Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe:
Meine Damen und
Herren, wir kommen zur Verleihung der Paracelsus-Medaille. Auf Beschluss
des Vorstands der Bundesärztekammer, der auf dem Deutschen Ärztetag zu
verkünden ist, werden jährlich mit der Paracelsus-Medaille Ärztinnen und Ärzte
ausgezeichnet, die sich durch erfolgreiche berufsständische Arbeit,
vorbildliche ärztliche Haltung oder hervorragende wissenschaftliche Leistungen
besondere Verdienste um das Ansehen der Ärzteschaft erworben haben.
Der Vorstand der Bundesärztekammer beschloss im Dezember 2004,
auf dem 108. Deutschen Ärztetag mit der Paracelsus-Medaille auszuzeichnen:
Herrn Professor Dr. med. Heinz Diettrich, Herrn Professor Dr. med. Jürgen Hammerstein
und Herrn Professor Dr. med. Dr. med. dent. Heinz Pichlmaier. Ich bitte die
drei auszuzeichnenden Persönlichkeiten auf die Bühne.
(Beifall)
Die Verleihungsurkunden haben folgenden Wortlaut:
Der Vorstand der Bundesärztekammer verleiht kraft dieser
Urkunde dem um die deutsche Ärzteschaft hochverdienten Heinz Diettrich
in Dresden, Prof. Dr. med. habil., Facharzt für Chirurgie und Viszeralchirurgie,
die Paracelsus-Medaille der deutschen Ärzteschaft.
Die deutschen Ärztinnen und Ärzte ehren in Heinz Diettrich
einen Arzt, Wissenschaftler, ärztlichen Berufspolitiker und
Gesundheitspolitiker, der sich in fast vier Jahrzehnten seiner ärztlichen
Berufstätigkeit, als Hochschullehrer und Leiter einer Städtischen Klinik um die
medizinische Versorgung der Patienten, beim Aufbau der Sächsischen
Landesärztekammer nach der Wiedervereinigung, die ärztliche Selbstverwaltung
und um das Gemeinwohl in der Bundesrepublik Deutschland besonders verdient gemacht
hat.
Heinz Diettrich wurde am 6. März 1940 in Adorf/Erzgebirge
geboren. Nach Besuch des Gymnasiums in Stollberg/Erzgebirge und der Ablegung
der Reifeprüfung studierte er von 1958 bis 1961 Medizin an der Universität
Leipzig und von 1961 bis 1964 an der Medizinischen Akademie Carl Gustav Carus
in Dresden. Das medizinische Staatsexamen absolvierte er 1964 in Dresden. Nach
seiner Pflichtassistenzarzt-Tätigkeit am Pathologischen Institut in
Karl-Marx-Stadt (Leiter: Dozent Dr. med. habil. Karl Krauß) begann er seine
Weiterbildung zum Facharzt für Chirurgie in Dresden, die er 1969 mit der Anerkennung
als Facharzt für Chirurgie abschloss. Die interne Struktur der Klinik in
Dresden ermöglichte Heinz Diettrich eine umfassende chirurgische Weiterbildung
in den Fächern Traumatologie, Allgemein- und Gefäßchirurgie. 1967 wurde er an
der Medizinischen Akademie Dresden unter Prof. Dr. med. habil. Ernest Stanley Strauzenberg,
Professor für Innere Medizin an der Medizinischen Akademie Dresden, zum Thema
„Über die Brauchbarkeit der gaschromatographischen Methode für die Messung des
O2- und CO2-Gehaltes in der Exspirationsluft bei Kurzstreckenbelastung
– 100-Meter-Lauf-Belastung“ zum Dr. med. promoviert.
Heinz Diettrich gehörte nach Eintritt von Prof. Dr. med.
