Dr. Jaeger, Schleswig-Holstein:
Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da
wir sozusagen die Fachleute sind, möchte ich Sie bitten, in der Öffentlichkeit
vermehrt darauf zu achten, dass Lügen oder Unwahrheiten korrigiert
werden. Ich möchte hier folgende Punkte thematisieren: Wettbewerb,
Ökonomisierung, Kostenexplosion und Finanzierung der Krankenversicherung.
Weisen Sie in den Diskussionen doch bitte endlich darauf hin, wie
es hier schon anklang, dass Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen
eine sehr fragwürdige Sache ist. Es ist einfach nicht wirtschaftlich,
dass man einen 70-jährigen Koronarpatienten reanimiert, aber es ist
menschlich. Das ist unsere Aufgabe.
In Zukunft wird es so sein – weisen Sie die Öffentlichkeit
bitte darauf hin –, dass die Ärzte als Teil eines Unternehmens, nämlich
des Krankenhauses, kostendeckend arbeiten müssen. Unter dem Begriff
Wirtschaftlichkeit versteht jeder etwas anderes. Für die Gesundheitsministerin
bedeutet dies, Kosten zu sparen; ich als Mitarbeiter eines Unternehmens
muss aber darauf achten, dass mein Unternehmen nicht Pleite geht.
Das Gegenteil der Erwartung der Ministerin wird eintreten. Ich werde
im Zweifelsfall den Problempatienten, den ich eben geschildert habe,
aufgrund irgendwelcher Begründungen, die mir mein Arbeitgeber sicherlich
vorgeben wird, an ein anderes Krankenhaus weiterleiten. Ich möchte
Sie bitten, das der Öffentlichkeit in aller Klarheit immer wieder
darzulegen, wenn die Rede von Wirtschaftlichkeit ist.
Damit komme ich zur Kostenexplosion: Auch hier
gibt es stets Unwahrheiten oder Lügen. Es gibt keine Kostenexplosion
im Gesundheitswesen. Das Problem ist das Wegbrechen der Einnahmen.
Die Kostensteigerung im Gesundheitswesen lag in den letzten 30 Jahren
zwischen 3 und 5 Prozent. Zum Vergleich: Ein VW Golf ist jährlich
um 10 Prozent teurer geworden, die Preissteigerung für ein Brötchen
lag bei 13 bis 15 Prozent. Ich denke, wir im Gesundheitswesen sind
außerordentlich wirtschaftlich gewesen. Weisen Sie die Öffentlichkeit
bitte darauf hin: Es gibt keine Kostenexplosion, sondern das Problem
sind die wegbrechenden Einnahmen, unter anderem aufgrund der hohen
Arbeitslosigkeit. Aber hinsichtlich dieses Problems ist die Politik
zum Handeln aufgefordert, nicht die Ärzteschaft.
Ein kleiner Vorschlag, wie man zu erhöhten Einnahmen
kommen könnte, besteht darin, nach dem Verursacherprinzip vorzugehen.
Wir als Ärzteschaft wissen, dass ein Drittel bis ein Viertel aller
Kosten im Gesundheitswesen durch Alkohol, Nikotin und Übergewicht
verursacht werden. Wenn wir diese Kosten beim Alkohol und beim Nikotin
sofort als direkte Abgabe an die Krankenversicherung abführten, könnten
wir uns vor Geld gar nicht mehr retten. Zumindest sollten die Tabak-
und die Alkoholsteuer, über die sich der Finanzminister so sehr freut,
eigentlich dorthin fließen, wo die Schäden beseitigt werden müssen.
Das ist das Gesundheitswesen. Auch dann könnten wir uns vor Geld gar
nicht mehr retten.
Als Ministerin Schmidt genau diesen Vorschlag in
die Realität umsetzen und die Preise für Tabakwaren erhöhen wollte,
wurde sie sofort von der entsprechenden Lobby mit dem Argument zurückgepfiffen,
dann gingen Arbeitsplätze verloren. Was heißt es denn, wenn Arbeitsplätze
in der Tabakindustrie verloren gehen? Das bedeutet, dass weniger Tabak
produziert wird, die Bürger konsumieren weniger Tabakprodukte. Es
wäre die ureigenste Aufgabe der Ministerin gewesen, zu sagen: Wir
müssen es noch mehr verteuern.
Bitte weisen Sie die Öffentlichkeit auf diese Verlogenheit
hin. Zeigen Sie der Öffentlichkeit bitte die Lösungsansätze.
(Beifall)
Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer
und des Deutschen Ärztetages:
Schönen Dank, Herr Jaeger. – Als nächster Redner bitte Herr Henke.
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