ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
II - 02
Auf Antrag von Herrn Henke, Dr. Montgomery, Dr. Mitrenga, Dr. Wolter
und Dr. Ungemach (Drucksache II-02) fasst der 107. Deutsche Ärztetag
folgende Entschließung:
Der 107. Deutsche Ärztetag wirbt dafür, in der Diskussion
über Mindestmengen rationalen Argumenten zu folgen, anstatt
sich von einer übersteigerten und allzu naiven Hoffnung auf
ausschließlich positive Effekte großer Serien blenden
zu lassen.
In diesem Sinne begrüßt der 107. Deutsche Ärztetag
den behutsamen und verantwortlichen Einstieg der Selbstverwaltung
in die Gestaltung der Vereinbarungen von Mindestmengen in der Medizin
nach dem Fallpauschalengesetz. Er weist die zum Teil aggressive
öffentliche Kritik daran zurück.
Ausgangspunkt für den 107. Deutschen Ärztetag ist eine
grundsätzlich positive Einstellung zur Spezialisierung in der
Medizin. Der ärztliche Beruf ist bereits durch die Ausbildung
spezialisiert und in der im Rahmen der ärztlichen Selbstverwaltung
organisierten Weiterbildung setzt sich diese Spezialisierung fort.
Spezialisierung ist grundsätzlich ein richtiger Weg zur Ausübung
der Heilkunde und Sicherstellung einer hohen Versorgungsqualität.
Die Erforschung der Gründe für Unterschiede in der Versorgungsqualität
ist eine wesentliche Grundlage für Qualitätssicherung.
Nicht begründete Forderungen zur Konzentration und Spezialisierung
führen dagegen nicht zu der geforderten Verbesserung der Versorgungsqualität,
sondern sie können sogar die Patientenversorgung verschlechtern.
Mindestmengen sind nur ein Element im Gesamtkonzept für Qualität.
Grenzwerte müssen deshalb in einem transparenten und zugänglichen
Prozess rational begründet werden. Starre Mindestmengen, die
nicht wissenschaftlich evidenzbasiert abgeleitet werden können,
sind ein falscher Weg. Sie lassen andere wesentliche, die Ergebnis-
und Strukturqualität bestimmende Aspekte außer acht.
Dazu gehören:
- die Sicherheit der Indikationsstellung und die Wahl des geeigneten
Therapieverfahrens,
- eine moderne und ausreichende apparative Ausstattung,
- fachlich qualifiziertes Personal, das in ausreichender Zahl zur
Verfügung steht und nicht gezwungen ist, aufgrund fehlender
Durchsetzung von Schutzvorschriften in übermüdetem Zustand
tätig zu werden.
Eine überregionale Zentralisierung ist in Deutschland von
dem kommunalen Sicherstellungsauftrag, der nur den eigenen Wirkungskreis
umfassen kann, nicht gedeckt. Der Sicherstellungsauftrag müsste
deshalb mit zunehmender Bedeutung der Mindestmengenregelung auf
die Länder übertragen werden. Je mehr Operationen der
Kategorie "planbar" zugeordnet werden, desto mehr ist
überdies eine rechtsstaatlich steuerbare Krankenhausplanung
in Frage zu stellen. Bei planbaren Eingriffen müssen die persönlichen
Präferenzen der Patientinnen und Patienten viel stärker
berücksichtigt werden und Vorrang haben vor Bedarfsentscheidungen
des planenden Staates.
Gerichtlich überprüfbare Qualitätskriterien, die
einen generellen Leistungsausschluss rechtfertigen würden,
liegen bisher nicht vor. Die vielfach unterstellte lineare Monokausalität
zwischen Menge und Letalität ist als pauschale Aussage weder
bewiesen noch plausibel. Tatsächlich liegen nach den Diagnosen
höchst unterschiedliche Tendenzen vor. Sie rechtfertigen keineswegs
generell Leistungsausschlüsse.
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