Dr. med. h. c. Helmut Wolff in das Ordinariat für Chirurgie an der
Medizinischen Akademie Dresden zum dortigen Forscherteam
„Lebertransplantation“. Diese Jahre der intensiven Forschungstätigkeit mündeten
in die erste erfolgreiche Lebertransplantation im damaligen Ostblock. Nach der
sich frühzeitig abzeichnenden Berufung von Helmut Wolff an das neu zu
errichtende Zentrum für Chirurgie an der Charité der Humboldt-Universität zu
Berlin wurde Heinz Diettrich im Alter von 36 Jahren zum Leiter der Chirurgischen
Abteilung des Katholischen St.-Josef-Stifts in Dresden berufen. Diese
berufliche Aufgabe beendete er 1979, um sich auf dem Gebiet der Abdominalchirurgie
an der Medizinischen Akademie in Dresden, seiner ursprünglichen Ausbildungs-
und Wirkungsstätte, 1983 zum Thema „Entwicklung und tierexperimentelle
Erprobung einer pneumatischen Darmsonde zur Optimierung der Behandlung des
Dünndarmmilieus und der präventiven Dünndarmschienung“ zu habilitieren. Er
erhielt 1987 eine außerordentliche Dozentur; 1992 wurde er zum außerplanmäßigen
Professor an der Medizinischen Fakultät der Technischen Universität Dresden
berufen. Nach seiner Ernennung zum Oberarzt unter Prof. Dr. med. Dr. Helmut
Wolff an der Medizinischen Akademie Dresden hielt er mehrere Jahre eine
Vorlesung „Allgemeine Chirurgie“. In dieser Zeit entstanden auch mehrere
wissenschaftliche Veröffentlichungen zum Themenkreis „Ileus“.
Heinz Diettrich wurde 1994 durch die Stadt Dresden zum
neuen Chefarzt der Chirurgischen Klinik des Krankenhauses Dresden-Neustadt
berufen. Sein Gespür für künftige Entwicklungen und Trends veranlasste ihn,
schon frühzeitig organisatorische Regelungen im Dresdner Lehrkrankenhaus
entsprechend der fortgeschrittenen Entwicklung der Medizin anzupassen und zu
verändern, Spezialisierungen in der von ihm geleiteten Klinik zu fördern und innerhalb
der Chirurgischen Klinik fachlich selbstständige Gebiete zu unterstützen. In
einer mehrere Jahre dauernden Rekonstruktion der Chirurgischen Klinik war die
kontinuierliche Patientenbetreuung nur mit größtem persönlichen Engagement,
auch der Mitarbeiter, zu garantieren. Ihm gelang es stets, seine Mitarbeiter zu
motivieren und zu einem hohen medizinischen Versorgungsstandard anzuhalten.
Heinz Diettrich, stets parteilos, hat durch sein Vorbild
das Denken und Handeln vieler junger Ärztinnen und Ärzte geprägt und deren
berufliche Entwicklung zu verantwortungsbewussten Chirurgen gefördert. Neben
seiner umfangreichen Tätigkeit als leitender Klinikarzt und Abteilungsleiter
sowie als Präsident der Sächsischen Landesärztekammer nahm er seit 1990 mehr
als 500 Facharztprüfungen im Gebiet Chirurgie ab.
Unmittelbar nach der deutschen Wiedervereinigung im
Oktober 1990 begann sich Heinz Diettrich in außergewöhnlicher Weise
ehrenamtlich für die Interessen und die gemeinsamen Anliegen der sächsischen
Ärztinnen und Ärzte zu engagieren. Schon im Mai 1990 war er zusammen mit
anderen engagierten Streitern für die Interessen der verfassten Ärzteschaft
Gastteilnehmer beim 93. Deutschen Ärztetag in Würzburg. Die Gründung der
vorläufigen Sächsischen Landesärztekammer – 1989/1990 gab es noch kein
Sächsisches Gesundheitsministerium – erfolgte am 12. Mai 1990 in Dresden. Damit
begann in Sachsen, als erstem Bundesland in Ostdeutschland nach dem Zweiten
Weltkrieg, der Aufbau einer geordneten ärztlichen Selbstverwaltung, für die
sich viele Ärztinnen und Ärzte im Land engagierten. Dass trotz schwieriger allgemeiner
Rahmenbedingungen die neuen Strukturen rasch stabilisiert wurden, ist dem persönlichen
Verdienst von Heinz Diettrich, seiner Überzeugungs- und Integrationskraft sowie
seiner hohen fachlichen Kompetenz zu verdanken.
