach vorn
tun, damit die Prävention in unserem gesamten Gesundheitssystem wirklich
etabliert wird.
Lassen Sie mich zum Schluss trotz aller kontroversen
Debatten und heftigen Diskussionen, aber auch sehr konstruktiven Gesprächen,
die wir zwischen den Tagen, die eine besonders hohe Aufmerksamkeit
finden, haben, Respekt, Anerkennung und Dank an alle diejenigen aussprechen,
die sich tagtäglich – wie ich weiß: zum Teil unter schwierigen Bedingungen,
zum Teil auch über das hinaus, was im Rahmen eines normalen Arbeitstages
möglich ist – um eine optimale Betreuung für jede Patientin und jeden
Patienten bemühen. Bei allen politischen Auseinandersetzungen über
die künftige Gestaltung des Gesundheitswesens schätze ich dieses Engagement,
schätze ich die Leistung und die Einsatzbereitschaft, von der ich
weiß, dass sie oft weit über das vertraglich Geschuldete hinausgeht.
Ich weiß auch, dass es nicht die Ärzte gibt, sondern dass sehr
viele diesen Weg gern mitgehen.
Ich wünsche dem 107. Deutschen Ärztetag Bereitschaft
zu konstruktiven Debatten und zielführenden
Entscheidungen. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und freue
mich auf ein Wiedersehen im kommenden Jahr.
Vielen Dank.
(Beifall)
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