TOP VI: Tätigkeitsbericht der Bundesärztekammer

Tag 3: Donnerstag, 20. Mai 2004 Nachmittagssitzung

Henke, Referent:

Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte nur wenige Bemerkungen machen. Ich habe nichts gegen Barmherzigkeit, aber hege doch einen nachdenklichen Zweifel, ob ich, wenn ich selbst eine schwerere Behinderung hätte, als Haltung meines Gegenübers Barmherzigkeit haben möchte. Dieser Begriff ist in der Nähe von Mitleid angesiedelt. Ich weiß als Behinderter, dass der Gesunde mein Leiden nicht mitleiden wird und kann. Deswegen hätte ich ein bisschen Schwierigkeiten mit dem Begriff der Barmherzigkeit. Ich will diese Bezeichnung nicht abqualifizieren, aber ich wünsche mir als Charakterisierung des Umgangs mit Behinderten die Begriffe Partnerschaft, Gleichberechtigung und die Haltung, lieber Helmut Peters, die ich mit dem Begriff der Normalität gemeint habe. Normalität an einem wie auch immer mehrheitlich gefundenen Ziel und Durchschnitt zu messen muss zu dem führen, wovor du mit Recht gewarnt hast. Ich meine mit Normalität das Erstreben einer Lebenssituation so normal wie möglich.

Ich bin nachdenklich geworden durch den Hinweis, dass durch die Verwendung des Begriffs „normal“ eine Messlatte ins Spiel kommt, was ich an sich vermeiden möchte. Ich bin froh, dass der Begriff „Normalität“ nicht im Antrag steht. Ich habe ihn in meinem Referat als Annäherung an die Normalität, soweit dies möglich ist, gemeint. Ich werde darüber nachdenken, wie ich es in der gedruckten Fassung, sofern es eine solche geben wird, formulieren werde.

Zu den gestellten Anträgen gibt es, glaube ich, keinen Widerspruch, zu jenen hinsichtlich Schule und Ausbildung eher nicht. Ich könnte mir jetzt mit der Aussage helfen: Wir haben natürlich den Arbeitsplatz von Schülern und Auszubildenden mit gemeint, aber das ist nicht wahr. Wir haben schlicht und ergreifend die besondere Situation von Kindern und Jugendlichen vergessen. Ich bin dankbar dafür, dass das durch diese Diskussion und die Änderungsanträge ausdrücklich hineinkommt.

Mit dem Antrag 2 b von Frau Berendes kann ich leben, dass im Antrag 2 folgender Satz ersatzlos gestrichen wird:

Die Hilfen in besonderen, gezielt auf behinderte Menschen ausgerichteten Einrichtungen sind auf das unbedingt Notwendige zu beschränken.

Der entscheidende Punkt ist, dass in jedem Einzelfall die konkret benötigte Förderung gewährleistet ist. Wo es erforderlich ist, müssen spezielle Dienste und Einrichtungen geschaffen werden. Unser Ziel sollte allerdings sein, so wenig wie möglich getrennte und spezielle Einrichtungen zu haben. Das war das Motiv für die Aufnahme dieses Satzes in den Antragstext. Wenn das missverständlich ist und Schäden auslösen kann, stimme ich zu, Frau Berendes, dass wir diesen Satz streichen.

Es gibt einen Widerspruch, auf den mich Frau Beck aus Thüringen aufmerksam gemacht hat. Das hat sich allerdings nicht mehr in einem gesonderten Antrag niedergeschlagen. Dieser Widerspruch besteht darin, dass wir auf der zweiten Seite des Antrags 2 unter der Überschrift „Rehabilitationsleistung als Hilfen zur Integration behinderter Menschen“ von dem dreistufig aufgebauten Behindertenbegriff der WHO sprechen – ICIDH –, während inzwischen die Weltgesundheitsorganisation – darauf habe ich in meinem Referat hingewiesen – zu dem fünfdimensional aufgebauten Begriff – ICF – übergegangen ist. Ich bitte darum, dass Sie uns quasi Prokura geben, dort zu formulieren, dass im Einklang mit dem in fünf Dimensionen aufgebauten Modell der Weltgesundheitsorganisation zur Behinderung – Körperfunktionen, Körperstrukturen, Aktivitäten der Person und Partizipation in der Gesellschaft sowie Umweltfaktoren – Hilfen bzw. Rehabilitationsmaßnahmen, ausgerichtet auf unterschiedliche Ansatzpunkte, folgendes sind; dann kommt die Aufzählung. Dann hätte man diesen Mangel und den zwischen Referat und Antrag bestehenden Widerspruch beseitigt. Wir haben es nicht mehr geschafft, es entsprechend umzudrucken. Aber vielleicht ist das so eindeutig und klar, dass Sie dem folgen können, ohne dass es schriftlich vorliegt.

Ansonsten bedanke ich mich sehr für die Diskussion und hoffe, dass wir möglichst einheitlich zur Beschlussfassung kommen.

Herzlichen Dank.

(Beifall)

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