Heinz Diettrich wurde nicht zuletzt aufgrund dieser Pionierarbeiten
am 20. April 1991 zum ersten Präsidenten der neu gegründeten Sächsischen
Landesärztekammer gewählt. Seit dieser Zeit war er Mitglied des Vorstands der
Bundesärztekammer; er amtierte bis 1999 als Präsident der Sächsischen
Landesärztekammer. Fast zeitgleich mit der Gründung der ärztlichen
Selbstverwaltungskörperschaften wurde während seiner Präsidentschaft die Sächsische
Ärzteversorgung errichtet, die inzwischen zu einer leistungsstarken
Gemeinschaftseinrichtung der Ärztekammer gewachsen ist.
In hervorragender Weise bewährten sich die entwicklungsfähigen,
jungen Strukturen der Sächsischen Landesärztekammer bei der Ausrichtung des 96.
Deutschen Ärztetages im Mai 1993 in Dresden, den Heinz Diettrich wesentlich
mitgestaltete und der zum ersten Mal nach der Wiedervereinigung in einem der
neuen Bundesländer stattfand.
In Würdigung seines enormen, erfolgreichen berufspolitischen
Engagements erhielt Heinz Diettrich 2000 den Sächsischen Verdienstorden, den
ihm der damalige sächsische Ministerpräsident, Prof. Dr. jur. Kurt Biedenkopf,
überreichte. Der Vorstand der Sächsischen Landesärztekammer ehrte ihn im
gleichen Jahr mit der Verleihung der
Hermann-Eberhard-Friedrich-Richter-Medaille.
Heinz Diettrich initiierte in den Gründungsjahren nicht
nur eine eigenständige sächsische Schlichtungsstelle, sondern auch die Akademie
für ärztliche Aus-, Weiter- und Fortbildung des Landes Sachsen an der
Sächsischen Landesärztekammer. Während seiner letzten Amtszeit als Präsident
der Sächsischen Landesärztekammer leitete Heinz Diettrich viele Jahre lang die
Ständige Konferenz der ärztlichen Versorgungswerke, ein Fachgremium der
Bundesärztekammer.
Seiner berufspolitischen Weitsicht ist es zu verdanken,
dass bereits 1996 der Neubau eines Verwaltungsgebäudes der Sächsischen
Landesärztekammer fertig gestellt und seiner Bestimmung übergeben werden
konnte. Dabei war es stets sein Anliegen und das des Vorstands, ein
multifunktionales Gebäude zu errichten, in dem alle ärztlichen Belange „auf
einem Weg“ zu erledigen waren.
Die nach der Wiedervereinigung sehr bescheidenen räumlichen
Möglichkeiten der Hochschule für Musik „Carl-Maria-von-Weber“ in Dresden und
der Musikschulen veranlassten die Sächsische Landesärztekammer, vertragliche
Regelungen mit diesen Einrichtungen zu treffen, um für die jungen Künstler Absolventen-Konzerte
im akustisch hervorragenden Plenarsaal der Ärztekammer zu ermöglichen.
Nach Ablauf seiner zweiten Amtsperiode als Präsident
wurde Heinz Diettrich aufgrund seines hohen Engagements und seiner Verdienste
von der neuen Kammerversammlung 1999 zum Ehrenpräsidenten der Sächsischen Landesärztekammer
ernannt.
Heinz Diettrich hat sich durch seinen vier Jahrzehnte währenden
unermüdlichen Einsatz und seine vorbildliche Haltung als Arzt, Chefarzt,
Berufs- und Gesundheitspolitiker sowie als akademischer Lehrer im Fach
Chirurgie große und bleibende Verdienste um die ärztliche Versorgung der
Patientinnen und Patienten in Sachsen, um den Auf- und Ausbau einer
funktionierenden ärztlichen Selbstverwaltung, das Fach Chirurgie, die
wissenschaftliche Forschung und Lehre sowie um das Gemeinwohl in der Bundesrepublik
Deutschland verdient gemacht.
108. Deutscher Ärztetag in Berlin, 3. Mai 2005, Vorstand
der Bundesärztekammer, Präsident
(Beifall)
Der Vorstand der Bundesärztekammer verleiht kraft dieser
Urkunde dem um die deutsche Ärzteschaft hochverdienten Jürgen Hammerstein
in Berlin, Prof. Dr. med., Facharzt für Geburtshilfe und Gynäkologie, die
Paracelsus-Medaille der deutschen Ärzteschaft.
