ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
VI - 06
Auf Antrag des Vorstandes der Bundesärztekammer (Drucksache
VI-06) fasst der 107. Deutsche Ärztetag folgende Entschließung:
Mit Einführung der Disease-Management-Programme nach §
137 f SGB V wurden in Deutschland regionale Behandlungsprogramme,
die auf ärztliche Initiative hin entwickelt worden waren, wie
z. B. die Diabetes-Typ-2-Vereinbarung in Sachsen, trotz hervorragender
Qualitätsergebnisse gekündigt, angeblich, weil diese Programme
nicht mit der Risikostrukturausgleichsverordnung kompatibel seien.
Krankenkassengesteuerte Disease-Management-Programme dienen primär
dem wirtschaftlichen Vorteil der sich beteiligenden Kostenträger
im Risikostrukturausgleich. Ob die in einem DMP eingeschriebenen
Patienten von den dort vereinbarten Versorgungsstandards profitieren,
ist völlig offen. Fest steht, dass GKV-Beiträge, die der
Krankenversorgung zugedacht waren, zur Subventionierung des überblähten
Verwaltungsapparats zweckentfremdet werden, der zur Einführung
von DMPs erforderlich ist.
Die Kopplung von Disease-Management-Programmen mit dem Risikostrukturausgleich,
der eigentlich dazu dienen soll, Unterschiede in der Versichertenstruktur
auszugleichen, hat inzwischen absurderweise dazu geführt, dass
Krankenkassen wirtschaftlich strukturschwächerer Bundesländer,
wie z. B. in Mecklenburg-Vorpommern, wegen geringerer Einschreibungsfrequenz
zu Zuzahlern finanzkräftigerer Kassen geworden sind.
Die aktionistische Einführung der Disease-Management-Programme
im Top-Down-Modus hat die Akzeptanz derer, die die Arbeit am Patienten
täglich zu bewältigen haben, stark strapaziert. Der Politik
muss verdeutlicht werden, dass die Ärzteschaft der Erprobung
neuer und innovativer Versorgungsformen aufgeschlossen gegenübersteht,
gesetzlich angeordnete Technokratien aber der falsche Weg dahin
sind.
In einer Meinungsumfrage der Fachkommission „Diabetes“
der Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen Ende
2003 bei Hausärzten und Diabetologen haben nur 4 % der Hausärzte
und 2 % der Schwerpunktpraxen das DMP „Diabetes mellitus Typ
2“ als hilfreich für die Patientenversorgung angesehen.
37 % der Hausärzte und 54 % der Schwerpunktpraxen konstatieren
sogar eher eine Verschlechterung der medizinischen Versorgung.
Dabei können aus Sicht der Ärzteschaft strukturierte
Behandlungsprogramme, wie das sächsische Diabetes-Typ-2-Modellprojekt
bereits eindrucksvoll gezeigt hat, durchaus einen wertvollen Beitrag
zur Gewährleistung einer optimalen Versorgungsqualität
chronisch kranker Patienten leisten. Hierbei sind jedoch mehrere
Aspekte zu beachten:
- Anstelle einer willkürlichen Priorisierung von Krankheitsbildern
sollten durch eine praxis- und kliniknahe Versorgungsforschung zunächst
einmal die Patientengruppen auf wissenschaftlicher Grundlage identifiziert
werden, die von einem DMP profitieren könnten.
- In geeigneten Pilotprojekten, idealerweise im Rahmen einer randomisierten
kontrollierten Studie, sollte zunächst untersucht werden, ob
für die in einem strukturierten Behandlungsprogramm eingeschlossenen
Patienten tatsächlich eine bessere Versorgungsqualität
zu erzielen ist als für Patienten außerhalb eines solchen
Programms.
- Disease-Management-Programme bedürfen eines stringenten
Qualitätsmanagements. Hierzu zählen insbesondere die exakte
Definition von Ergebniszielen, sektorübergreifende Ergebnisindikatoren
sowie insbesondere auch die Reduzierung auf einen zweckmäßigen,
zielgerichteten Datensatz bei der Dokumentation.
- Die Evaluation darf nicht als Monitoring zur Umsetzung der jeweiligen
Rechtsverordnung missbraucht werden, sondern muss dazu dienen, den
medizinischen Nutzen für die Patienten - und zwar auch
den langfristigen Nutzen - nachzuweisen. Nach SGB V muss eine
externe Evaluation der Disease-Management-Programme durch einen
vom Bundesversicherungsamt bestellten Sachverständigen erfolgen.
Im Interesse der Qualität und breiten Akzeptanz der Evaluationsergebnisse
werden die Krankenkassenverbände aufgefordert, den Sachverständigen
für die Evaluation im Einvernehmen mit der Bundesärztekammer
auszuwählen.
Die Ärzteschaft fordert:
Strukturierte Behandlungsprogramme dürfen nicht zum Vehikel
krankenkassengesteuerter Finanzierungsstrategien verkommen!
Prävention
|