TOP V: Ärztliche Fortbildung - Sachstandsbericht

Tag 2: Mittwoch, 19. Mai 2004 Nachmittagssitzung

Dr. Saueressig, Baden-Württemberg:

Kolleginnen und Kollegen! Ich bin sehr für Fortbildung und halte es für absolut essenziell, dass man sich fortbildet. Ich habe schon immer eine Gliederung im Hinblick auf die Fortbildung vermisst. Ich halte sie für erforderlich. Ich begrüße die Entwicklung, auch wenn es sich jetzt um einen gesetzlichen Zwang handelt.

Ich habe eine Landpraxis. Wir haben eine relativ lange Arbeitszeit. Viele Kollegen sind sehr überlastet. Ich habe das Glück, in einer Gemeinschaftspraxis tätig zu sein. Ich habe immer viel Zeit für Fortbildung und auch für Weiterbildung. Es gibt Kollegen, die haben 20 Jahre lang keine Fortbildung betrieben. Ich habe auf einer Fortbildungsveranstaltung einmal einen Kollegen, den ich noch nie gesehen hatte, gefragt, warum man ihn auf solchen Veranstaltungen eigentlich nie sieht. Er hat mir wortwörtlich geantwortet, der Zimmermann hat Zimmermann gelernt, ich habe Arzt gelernt!

Unter diesen Voraussetzungen ist die Weiterbildung nicht möglich. Man muss auch sehen, dass es Kollegen in Landpraxen gibt, die psychosozial überlastet sind, und zwar ziemlich stark. Eines der Probleme, die dazu beitragen, ist die Tatsache, dass es auf dem Lande nicht wie in der Stadt einen Notdienst gibt, sondern dass viele Kollegen auch noch Notdienst leisten müssen. Sie haben quasi Rufbereitschaft. Es existieren oft keine Ringe, es gibt Animositäten. Sie können nicht vertreten werden oder können sich nur schwer vertreten lassen. Es gibt quasi keine Psychohygiene. Sie leben ständig im Stress und haben auch familiäre Probleme. Es ist ja bekannt, dass unter den Ärzten Alkoholismus und Rauchen stärker verbreitet sind als in der Durchschnittsbevölkerung. Wir haben in unserer Gesellschaft immer mehr Depressionen, Ängste und auch Allergien zu verzeichnen. Alle wundern sich, warum die Zahl der Allergien zunimmt. Das hängt auch mit der Überlastung zusammen.

Man muss sich Gedanken machen, wie man die Situation der Ärzte auf dem Lande verbessern kann. Ich bin der Auffassung, dass man wenigstens dafür sorgen müsste - über die Wege will ich jetzt gar nicht reden -, dass durchgängig für jede Nacht ein Notdienst organisiert wird. Das kann durchaus die Selbstverwaltung organisieren. Es müsste den Zwang dazu geben. Ich halte es für absolut wichtig, dass jeder Zeit und Nerven für die Fortbildung hat. Viele müssen regelrecht vor sich selbst geschützt werden. Manche Kollegen halten es wohl für richtig, dass sich Landärzte chronisch überarbeiten und kaputtmachen. Das halte ich für vollkommen falsch.

Vielen Dank.

(Beifall)

 

Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages:

Schönen Dank, Herr Saueressig. – Der nächste Redner ist Herr Lipp aus Sachsen.
© 2004, Bundesärztekammer.