Die deutschen Ärztinnen und Ärzte ehren in Jürgen Hammerstein
einen Arzt, der durch sein Wirken als Wissenschaftler und als Pionier der
gynäkologischen Endokrinologie maßgeblich zum Verständnis hormoneller Regulationsvorgänge
beitrug und wichtige Erkenntnisse zur Entwicklung der Hormontherapien gewann,
sich um die ärztliche Weiter- und Fortbildung, um das Gesundheitswesen und um
das Gemeinwohl in der Bundesrepublik Deutschland außerordentlich verdient
gemacht hat.
Jürgen Hammerstein wurde am 19. April 1925 in Berlin
geboren. Seine Kind- und Jugendzeit verbrachte er in Berlin; er legte 1943 das
Abitur am Humanistischen Gymnasium Berlin-Friedenau ab. Nach Kriegsdienst und
Kriegsgefangenschaft (1943 bis 1946) studierte er Medizin an den Universitäten
München, Köln, Berlin und Heidelberg. Nach dem in Heidelberg bestandenen
Staatsexamen wurde er am 19. Januar 1952 in Berlin (West) zum Arzt approbiert
und im gleichen Jahr an der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg
mit dem Thema „Untersuchungen über die Verdaulichkeit verschiedener Stärkesorten
beim Säugling aufgrund quantitativer Stärkebestimmungen in der Faeces“ zum Dr.
med. promoviert.
Die Weichen für sein besonderes Interesse an der Endokrinologie
stellten sich während eines zweimonatigen Studienaufenthalts an der Frauenklinik
des Sabbadsberg-Krankenhauses/Stockholm. Als junger Arzt durfte er damals im
Hormonlabor der Klinik an der Entwicklung einer Bestimmungsmethode für Pregnandiolglucuronid
im Harn mitarbeiten. Der Einblick in das Thema weckte sein fachliches Interesse
und prägte entscheidend seine weitere berufliche Orientierung.
Von 1952 bis 1953 war Jürgen Hammerstein Pflichtassistent
am Westend-Krankenhaus der Freien Universität Berlin, bis 1955
Wissenschaftlicher Assistent am Physiologisch-Chemischen Institut der Freien
Universität Berlin bei Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Ernst Schütte und bis 1969
an der Universitäts-Frauenklinik Charlottenburg zu Berlin bei Prof. Dr. med.
Dr. h. c. Felix von Mikulicz-Radecki und Prof. Dr. med. Herbert Lax. Während
dieser Zeit wurde ihm die Leitung des Klinischen Labors und der Aufbau des
Hormonlabors übertragen. Wissenschaftlich beschäftigte sich Jürgen Hammerstein
ab diesem Zeitpunkt mit den endokrinen Ursachen von Androgenisierungserscheinungen
der Frau und intersexuellen Zwischenstufen. Außerdem widmete er den
hormonanalytischen Untersuchungen über die endokrinen Korrelationen im normalen
und gestörten Zyklus der Frau umfangreiche wissenschaftliche Arbeiten. Dieses
Forschungsgebiet bildete auch die Grundlage für seine Habilitation im Fach
Geburtshilfe und Gynäkologie im Jahr 1960, die dem erfolgreichen Abschluss
seiner Weiterbildung und der Anerkennung als Facharzt für Geburtshilfe und
Gynäkologie unmittelbar folgte. Der Titel seiner Habilitationsschrift lautete:
„Neue Erkenntnisse über die hormonalen Korrelationen im Menstruationszyklus der
Frau aufgrund von Hormonanalysen im Harn“. Seine Antrittsvorlesung hielt er zum
Thema „Der unvermutete, schnelle Tod der Mutter unter der Geburt“.
1963 arbeitete Jürgen Hammerstein zehn Monate lang am Endocrine
Laboratory, Department of Biochemistry des Jackson Memorial Hospitals der
Universität Miami/USA. Schon bald nach seiner Rückkehr nach Berlin wurde er
1964 Leiter der Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie – seit 1969
Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie, Sterilität und Familienplanung –
am Klinikum Steglitz der Freien Universität Berlin. Nach seiner Ernennung zum
Wissenschaftlichen Rat im Jahr 1965 wurde er 1966 außerplanmäßiger Professor an
der Freien Universität Berlin.
