Dr. Lipp, Sachsen:
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass Behinderte unser aller Pflege
bedürfen, steht sicher außer Frage. Ich möchte die Bundesärztekammer
auf folgendes Problem hinweisen. Gerade im hausärztlichen Bereich
haben wir es mit dem Problem zu tun, dass unter sozialrechtlichen
Gesichtspunkten die Definition, was unter einer Behinderung zu verstehen
ist, ausgeweitet wird. Jeder dritte oder vierte Behinderte kommt mit
einem Schwerbeschädigtenausweis oder mit dem Ansinnen, gegenüber anderen
Vorteile oder Privilegien zu erzielen.
Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass wir als Ärzteschaft
dafür sorgen, dass für die Definition „Behinderter“ eine neue Grenzziehung
erfolgt, aber auch für die Privilegien für die Behinderten. Wenn wir
hier nicht gegenregulieren, haben wir bei
den begrenzten Ressourcen für die wirklich Behinderten zum Schluss
kaum mehr Mittel oder deutlich zu wenig Mittel zur Verfügung. Das
geht dann zulasten der Schwächsten der Gesellschaft. Deswegen müssen
hier aus meiner Sicht neue Grenzziehungen erfolgen.
Ein Wort zum Antrag 67 und dem dort enthaltenen
Hinweis, dass es in der Bundesrepublik circa 1 Million Menschen ohne
gesicherten Aufenthaltsstatus gibt. Ist uns allen eigentlich bewusst,
dass es eine Unmenge von Kollegen gibt, die diese Patienten aus Mitmenschlichkeit
zum Nulltarif behandeln? Meine Erfahrungen in dieser Beziehung sind
hervorragend. Ich bekomme jeden diesen Patienten bei den Fachärzten
unter, selbst für die teuersten Untersuchungen. Ich habe es in vielen
Jahren noch nie erlebt, dass ein Fachkollege es abgelehnt hat, diesen
Patienten alle Fürsorge zuteil werden zu lassen, oder dass eine Rechnung
ausgestellt wurde. Vielleicht ist es angemessen, von diesem Gremium
aus den vielen Kollegen, die im Jahr vielleicht millionenfach tätig
werden, einen Dank auszusprechen, sodass die Fürsorge dieser Kollegen
nicht unbemerkt bleibt, sondern anerkannt und auch in der Öffentlichkeit
wahrgenommen wird.
(Beifall)
Gleichzeitig sollten wir dringend darauf hinarbeiten,
dass eine Regierung, die nicht in der Lage ist, diesen Zustand zu
beseitigen, dass 1 Million Menschen in diesem Lande illegal leben,
wenigstens die für eine medizinische Grundversorgung erforderlichen
Mittel zur Verfügung stellt.
(Beifall)
Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer
und des Deutschen Ärztetages:
Schönen Dank, Herr Kollege Lipp. – Als nächster Redner bitte Herr Kollege
Nick aus Rheinland-Pfalz. |