Anhang A
Beschlüsse und Entschließungen

TOP VI: Tätigkeitsbericht der Bundesärztekammer

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG VI - 13
ÄNDERUNGSANTRAG ZUM ENTSCHLIESSUNGSANTRAG VI - 13a

Auf Antrag des Vorstandes der Bundesärztekammer (Drucksache VI-13) unter Berücksichtigung des Antrages von Dr. Clever (Drucksache VI-13a) fasst der 107. Deutsche Ärztetag folgende Entschließung:

Der Gesetzgeber hat erwerbstätige werdende und stillende Mütter unter seinen besonderen Schutz gestellt. Das Mutterschutzgesetz und die ergänzende Mutterschutzrichtlinienverordnung, die allerdings nur für angestellte Arbeitnehmerinnen gelten, sollen den Schutz vor arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren für Mutter und Kind gewährleisten. Das von Mitte des letzten Jahrhunderts (1952) stammende Mutterschutzgesetz, dessen Anfänge weit in das 19. Jahrhundert hineinreichen, bedarf jedoch einer Novellierung. Dringender ist die Anpassung der Mutterschutzrichtlinienverordnung und der daraus abgeleiteten Leitfäden zum Mutterschutz der jeweiligen Landesarbeitsschutzbehörden an die neuesten wissenschaftlich-medizinischen Erkenntnisse. Zielsetzung ist, dass der an sich sinnvolle Mutterschutz nicht faktisch zu einem Berufsverbot führt.

Die Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes und die strengen Auslegungen der Landesämter für Arbeitsschutz, wie insbesondere die der baden-württembergischen Arbeitsschutzbehörde, grenzen die Arbeitsmöglichkeiten schwangerer angestellter Ärztinnen - aber auch anderer Frauen im Gesundheitswesen, wie Arzthelferinnen, Krankenschwestern und Hebammen - durch Beschäftigungsverbote in nahezu allen Bereichen von Klinik und Praxis dramatisch ein. Dies bedeutet für eine schwangere Ärztin, dass eine geregelte Tätigkeit und Weiterbildung nahezu ausgeschlossen ist. Sichtbar wird es auch daran, dass 35 % der Ärztinnen - gegenüber 19,3 % der Ärzte - keine Gebietsbezeichnung erlangt haben. Die Konsequenz hieraus ist wiederum, dass für diese Ärztinnen eine Niederlassung praktisch ausgeschlossen ist. Hinzu kommt die Befürchtung der ärztlichen Leitung in Kliniken, dass durch übertriebene Tätigkeitsverbote für Schwangere die anfallenden Aufgaben nur unter maximaler Belastung der verbleibenden Ärztinnen und Ärzte gesichert werden können. Die gesetzlichen Vorgaben sind in vielen Punkten kontraproduktiv - insbesondere auch vor dem Hintergrund, Überregulierungen am Arbeitsplatz abzubauen, um den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken.

Gesetze anderer westeuropäischer Länder und der USA zeigen, dass Mutterschutzregelungen bei weitem nicht so restriktiv ausfallen müssen. Um wirklichkeitsfremde Empfehlungen für die Tätigkeit in Klinik und Praxis zu vermeiden, muss beispielsweise das berufliche Infektionsrisiko schwangerer und stillender Mütter, insbesondere bei Tätigkeiten mit Patientenkontakt in gewissen Abständen neu analysiert, bewertet und entsprechende Maßnahmen ergriffen werden. Dies gilt u. a. im Hinblick auf die in den vergangenen Jahren erzielten Fortschritte in der Prävention, dem technisch verbesserten Infektionsschutz am Arbeitsplatz sowie der optimierten Hygiene- und Isolierungsmaßnahmen (Gisela Enders: Infektionsgefährdung: Mutterschutz im Krankenhaus. Übersichtsarbeit. Arbeitsmed.Sozialmed.Umweltmed. 38, 6, 2000). Auch in der Anästhesie haben sich die Gesundheitsgefahren durch Inhalationsnarkosen auf Grund des Einsatzes von effizienten Absaugsystemen und von intravenösen Anästhesien deutlich verringert. Hier ist zu fordern, dass Tätigkeitsverbote durch die Betriebsärztin/den Betriebsarzt nach Arbeitsplatzbesichtigung nur entsprechend des individuellen Risikoprofils ausgesprochen werden.

Der Gesetzgeber hat in der Bundestags-Drucksache 14/8525 vom 13.03.2002 eine grundsätzliche Überarbeitung der mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbote in der nächsten, d. h. nunmehr laufenden Legislaturperiode in Aussicht gestellt.

Der Deutsche Ärztetag setzt sich ausdrücklich für den Erhalt eines sinnvollen Mutterschutzes ein, lehnt aber einen Mutterschutz, der einem Berufsverbot für Ärztinnen und für Frauen anderer Berufsgruppen im Gesundheitswesen gleichkommt, strikt ab. Unbestritten ist eine Novellierung der Mutterschutzbestimmungen notwendig. Daher appelliert der 107. Deutsche Ärztetag

·- an das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), das Mutterschutzgesetz zu novellieren und insbesondere die im Jahre 2002 vom Bundestag angekündigte Überarbeitung der mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbote für bestimmte Berufsgruppen, insbesondere für Frauen, welche im Gesundheitswesen tätig sind, auch tatsächlich anzugehen,

·- an das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und an das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) sowie die nachgeordneten Landesbehörden, zügig eine Bund-Länder-Initiative unter dem Vorsitz des BMFSFJ zu gründen, mit dem Ziel, die Mutterschutzrichtlinienverordnung zu novellieren sowie einen Leitfaden/Durchführungshinweis zum Mutterschutz im Krankenhaus und in der Arztpraxis zu erarbeiten, welcher an die neuesten wissenschaftlich-medizinischen Erkenntnisse angepasst ist. Dies soll unter dem Gesichtpunkt: „Mutterschutz soviel wie nötig und Tätigkeitsverbot so wenig wie möglich“ geschehen. Empfohlen wird, Expertinnen und Experten des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesärztekammer sowie mindestens eine Vertreterin der Ärztinnen-Gremien der Bundesärztekammer an der Erarbeitung zu beteiligen.

Ausbildung / Arzthelferinnen

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