Dr. Spies, geladener
Gast:
Herr Präsident Hoppe! Meine Damen! Meine Herren! Ich darf an den
Ausgangspunkt der Diskussion über die Berufsordnung erinnern. Es
gab eine gemeinsame Sitzung des Vorstandes der Bundesärztekammer
und des Vorstandes der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Unter
dem Eindruck des GMG und der Schaffung des Medizinischen Versorgungszentrums
war vonseiten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung die Anregung
eingebracht worden, die Berufsordnung so zu ändern, dass der Vertragsarzt
in Zukunft eine Chance hat, in diesem neuen Umfeld konkurrenzfähig
zu sein.
(Beifall)
Das war das politische Ziel, das dahinter steckte, bevor
man sich an die Berufsordnung gemacht hat.
Ich habe selbst im Ausschuss mitgearbeitet und darf mich
bei Herrn Professor Flenker ganz herzlich bedanken, der die Materie hier sehr
wohl geordnet vorgetragen hat. Eine ganz persönliche Anmerkung: Besonders bei
den juristischen Fragen hatte ich immer das Gefühl, dass so viele Meinungen
vorgetragen wurden, wie Juristen anwesend waren. Es gab keine einheitliche
Vorstellung.
Umso höher ist die Leistung von Herrn Professor Flenker
und vor allem von Frau Wollersheim zu werten, dass eine schlüssige Vorlage zur
Beschlussfassung vorgelegt werden konnte. Sie werden sicher Verständnis dafür
haben, dass ich mich in den Juristenstreit nicht einmische, sondern die Vorlage
unter dem Druck des Vertragsarztes in seiner neuen Umgebung – sprich: GMG –
beleuchte.
Der Ausgangspunkt war nicht nur das Medizinische
Versorgungszentrum, sondern auch das Krankenhaus und seine zunehmende Öffnung
für die ambulante Versorgung entsprechend den §§ 115 b bis 140. Dabei war uns
klar, dass die Krankenhäuser hierbei entweder als Partner oder als Konkurrenten
infrage kommen und dass dies für alle Ärzte, vor allem aber auch für den
Facharzt gilt. Krankenhäuser haben keine Berufsordnung, die sie in ihrem
Handeln einengt und kanalisiert, sondern sie handeln offen und ohne solche
Regeln.
Demgegenüber ist die Position des Vertragsarztes durch das
Berufsrecht kanalisiert und teilweise behindert, besonders dann, wenn es um
Kooperationen zwischen den verschiedenen Versorgungsebenen geht. Das gilt
besonders für das Medizinische Versorgungszentrum, denn hier können alle
Leistungsanbieter, die im Gesundheitswesen unterwegs sind, sich beteiligen,
nicht nur Vertragsärzte. Damit kommen auch die anderen rechtlichen und offenen
Wettbewerbsbedingungen zum Tragen.
Ich darf Sie daran erinnern: Die derzeit gültige
Berufsordnung geht immer noch von dem Bild des Arztes in der Einzelpraxis oder
bestenfalls von einer fachgleichen Gemeinschaftspraxis aus und hat dabei den
Arzt mit seiner persönlichen Leistungserbringung vor Augen. Das ist eine ganz
hehre und vernünftige Vorstellung, wobei man sich allerdings fragen muss, ob
man mit dieser Vorstellung nicht irgendwann ernsthaft ins Hintertreffen gerät.
Der Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung
unterstützt deshalb voll die Vorlage. Er tut dies in Kenntnis der Tatsache,
dass das Ganze mit dem Zulassungsrecht nicht in Einklang steht, und er tut dies
in Kenntnis der Tatsache, dass damit möglicherweise eine Liberalisierung des
Zulassungsrechts ausgelöst wird.
Warum die Kolleginnen und Kollegen des Marburger Bundes
hier ein Problem sehen, ist mir unverständlich. Genau das wäre eigentlich für
sie und ihre beruflichen Chancen besser. Allein deshalb müsste man vom
Marburger Bund aus dieser Vorlage zustimmen.