Jürgen Hammersteins wissenschaftliche und berufliche
Aktivitäten schlugen sich in mehr als 200 Publikationen über die Physiologie
des weiblichen Zyklus, die hormonale Kontrazeption, die Androgenisierung der
Frau, die Behandlung von Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch und die
Intersexualität nieder. Zu diesem Themenkreis hielt er auch zahlreiche Vorträge
im In- und Ausland. In der Reproduktionsmedizin sah er eine
ärztlich-menschliche Hilfe für Frauen, die an einer ungewünschten
Kinderlosigkeit leiden. Seine herausragenden wissenschaftlichen Leistungen
wurden unter anderem gewürdigt durch die Verleihung der Laqueur-Medaille (1975)
und der Ernst-von-Bergmann-Plakette in Würdigung seiner Verdienste um die
ärztliche Fortbildung durch die Bundesärztekammer (1993) sowie durch die Wahl
zum Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie e. V. (1979).
Nicht zuletzt durch seine Fachkompetenz und sein hohes
Ansehen im In- und Ausland und durch die nationale und internationale
Anerkennung seiner Arbeiten war er von 1972 bis 1979 Direktor des „Collaborating
Centre for Clinical Research in Human Reproduction“ der Weltgesundheitsorganisation
am Klinikum Steglitz zu Berlin, von 1976 bis 1979 Vorsitzender der Ständigen
Kommission Steroidtoxikologie der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
e. V., von 1977 bis 1980 Mitglied der Arzneimittelkommission der deutschen
Ärzteschaft, eines Fachausschusses der Bundesärztekammer, von 1978 bis 1990
stellvertretendes Mitglied des Zulassungsausschusses beim Bundesgesundheitsamt,
von 1983 bis 1995 Mitglied im Steering Committee der International Study Group for
Steroid Hormones, Rom (seit 1995 dort Ehrenmitglied). Schließlich war er von
1991 bis 1994 Vorsitzender der Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie e.
V. in Berlin.
Mehr als 20 Jahre lang leitete Jürgen Hammerstein die
Abteilung Gynäkologische Endokrinologie am Universitätsklinikum Benjamin
Franklin der Freien Universität Berlin (damals: Universitätsklinikum Steglitz).
Neben seiner umfangreichen, prägenden wissenschaftlichen
Tätigkeit übernahm er zahlreiche Aufgaben in der akademischen und ärztlichen
Selbstverwaltung, so war er unter anderem Delegierter in der Kammerversammlung
Ärztekammer Berlin. Als Vorsitzender der Gesellschaft für Geburtshilfe und
Gynäkologie e. V. in Berlin (1991 bis 1993) setzte er sich mit Erfolg für das
Zusammenwachsen der ehemals geteilten Stadt ein.
Bis heute währt sein aufopferungsvoller Einsatz in der
ärztlichen Fortbildung. Er hat sich in außerordentlicher Weise für den Auf- und
Ausbau der ärztlichen Fortbildungsinstitutionen in Berlin verdient gemacht, in
deren Mittelpunkt ein interdisziplinärer Austausch stand und steht. Seine
Lebensaufgabe sieht Jürgen Hammerstein in der Förderung der überregionalen
ärztlichen Fortbildung, nachdem er im Jahr 1988 zum Geschäftsführer der Kaiserin-Friedrich-Stiftung
für das ärztliche Fortbildungswesen, Berlin, gewählt worden war. Er setzte sich
in dieser Eigenschaft gegen viele politische und bürokratische Widerstände
durch und erzielte die Rückübertragung des Kaiserin-Friedrich-Hauses in die
ursprünglichen Besitzerhände. Die ärztliche Fortbildung bekam dadurch eine neue
Heim- und Wirkungsstätte am Robert-Koch-Platz in Berlin-Mitte. Auch in diesem
Zusammenhang leistete Jürgen Hammerstein einen sichtbaren Beitrag für das
Zusammenwachsen Ost- und Westberlins, indem er die ärztliche Fortbildung in die
Mitte der Stadt platzierte.
