Dr.
Montgomery, Hamburg:
Herr Präsident! Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Nadstawek, es wird Sie auf den ersten Blick erstaunen, dass
ich Ihnen sage, dass ich Ihnen für Ihre Ausführungen ausgesprochen
danke und im Grunde kaum einen Dissens sehe. Das liegt daran, dass
der Katalog Ihrer Forderungen eine probate, eine gerechte, eine vernünftige
Forderung ist. Wir müssen einfach die Forderung erheben, dass die
Ärzte im Krankenhaus endlich gerecht vergütet werden müssen.
Das Problem,
das dahinter steckt, ist, dass Sie Problemlösung und Problemursache
in meinen Augen verwechseln. Ihr Problem ist nicht die europäische
Richtlinie, ist nicht die Umsetzung der europäischen Richtlinie in
deutsches Arbeitszeitrecht, sondern die Tatsache, wie die Verwaltungen
in den Kliniken damit umgehen, und zwar ohne Beteiligung der Ärzteschaft,
dass sie durch ein Oktroi von oben Dienstpläne
machen und die berechtigten Forderungen der Ärzte nicht berücksichtigen.
(Beifall)
Dieses
Problem kann der Europäische Gerichtshof nicht lösen. Das ist auch
nicht durch eine Änderung des Arbeitszeitgesetzes zu ändern, sondern
nur durch anständige Tarifverhandlungen und durch eine anständige
Repräsentation der Ärzte vor Ort, indem sie sich beispielsweise im
Personalrat ihres Krankenhauses engagieren.
Deswegen
sage ich Ihnen: Wir sind gar nicht so weit auseinander. Ich halte
es für berechtigt, dass Sie sagen: Wir Ärzte haben im Normalfall wie
alle anderen auch eine 5-Tage-Woche. Wenn wir mehr arbeiten, dann
muss das auch besonders, und zwar anständig, bezahlt werden.
Ich halte
es für absolut legitim, dass Sie sagen: Wir wollen durch die Arbeitszeitregelung
nicht noch weitere Einkommensanteile verlieren.
Eben ist
Herr Professor Griebenow von der Universitätsklinik
Köln zu mir gekommen und hat mich gebeten, mir die Dienstplanmodelle
der Universität zu Köln anzuschauen, welche die Forderungen des Arbeitszeitgesetzes
umsetzten, und zwar in einer Art und Weise, dass es nicht zu einer
dramatischen Einkommensminderung bei den Kolleginnen und Kollegen
kommt, wie sie von Ihnen befürchtet wird.
Die Tatsache,
dass es bei Ihnen in Bonn besondere Probleme gibt, hat etwas mit dem
dortigen Klima in der Klinik zu tun. Das muss man vor Ort und nicht
zentral durch das Arbeitszeitgesetz lösen. Deswegen sage ich: Schauen
Sie sich die Dienstpläne an. Sie haben unsere Unterstützung, selber
vernünftige Dienstpläne zu entwickeln und dann auch durchgesetzt zu
bekommen.
Wir haben
im vergangenen November unsere ganze Hauptversammlung der Forderung
gewidmet, dass endlich die Grundvergütung, dass das ganze Gehaltsgefüge
für Ärzte in Krankenhäusern verbessert wird, damit sich die ärztliche
Tätigkeit im Krankenhaus wieder lohnt und die Kolleginnen und Kollegen
eben nicht nach Groningen gehen müssen.
(Beifall)
Meine
Damen und Herren, dass diese Forderung eine solche ist, die von der
ganz großen Mehrzahl der Kolleginnen und Kollegen geteilt wird, möchte
ich Ihnen kurz belegen. Der Berufsverband Deutscher Internisten hat
seine Mitglieder gebeten, folgende Frage zu beantworten: Der Marburger
Bund ist doch so ein komischer Verband, da gibt es Generäle, haben
die nicht völlig ohne Truppe geklagt? Ihr wollt doch viel mehr arbeiten!
Die konkrete Frage lautete: Welche Wochenarbeitszeit ist unter Berücksichtigung
der physischen, fachlichen und organisatorischen Belange für Assistenzärzte
in den Kliniken zu fordern?
Die Bezahlung
erfolgt im tariflichen oder örtlichen Stundenlohn. Immerhin 87,3 Prozent
der Kolleginnen und Kollegen meinen, dass die vernünftige Arbeitszeit
eines Arztes 48 Stunden pro Woche nicht überschreiten dürfe.
(Beifall)
Ich sage
Ihnen, meine Damen und Herren: Wir müssen uns nach Mehrheiten richten.
Die Mehrheit der Ärzte hat erkannt, dass es vernünftig und klug ist,
nicht mehr als 48 Stunden in der Woche zu arbeiten. Das belegt übrigens
eindrucksvoll auch eine Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie,
veröffentlicht in der Oktoberausgabe der Publikation „Der Chirurg“.
51 Prozent der Kolleginnen und Kollegen halten das Arbeitszeitgesetz
für ein Mittel zur Verbesserung der Attraktivität des Berufs. Wenn
man die Zahlen genau analysiert, stellt man fest, dass die 51 Prozent
nur deshalb zustande kommen, weil lediglich 29 Prozent der Ordinarien
und der Oberärzte die Frage beantwortet haben, aber fast zwei Drittel
der Assistenzärzte und der AiP meinen, das
die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes eine erhebliche Erhöhung der
Attraktivität des Berufsstandes bedeuten.
Deshalb
sage ich Ihnen: Diese Regelungen des Arbeitszeitgesetzes, so schwierig
sie umzusetzen sind, stellen im Kern eine Verbesserung dar und werden
von der Mehrheit derjenigen, die davon betroffen sind, gewünscht.
Deswegen müssen wir diese Regelungen umsetzen, und zwar vernünftig.
Wir müssen es vernünftiger tun, als es bei Ihnen in der Klinik offensichtlich
geschieht.
Europa
ruht leider nicht, meine Damen und Herren. Deshalb möchte ich Ihr
Augenmerk kurz auf den Antrag 76 richten. Die Europäische Kommission
hat am Dienstag in einer ersten Reaktion auf den so genannten sozialen
Dialog, an dem der Marburger Bund beteiligt ist, geantwortet. Obwohl
inzwischen das deutsche Arbeitszeitgesetz auf eine vernünftige Art
und Weise und in Erfüllung der europäischen Urteile und der Richtlinie
geändert wurde, läuft zurzeit ein Roll-back
durch unsere Arbeitgeber, die versuchen, das alte Arbeitszeitgesetz
mit der Dreiteilung in Ruhezeit, Arbeitszeit und Bereitschaftsdienst
wieder durchzusetzen. Das müssen wir ablehnen. Wir haben in Deutschland
eine Verbesserung erreicht und wir wollen nicht hinter die Ärztetage
von Ludwigshafen und früher zurück.
Ich kann
Sie deswegen nur herzlich bitten, den Antrag 76 positiv zu bescheiden.
Vielen
Dank, dass Sie mir zugehört haben.
(Beifall) |