(Beifall)
Ich komme jetzt zu dem Paragraphen, der offensichtlich die
größten Schwierigkeiten bereitet, nämlich § 19 Abs. 2. Hier herrscht eine
ziemliche Begriffsverwirrung. Herr Professor Kunze hat bitter beklagt, dass es
dann wieder angestellte Ärzte gäbe und nicht nur solche, die unabhängig
arbeiten. Lieber Herr Professor Kunze, das Problem besteht doch darin, dass wir
dies vom Gesetzgeber in Form des Medizinischen Versorgungszentrums bereits
vorgelegt bekommen haben und dies auch nicht durch die Berufsordnung verändern
können. Wir müssen überlegen: Wie gehen wir mit diesem Thema unter diesen
Bedingungen um?
Wenn § 19 Abs. 2 nicht kommt, haben Praxen in der Zukunft,
vor allem Facharztpraxen, Schwierigkeiten, Komplettangebote der Versorgung, bei
denen man mehrere Ärzte benötigt, zu machen. Das gilt für hoch spezialisierte
Fächer, vor allem für Operateure und auch für Anästhesisten. Hier spielt die
Musik. Ihnen bliebe, wenn Sie § 19 Abs. 2 ablehnen, nur der Weg in das
Medizinische Versorgungszentrum oder die Angliederung an ein Krankenhaus.
Bei beiden Lösungen – meine Damen und Herren, ich bitte
Sie, das zu bedenken – geraten auch diese Kolleginnen und Kollegen unter die
Fuchtel von Trägern, die rein ökonomischen Vorgaben unterworfen sind. Die
Funktion des angestellten Arztes, die ich genau kenne – das bezieht sich auch
auf die Chefärzte –, steht unter einem erheblichen ökonomischen Druck
vonseiten der Krankenhausverwaltungen. Dies ist fürwahr kein positives Beispiel
für die Freiheit der ärztlichen Berufsausübung. Dort wollen wir doch nicht auch
noch diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die jetzt nicht unter diesem Druck
stehen, hineintreiben.
Wenn der Ärztetag § 19 Abs. 2 ablehnt, hätte er eine
Chance verpasst, eine ärztliche Struktur zuzulassen, die mit dem Medizinischen
Versorgungszentrum konkurrieren kann und nicht das Problem der reinen
Ökonomisierung durch fremde Träger schafft. Ich bitte Sie, den Ärzten in
Deutschland diese Chance zu eröffnen. Wenn Sie das wollen, dürfen Sie § 19 Abs.
2 nicht ablehnen.
(Beifall)
Sie sollten sich vielmehr Gedanken darüber machen, wie die
tatsächlich vorhandenen Schwierigkeiten, was die GOÄ und die Liquidation
betrifft, in vernünftiger Form kanalisiert werden können. Dies ist nämlich
möglich; denn auch ein Chefarzt, der angestellt ist, kann privat liquidieren.
Warum kann das nicht auch ein angestellter Arzt in einer Sozietät? Er kann es
ganz genauso.
(Beifall)
Es gibt eben nicht angestellte Ärzte erster und zweiter
Klasse.
Ich darf Sie bitten, der Vorlage des Vorstandes
zuzustimmen. Sie werden damit, auch wenn Sie es vielleicht nicht alle glauben,
einen Beitrag zur Unabhängigkeit des Arztes und zu seiner Freiberuflichkeit
leisten und nicht zum Gegenteil. Vor allem: Beschließen Sie bitte keine
Vertagung. Es wird, wie es jetzt abläuft, ohnehin zeitlich knapp, denn wir
benötigen, wenn Sie einen positiven Beschluss fassen, auch noch die Zustimmung
der Landesärztekammern und für einzelne Teile auch noch die Zustimmung des
Gesetzgebers.
Ich appelliere an Sie und danke Ihnen.
(Beifall)
Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer
und des Deutschen Ärztetages:
Vielen Dank, Herr Kollege Spies. Vielen Dank auch Ihnen, meine Damen
und Herren, dass Sie es Herrn Kollegen Spies ermöglicht haben, seine
Gedanken voll auszubreiten. Er ist hier für die reiche Schwester
KBV zugegen. Wir sollten die Gelegenheit wahrnehmen, deren Meinung
zu hören. – Wir fahren jetzt mit der Rednerliste der Delegierten
fort. Das Wort hat Herr Kollege Windau aus Sachsen.
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