ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
VI - 80
Auf Antrag von Frau Dr. Auerswald (Drucksache VI-80) fasst der
107. Deutsche Ärztetag folgende Entschließung:
Der Vorstand der Bundesärztekammer wird beauftragt, Empfehlungen
zur Erstellung von Gutachten oder Stellungnahmen zur (gesundheitlichen)
Rückführungsfähigkeit von Ausländern, die zur
Ausreise verpflichtet sind, zu erarbeiten. Diese ärztlichen
Gutachten/Stellungnahmen spielen im Rahmen aufenthaltsrechtlicher
Streitverfahren eine entscheidende Rolle.
In diesem Zusammenhang ist die Beschränkung einer medizinischen
Begutachtung auf bloße „Reisefähigkeit“ eindeutig
abzulehnen, da sie nicht mit den ethischen Grundsätzen ärztlichen
Handels vereinbar ist.
Der Gesetzgeber wird aufgefordert, die Grundlage dafür zu
schaffen, dass eine kompetente, umfassende und der ärztlichen
Sorgfalt entsprechende Begutachtung zu jeder Zeit der Inanspruchnahme
bei der Rückführung von Ausländern sichergestellt
wird.
Begründung:
Gesundheitliche Aspekte sind in jüngerer Vergangenheit zunehmend
in den Blickpunkt ausländerrechtlicher Verfahren geraten. Medizinische
Gutachten werden in diesem Zusammenhang vor allem von Ausländerbehörden
und Verwaltungsgerichten vermehrt angefragt.
Die Innenministerkonferenz hatte im Jahr 2002 versucht, die Ärzteschaft
im Sinne bedarfsgerechter Erstellung von Flugtauglichkeitsbegutachtungen
zu instrumentalisieren. Entsprechende Kritik wurde auf den letzten
Ärztetagen wiederholt geübt. Dennoch mehren sich Berichte
über ärztliche Beihilfe zu Abschiebungen. Diese umfasst
u. a. Flugbegleitung, Beschränkung auf die Bescheinigung von
Flugtauglichkeit - die sowohl inländische als auch Ziellandaspekte
der weiteren Versorgung kranker Menschen außer acht lässt
- und Erstellung fachlich unzureichender Gutachten, z. B.
ohne Zuhilfenahme von Fachdolmetschern, ohne Qualifikation im Bereich
Psychotraumatologie etc. (näheres hierzu s. z. B. Gierlichs,
Deutsches Ärzteblatt 2002, 2148 und 2003, 2198).
Notwendig ist deshalb eine Leitlinie, die u. a. die geforderte
fachliche Qualifikation des/der Gutachter/s (vgl. Aufforderung des
105. Deutschen Ärztetages an die Bundesärztekammer zur
Erstellung eines entsprechenden Curriculums zur Gutachtenerstellung
bei psychisch traumatisierten Flüchtlingen), die Gewährleistung
seiner Unabhängigkeit, den Ablauf einer solchen Untersuchung
und inhaltliche Forderungen an ein solches Gutachten (Fachdolmetscher,
ausführliches Gespräch, Berücksichtigung kultureller
Hintergründe; verlässliche Kenntnisse über Gesundheitswesen,
Behandlungsmöglichkeiten, sowie Behandlungs- und Lebensbedingungen
im Zielland, keine Beschränkung auf bloße Reisefähigkeit
wie z. B. Flugtauglichkeit) festschreibt. Als ein wichtiger Bestandteil
der Empfehlung wären u. a. die von der Arbeitsgruppe „Standards
zur Begutachtung psychisch reaktiver Traumafolgen“ erstellten
Standards anzusehen.
Die gegenwärtige Vorgehensweise und Inanspruchnahme, erschwert
den Zugang zu einer ausreichenden ärztlichen Beurteilung. Die
betroffenen Personen werden von dazu nicht qualifizierten Sachbearbeitern
der Ausländerbehörden unter unzureichenden Umständen
zu verbindlichen Aussagen über ihre Gesundheit befragt -
Fragen, die sie oft dort und zu diesem Zeitpunkt nicht beantworten
können. Die Betroffenen sind durch Unwissenheit über ihre
Krankheit, eine krankheitsbedingte Verdrängung (posttraumatische
Störung) oder Behinderung oder aufgrund ihrer allgemeinen Lebensumstände
(z. B. Alter) oft gehindert, die im praktizierten Verfahren zu einem
bestimmten Zeitpunkt geforderten Angaben zu machen.
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