TOP VI: Tätigkeitsbericht der Bundesärztekammer

Tag 3: Donnerstag, 20. Mai 2004 Nachmittagssitzung

Dr. Lipp, Sachsen:

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass Behinderte unser aller Pflege bedürfen, steht sicher außer Frage. Ich möchte die Bundesärztekammer auf folgendes Problem hinweisen. Gerade im hausärztlichen Bereich haben wir es mit dem Problem zu tun, dass unter sozialrechtlichen Gesichtspunkten die Definition, was unter einer Behinderung zu verstehen ist, ausgeweitet wird. Jeder dritte oder vierte Behinderte kommt mit einem Schwerbeschädigtenausweis oder mit dem Ansinnen, gegenüber anderen Vorteile oder Privilegien zu erzielen.

Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass wir als Ärzteschaft dafür sorgen, dass für die Definition „Behinderter“ eine neue Grenzziehung erfolgt, aber auch für die Privilegien für die Behinderten. Wenn wir hier nicht gegenregulieren, haben wir bei den begrenzten Ressourcen für die wirklich Behinderten zum Schluss kaum mehr Mittel oder deutlich zu wenig Mittel zur Verfügung. Das geht dann zulasten der Schwächsten der Gesellschaft. Deswegen müssen hier aus meiner Sicht neue Grenzziehungen erfolgen.

Ein Wort zum Antrag 67 und dem dort enthaltenen Hinweis, dass es in der Bundesrepublik circa 1 Million Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus gibt. Ist uns allen eigentlich bewusst, dass es eine Unmenge von Kollegen gibt, die diese Patienten aus Mitmenschlichkeit zum Nulltarif behandeln? Meine Erfahrungen in dieser Beziehung sind hervorragend. Ich bekomme jeden diesen Patienten bei den Fachärzten unter, selbst für die teuersten Untersuchungen. Ich habe es in vielen Jahren noch nie erlebt, dass ein Fachkollege es abgelehnt hat, diesen Patienten alle Fürsorge zuteil werden zu lassen, oder dass eine Rechnung ausgestellt wurde. Vielleicht ist es angemessen, von diesem Gremium aus den vielen Kollegen, die im Jahr vielleicht millionenfach tätig werden, einen Dank auszusprechen, sodass die Fürsorge dieser Kollegen nicht unbemerkt bleibt, sondern anerkannt und auch in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird.

(Beifall)

Gleichzeitig sollten wir dringend darauf hinarbeiten, dass eine Regierung, die nicht in der Lage ist, diesen Zustand zu beseitigen, dass 1 Million Menschen in diesem Lande illegal leben, wenigstens die für eine medizinische Grundversorgung erforderlichen Mittel zur Verfügung stellt.

(Beifall)

 

Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages:

Schönen Dank, Herr Kollege Lipp. – Als nächster Redner bitte Herr Kollege Nick aus Rheinland-Pfalz.
© 2004, Bundesärztekammer.