Im Rahmen der vielseitigen Programme und Fortbildungsveranstaltungen
förderte Jürgen Hammerstein besonders die interdisziplinären Symposien für
Juristen und Ärzte, die zu einer besseren Verständigung der beiden Berufsgruppen
beigetragen haben.
Sein besonderes Interesse gilt der Fortsetzung und dem
Ausbau der Beziehungen zu der Jinan-Universität Guangzhou und der Tongji-Universität
Wuhan in der Volksrepublik China. Die Aufnahme persönlicher Kontakte war und
ist hierbei eines seiner wichtigsten persönlichen Anliegen. Mit der Verleihung
von Ehrenprofessuren an den beiden chinesischen Universitäten fanden seine
Bemühungen eine herausragende Anerkennung. Für seine Verdienste um die
ärztliche Fortbildung und das Gesundheitswesen wurde Jürgen Hammerstein 1998
mit der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse des Verdienstordens der
Bundesrepublik Deutschland geehrt.
Jürgen Hammerstein hat sich durch seinen unermüdlichen
vorbildlichen Einsatz als Arzt, Wissenschaftler und Hochschullehrer, als
Pionier der gynäkologischen Endokrinologie, als Universitätsprofessor, als
Geschäftsführer der Kaiserin-Friedrich-Stiftung für das ärztliche Fortbildungswesen,
Berlin, als Vorsitzender wissenschaftlicher Fachgesellschaften um die ärztliche
Versorgung, die Aus-, Weiter- und Fortbildung, die Wissenschaft, die
Gynäkologie, die Gesundheitspolitik und die Selbstverwaltung in der
Bundesrepublik Deutschland in hervorragender Weise verdient gemacht.
108. Deutscher Ärztetag in Berlin, 3. Mai 2005, Vorstand
der Bundesärztekammer, Präsident
(Beifall)
Der Vorstand der Bundesärztekammer verleiht kraft dieser
Urkunde dem um die deutsche Ärzteschaft hochverdienten Heinz Pichlmaier
in Köln, Prof. Dr. med. Dr. med. dent., Facharzt für Chirurgie, die
Paracelsus-Medaille der deutschen Ärzteschaft.
Die deutschen Ärztinnen und Ärzte ehren in Heinz Pichlmaier
einen Arzt, der sich in 40 Jahren seines aktiven Berufslebens um die medizinische
Versorgung der Patienten, um die Wissenschaft, die Forschung und Lehre und vor
allem durch seine engagierte Tätigkeit auf dem Gebiet der Palliativmedizin, der
Ethik in der Medizin sowie der Behandlungsfehlerbegutachtung um die ärztliche
Selbstverwaltung, das Gesundheitswesen und um das Gemeinwohl in der
Bundesrepublik Deutschland verdient gemacht hat.
Heinz Pichlmaier wurde am 10. November 1930 als Sohn des
Arztes und Zahnarztes Karl Pichlmaier in München geboren. Er besuchte nach der
Volksschule von 1940 bis 1948 das Theresien-Gymnasium in München. Nach Ablegung
der Reifeprüfung im Jahr 1948 begann er 1949 ein kombiniertes Studium der Zahn-
und Humanmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München. 1953 wurde er
mit seiner Dissertation „Über den Einfluss der Atemtechnik und anderer
Nebenbedingungen auf die Resorption von Aerosolen in den gesunden und kranken
Atemwegen“ zum Dr. med. dent. promoviert. 1957 wurde er mit der Dissertation
„Ein Beitrag zum Krankheitsbild und zur Behandlung des Paraffinoms“ zum Dr.
med. promoviert.
Heinz Pichlmaier begann 1957 seine Weiterbildung als
Medizinalassistent in München, zunächst an der Medizinischen Universitätsklinik
unter der Leitung von Prof. Dr. med. Gustav Bodechtel, dann an der
Universitäts-Frauenklinik (Direktor: Prof. Dr. med. Werner Bickenbach) sowie
anschließend bei Prof. Dr. med. Emil Karl Frey an der Chirurgischen
Universitätsklinik. Während seiner Assistenzarzttätigkeit von 1959 bis 1966 an
der Chirurgischen Universitätsklinik war er zunächst Wissenschaftlicher
Assistent von Prof. Frey, einem Schüler Sauerbruchs. Seine chirurgische
Weiterbildung absolvierte er teils auch unter der Leitung des nachfolgenden
Prof. Dr. med. Rudolf Zenker. Die Approbation als Arzt wurde ihm am 8. Januar
1960 erteilt.
