TOP VI: Tätigkeitsbericht der Bundesärztekammer

Tag 3: Donnerstag, 20. Mai 2004 Nachmittagssitzung

Büchner, Schleswig-Holstein:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist eine schöne Überschrift für meinen Beitrag. Ich möchte ein wenig ins Detail gehen. Es gibt dieses unsägliche Formular für das Disease-Management-Programm Diabetes. Damit verbunden ist beispielsweise auch die Tatsache, dass in Schleswig-Holstein Patientinnen und Patienten, die nicht eingeschrieben sind, keine Schulung mehr erhalten. Das ist nicht nur Diabetes light, sondern Zweiklassenmedizin und Rationierung, die aus medizinischen Aspekten unvertretbar ist. Ich denke, hier müssen wir auch Patientenrechte verteidigen.

(Beifall)

Außerdem gab es zuvor eine Primärkassenvereinbarung, wonach klar war: HbA1c nicht über 7,5, dann Schwerpunktpraxis, wo es beim Blutdruck altersabhängig Grenzen gab. Das ist im Disease-Management-Programm alles völlig aufgeweicht. Ich kann dort hineinschreiben: HbA1c 10 Prozent, vielleicht auch 15 Prozent, wenn dies der individuelle Zielkorridor ist, dann soll es so sein. Wenn dieser Zielkorridor eingehalten wird, kommt die Schwerpunktpraxis überhaupt nicht mehr ins Spiel. Diabetikerinnen und Diabetiker werden durch diese Vereinbarungen geschädigt.

Ich komme zurück zu den Formularen, zum Bürokratiewahn: Es gibt bei den Krankenkassen zunehmend die Tendenz, dass sie Formulare herumschicken, die im Bundesmantelvertrag hinsichtlich der vertragsärztlichen Versorgung
überhaupt nicht vereinbart sind. Das sagen die Krankenkassen aber nicht dazu. Wenn Sie beispielsweise bei der Versorgung mit orthopädischem Schuhwerk das Gefühl haben, ob das wohl richtig ist, dann fragen Sie bitte bei Ihrer KV nach. Es muss ein Thema sowohl für die KVen als auch für die Kammern sein, dass uns unsere lieben Vertragspartner hier Dinge abverlangen, die – wenn überhaupt – über die GOÄ honoriert werden müssten, die gar nichts mit den bestehenden Verträgen zu tun haben.

Oftmals fordern die Krankenkassen Unterlagen an, die nur der MDK anfordern darf. Sie erklären: Wir tun das im Auftrag des MDK. Das ist nicht zulässig, dafür gibt es keine Rechtsgrundlage. Schicken Sie das bitte nicht zurück, ignorieren Sie es.

Ein weiterer Punkt: Wenn Fremdberichte angefordert werden – ob vom Landesamt für Soziale Dienste, ob es Versicherungen sind, ob es der MDK ist, ob es Berufsgenossenschaften sind –, sollten Sie vielleicht so verfahren wie ich: Ich habe mir vor einigen Jahren einen Stempel gemacht „Aus grundsätzlichen datenschutz- und urheberrechtlichen Gründen ist eine Weitergabe von Berichten nicht möglich“. Mich hat seitdem niemals mehr irgendjemand gebeten, Fremdberichte zu kopieren und zuzuleiten. Wir sind dazu nicht verpflichtet.

Wir müssen uns auch im Kopf entbürokratisieren. Wir dürfen nicht denken, jeder, der uns etwas abverlangt, habe auch das Recht dazu. Wir müssen kritisch sein und erklären: Das, was ihnen zusteht, sollen sie bekommen, aber mehr auch nicht.

Ich möchte zum Schluss Brecht zitieren: Er widerstand dem Tiger, er besiegte den Hai, es töteten ihn die Flöhe. – Das sollte uns nicht passieren.

Danke.

(Beifall)

 

Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages:

Vielen Dank, Herr Büchner. – Jetzt Herr Kollege Ruebsam-Simon aus Baden-Württemberg.
© 2004, Bundesärztekammer.