TOP VI: Tätigkeitsbericht der Bundesärztekammer

Tag 4: Freitag, 21. Mai 2004 Vormittagssitzung

Dr. Montgomery, Hamburg:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Nadstawek, es wird Sie auf den ersten Blick erstaunen, dass ich Ihnen sage, dass ich Ihnen für Ihre Ausführungen ausgesprochen danke und im Grunde kaum einen Dissens sehe. Das liegt daran, dass der Katalog Ihrer Forderungen eine probate, eine gerechte, eine vernünftige Forderung ist. Wir müssen einfach die Forderung erheben, dass die Ärzte im Krankenhaus endlich gerecht vergütet werden müssen.

Das Problem, das dahinter steckt, ist, dass Sie Problemlösung und Problemursache in meinen Augen verwechseln. Ihr Problem ist nicht die europäische Richtlinie, ist nicht die Umsetzung der europäischen Richtlinie in deutsches Arbeitszeitrecht, sondern die Tatsache, wie die Verwaltungen in den Kliniken damit umgehen, und zwar ohne Beteiligung der Ärzteschaft, dass sie durch ein Oktroi von oben Dienstpläne machen und die berechtigten Forderungen der Ärzte nicht berücksichtigen.

(Beifall)

Dieses Problem kann der Europäische Gerichtshof nicht lösen. Das ist auch nicht durch eine Änderung des Arbeitszeitgesetzes zu ändern, sondern nur durch anständige Tarifverhandlungen und durch eine anständige Repräsentation der Ärzte vor Ort, indem sie sich beispielsweise im Personalrat ihres Krankenhauses engagieren.

Deswegen sage ich Ihnen: Wir sind gar nicht so weit auseinander. Ich halte es für berechtigt, dass Sie sagen: Wir Ärzte haben im Normalfall wie alle anderen auch eine 5-Tage-Woche. Wenn wir mehr arbeiten, dann muss das auch besonders, und zwar anständig, bezahlt werden.

Ich halte es für absolut legitim, dass Sie sagen: Wir wollen durch die Arbeitszeitregelung nicht noch weitere Einkommensanteile verlieren.

Eben ist Herr Professor Griebenow von der Universitätsklinik Köln zu mir gekommen und hat mich gebeten, mir die Dienstplanmodelle der Universität zu Köln anzuschauen, welche die Forderungen des Arbeitszeitgesetzes umsetzten, und zwar in einer Art und Weise, dass es nicht zu einer dramatischen Einkommensminderung bei den Kolleginnen und Kollegen kommt, wie sie von Ihnen befürchtet wird.

Die Tatsache, dass es bei Ihnen in Bonn besondere Probleme gibt, hat etwas mit dem dortigen Klima in der Klinik zu tun. Das muss man vor Ort und nicht zentral durch das Arbeitszeitgesetz lösen. Deswegen sage ich: Schauen Sie sich die Dienstpläne an. Sie haben unsere Unterstützung, selber vernünftige Dienstpläne zu entwickeln und dann auch durchgesetzt zu bekommen.

Wir haben im vergangenen November unsere ganze Hauptversammlung der Forderung gewidmet, dass endlich die Grundvergütung, dass das ganze Gehaltsgefüge für Ärzte in Krankenhäusern verbessert wird, damit sich die ärztliche Tätigkeit im Krankenhaus wieder lohnt und die Kolleginnen und Kollegen eben nicht nach Groningen gehen müssen.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, dass diese Forderung eine solche ist, die von der ganz großen Mehrzahl der Kolleginnen und Kollegen geteilt wird, möchte ich Ihnen kurz belegen. Der Berufsverband Deutscher Internisten hat seine Mitglieder gebeten, folgende Frage zu beantworten: Der Marburger Bund ist doch so ein komischer Verband, da gibt es Generäle, haben die nicht völlig ohne Truppe geklagt? Ihr wollt doch viel mehr arbeiten! Die konkrete Frage lautete: Welche Wochenarbeitszeit ist unter Berücksichtigung der physischen, fachlichen und organisatorischen Belange für Assistenzärzte in den Kliniken zu fordern?

Die Bezahlung erfolgt im tariflichen oder örtlichen Stundenlohn. Immerhin 87,3 Prozent der Kolleginnen und Kollegen meinen, dass die vernünftige Arbeitszeit eines Arztes 48 Stunden pro Woche nicht überschreiten dürfe.

(Beifall)

Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Wir müssen uns nach Mehrheiten richten. Die Mehrheit der Ärzte hat erkannt, dass es vernünftig und klug ist, nicht mehr als 48 Stunden in der Woche zu arbeiten. Das belegt übrigens eindrucksvoll auch eine Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, veröffentlicht in der Oktoberausgabe der Publikation „Der Chirurg“. 51 Prozent der Kolleginnen und Kollegen halten das Arbeitszeitgesetz für ein Mittel zur Verbesserung der Attraktivität des Berufs. Wenn man die Zahlen genau analysiert, stellt man fest, dass die 51 Prozent nur deshalb zustande kommen, weil lediglich 29 Prozent der Ordinarien und der Oberärzte die Frage beantwortet haben, aber fast zwei Drittel der Assistenzärzte und der AiP meinen, das die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes eine erhebliche Erhöhung der Attraktivität des Berufsstandes bedeuten.

Deshalb sage ich Ihnen: Diese Regelungen des Arbeitszeitgesetzes, so schwierig sie umzusetzen sind, stellen im Kern eine Verbesserung dar und werden von der Mehrheit derjenigen, die davon betroffen sind, gewünscht. Deswegen müssen wir diese Regelungen umsetzen, und zwar vernünftig. Wir müssen es vernünftiger tun, als es bei Ihnen in der Klinik offensichtlich geschieht.

Europa ruht leider nicht, meine Damen und Herren. Deshalb möchte ich Ihr Augenmerk kurz auf den Antrag 76 richten. Die Europäische Kommission hat am Dienstag in einer ersten Reaktion auf den so genannten sozialen Dialog, an dem der Marburger Bund beteiligt ist, geantwortet. Obwohl inzwischen das deutsche Arbeitszeitgesetz auf eine vernünftige Art und Weise und in Erfüllung der europäischen Urteile und der Richtlinie geändert wurde, läuft zurzeit ein Roll-back durch unsere Arbeitgeber, die versuchen, das alte Arbeitszeitgesetz mit der Dreiteilung in Ruhezeit, Arbeitszeit und Bereitschaftsdienst wieder durchzusetzen. Das müssen wir ablehnen. Wir haben in Deutschland eine Verbesserung erreicht und wir wollen nicht hinter die Ärztetage von Ludwigshafen und früher zurück.

Ich kann Sie deswegen nur herzlich bitten, den Antrag 76 positiv zu bescheiden.

Vielen Dank, dass Sie mir zugehört haben.

(Beifall)

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