Dr. Holzborn, Nordrhein:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der ehemalige nordrhein-westfälische
Gesundheits- und Sozialminister Heinemann ist vor etwa 15 Jahren mit
der Absicht gescheitert, die normale Geburtshilfe in Perinatalzentren
zusammenzufassen. Es macht zwar Sinn, hoch qualifizierte Leistungen
an einem Ort zusammenzuführen, aber es ist Unsinn, in der Fläche die
normale Geburtshilfe auszudünnen und sie an wenigen Zentren zusammenzuführen.
Die Geburtshilfe ist ja auch eine Familienangelegenheit. Die Frauen,
die über 100 Kilometer in ein Zentrum gebracht werden, obwohl es nicht
nötig wäre, sind dort ohne ihre Familie, ohne die Möglichkeit, Besucher
zu haben. Sollten diese kommen, müssen diese weite Anfahrtswege auf
sich nehmen, und zwar mehrmals. Jeder, der Angehörige im Krankenhaus
betreut hat, kennt die Situation, dass etwas fehlt, dass man etwas vorbeibringen
muss. Versuchen Sie einmal, das bei einem Routinefall über eine Entfernung
von 100 oder 150 Kilometern zu machen! Das
ist für Politiker und Gesundheitsökonomen sicher kein Gesichtspunkt,
den sie betrachten wollen, aber ökologisch gesehen ist es eine absolute
Verschwendung von Ressourcen. Hinzu kommt eine Letalität durch häufig
auftretende Unfälle.
Vor wenigen Jahren gab es eine Untersuchung über
die Asbestbelastung in einer Grundschule. Wenn die Schule geschlossen
worden wäre und die Kinder für vier Monate mit einem Bus in die benachbarte
Grundschule gefahren worden wären, wäre die Mortalität der Kinder
größer gewesen, als wenn sie diese vier Monate in der Schule verblieben
wären. Man konnte getrost abwarten und die Schule in den Sommerferien
renovieren, ohne dass eine erhöhte Gefährdung vorhanden war.
Ich meine, das muss mit berücksichtigt werden.
Anderenfalls verschwenden wir für Routinefälle völlig unsinnig erhebliche
volkswirtschaftliche Ressourcen.
Zum Schluss: Ich habe nicht genug Fantasie, mir
vorzustellen, wie Kooperation und Nachsorge über eine Entfernung von
100 Kilometern von einem einzigen Zentrum aus erfolgen sollen. Manchmal
klappt es ja derzeit noch nicht einmal um die Ecke herum. Wie soll
das innerhalb eines riesigen Einzugsgebiets reibungslos funktionieren?
Ich danke Ihnen.
(Beifall)
Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer
und des Deutschen Ärztetages:
Vielen Dank, Herr Holzborn. – Als nächster Redner bitte Herr Kollege
Mau aus Berlin. |