Dr. Saueressig, Baden-Württemberg:
Kolleginnen und Kollegen! Ich bin sehr für Fortbildung und halte es
für absolut essenziell, dass man sich fortbildet. Ich habe schon immer
eine Gliederung im Hinblick auf die Fortbildung vermisst. Ich halte
sie für erforderlich. Ich begrüße die Entwicklung, auch wenn es sich
jetzt um einen gesetzlichen Zwang handelt.
Ich habe eine Landpraxis. Wir haben eine relativ
lange Arbeitszeit. Viele Kollegen sind sehr überlastet. Ich habe das
Glück, in einer Gemeinschaftspraxis tätig zu sein. Ich habe immer
viel Zeit für Fortbildung und auch für Weiterbildung. Es gibt Kollegen,
die haben 20 Jahre lang keine Fortbildung betrieben. Ich habe auf
einer Fortbildungsveranstaltung einmal einen Kollegen, den ich noch
nie gesehen hatte, gefragt, warum man ihn auf solchen Veranstaltungen
eigentlich nie sieht. Er hat mir wortwörtlich geantwortet, der Zimmermann
hat Zimmermann gelernt, ich habe Arzt gelernt!
Unter diesen Voraussetzungen ist die Weiterbildung
nicht möglich. Man muss auch sehen, dass es Kollegen in Landpraxen
gibt, die psychosozial überlastet sind, und zwar ziemlich stark. Eines
der Probleme, die dazu beitragen, ist die Tatsache, dass es auf dem
Lande nicht wie in der Stadt einen Notdienst gibt, sondern dass viele
Kollegen auch noch Notdienst leisten müssen. Sie haben quasi Rufbereitschaft.
Es existieren oft keine Ringe, es gibt Animositäten. Sie können nicht
vertreten werden oder können sich nur schwer vertreten lassen. Es
gibt quasi keine Psychohygiene. Sie leben ständig im Stress und haben
auch familiäre Probleme. Es ist ja bekannt, dass unter den Ärzten
Alkoholismus und Rauchen stärker verbreitet sind als in der Durchschnittsbevölkerung.
Wir haben in unserer Gesellschaft immer mehr Depressionen, Ängste
und auch Allergien zu verzeichnen. Alle wundern sich, warum die Zahl
der Allergien zunimmt. Das hängt auch mit der Überlastung zusammen.
Man muss sich Gedanken machen, wie man die Situation
der Ärzte auf dem Lande verbessern kann. Ich bin der Auffassung, dass
man wenigstens dafür sorgen müsste - über die Wege will ich jetzt
gar nicht reden -, dass durchgängig für jede Nacht ein Notdienst organisiert
wird. Das kann durchaus die Selbstverwaltung organisieren. Es müsste
den Zwang dazu geben. Ich halte es für absolut wichtig, dass jeder
Zeit und Nerven für die Fortbildung hat. Viele müssen regelrecht vor
sich selbst geschützt werden. Manche Kollegen halten es wohl für richtig,
dass sich Landärzte chronisch überarbeiten und kaputtmachen. Das halte
ich für vollkommen falsch.
Vielen Dank.
(Beifall)
Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer
und des Deutschen Ärztetages:
Schönen Dank, Herr Saueressig. – Der nächste Redner ist Herr Lipp aus
Sachsen. |