In den Jahren 1960/1961 unterbrach er für mehrere Monate
seine Medizinalassistentenzeit, um am St. Marks Hospital in London die dortige
Dickdarm-Chirurgie zu studieren. Von 1963 bis 1964 war er zwischenzeitlich
tätig in der von Prof. Zenker 1962 geschaffenen Abteilung für Experimentelle
Chirurgie (unter der Leitung von Prof. Dr. med. Walter Brendel), aus der 1969
der Lehrstuhl für Chirurgische Forschung hervorging. Dort erlernte er nicht nur
die moderne biologische Untersuchungstechnik, sondern wurde auch in die
Methodik und Problematik der Transplantationen, ihre Schwierigkeiten sowie der
Immunsuppression eingeführt.
Nach Erlangung der Anerkennung als Facharzt für Chirurgie
im Jahr 1964 folgte 1965 seine Habilitation für das Fach Chirurgie mit einer
experimentellen Arbeit für „Die Bedeutung der Lymphozyten für die
Homotransplantation“.
1966 wurde Heinz Pichlmaier zum wissenschaftlichen
Oberassistenten der Chirurgischen Universitäts-Klinik München ernannt; er
leitete die Abteilung für Allgemeinchirurgie und Thoraxchirurgie. In den Jahren
1966 bis 1967 widmete er sich dem Aufbau einer aseptischen Transplantationseinheit.
Zur gleichen Zeit beschäftigte er sich intensiv mit der Nierentransplantation,
zu deren Pionieren er in Deutschland gehört. Im Jahr 1967 konnte er durch ein
Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft elf Universitäten in den USA
und Kanada besuchen, um die Fortschritte der angloamerikanischen Chirurgie
kennen zu lernen.
Im März 1971 wurde Heinz Pichlmaier zum außerplanmäßigen
Professor ernannt. 1972 ging er für einen Studienaufenthalt nach Paris zu Prof.
Dr. med. Jean-Louis Lortat-Jacob, um die dortige Ösophaguschirurgie zu
studieren. 1972 trat Pichlmaier der „European
Parathy-roid-Hormon-Study-Group“ in Basel bei. Kurz darauf wurde er mit der Organisation einer
Abteilung für Nierentransplantation beauftragt, die er auch leitete. In einem
seiner weiteren chirurgischen Schwerpunktbereiche, dem Gebiet der Ösophaguschirurgie,
zählt er Anfang der 70er-Jahre zu den Pionieren in Deutschland.
1974 folgte Heinz Pichlmaier dem Ruf an die Universitätsklinik
Köln und übernahm dort den Lehrstuhl für Allgemeine Chirurgie als Nachfolger
von Prof. Dr. med. Georg Heberer, der auf einen Lehrstuhl für Chirurgie der
Ludwig-Maximilians-Universität München berufen wurde. Gleichzeitig wurde er zum
Direktor der Chirurgischen Universitätsklinik der Universität zu Köln ernannt.
Von 1979 bis 1981 war Heinz Pichlmaier Vorsitzender der Ethikkommission der
Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln. In den darauf folgenden Jahren
1981/1982 war er Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln.
Schwerpunkte seiner Arbeit waren auf dem Gebiet der
Thoraxchirurgie die Chirurgie der Speiseröhre, Luftröhre und der Lunge und auf
dem Gebiet der Bauchchirurgie die Chirurgie der Leber. Ferner widmete er sich
der Transplantationschirurgie, insbesondere der Nierentransplantation sowie der
Gefäßchirurgie. Letzteres Gebiet, das unter dem Ordinariat von Prof. Dr. med.
Georg Heberer (1974 – 1996) aufgebaut wurde, konnte von ihm kontinuierlich
weiterentwickelt werden, sodass die Gefäßchirurgie an der Universität zu Köln
eine besondere Tradition erlangt hat.
Neben der Chirurgie war die Palliativmedizin Heinz Pichlmaier
ein besonderes Anliegen. Im April 1983 wurde unter seiner Leitung innerhalb der
Klinik für Chirurgie der Universität zu Köln die erste Station für palliative
Therapie in der Bundesrepublik Deutschland eingerichtet. In dieser
Fünf-Betten-Modellstation im Bettenhochhaus der Universitätskliniken wurden
erstmalig in Deutschland unheilbar kranke Patienten im weit fortgeschrittenen, progredienten
Krankheitsstadium mit begrenzter Lebenserwartung stationär und
ganzheitlich-individuell behandelt und begleitet. Durch aktives
palliativmedizinisches Handeln in Form von individueller Pflege,
Schmerztherapie, Symptombehandlung und psychosozialer Betreuung konnte für
unheilbar an Krebs erkrankte Patienten eine Lebensperspektive entwickelt und
Verbesserung der Lebensqualität erreicht werden.
1984 wurde die Behandlungseinheit durch die Einrichtung
eines Hausbetreuungsdienstes zur Betreuung von Schwerkranken und Sterbenden zu
Hause und die Einrichtung eines Bildungsforums Chirurgie zur Verbreitung der
Ideen und Erfahrungen im Palliativbereich der Medizin ergänzt. Alle drei
Einrichtungen waren Förderprojekte der Deutschen Krebshilfe. In den folgenden
Jahren widmete sich Heinz Pichlmaier der Planung eines Zentrums für Palliativmedizin
auf dem Gelände des Universitätsklinikums. 1992 konnte durch Unterstützung der
Deutschen Krebshilfe e. V. die Palliativeinheit aus den räumlich sehr bescheidenen
Umständen in das neu erbaute Dr. Mildred Scheel-Haus für Palliativmedizin
umziehen. Heute beherbergt das Dr. Mildred Scheel-Haus eine erweiterte
Palliativstation mit 15 Patientenbetten, einen Ambulanztrakt, den Hausbetreuungsdienst
sowie die 1993 von Heinz Pichlmaier gegründete Dr. Mildred Scheel-Akademie für
Forschung und Bildung, die die Aufgaben des Bildungsforums übernahm.
Die vorbildliche Organisation der Kölner Einrichtung
wurde zum Muster für alle weiteren palliativmedizinischen Projekte.
Mittlerweile wurden bundesweit Palliativstationen (nahezu 100), Hospize und
Hausbetreuungsdienste etabliert. Das von Heinz Pichlmaier initiierte Projekt
wurde 2004 durch die von der Deutschen Krebshilfe geförderte Einrichtung einer
Stiftungsprofessur an der Universität zu Köln konsequent fortgeführt. Zum
Wintersemester 2004/2005 wurde der Lehrstuhl für Palliativmedizin mit dem
heutigen Klinikdirektor der Klinik und Poliklinik für Palliativmedizin (Dr.
Mildred Scheel-Haus), Prof. Dr. med. Raymond Voltz, besetzt.
Im Juli 1994 gründete Heinz Pichlmaier die Deutsche Gesellschaft
für Palliativmedizin e. V. (DGP), deren Präsident er von 1994 bis 1998 war. Er
ist Herausgeber des Buches „Palliative Krebstherapie“ (mit J. M. Müller und I.
Jonen- Thielemann) sowie Herausgeber und Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat
der „Zeitschrift für Palliativmedizin“.
1994 wurde Heinz Pichlmaier zunächst als stellvertretendes
Mitglied für das Gebiet Chirurgie in die Gutachterkommission für ärztliche
Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein berufen. In dieser Funktion
zeichnet er seit September 1996 als stellvertretendes geschäftsführendes
Kommissionsmitglied für die Erteilung einer Vielzahl gutachtlicher Bescheide
zur Klärung der Frage verantwortlich, ob ein von dem Patienten geltendgemachter
Gesundheitsschaden auf eine fehlerhafte ärztliche Behandlung zurückzuführen
ist. Seit Beginn der 7. Amtsperiode der Gutachterkommission am 1. Dezember 1999
wirkt Heinz Pichlmaier als Mitglied für das Gebiet Chirurgie auch
verantwortlich an den Entscheidungen der Gesamtkommission mit, die abschließend
über die von Verfahrensbeteiligten vorgebrachten Einwendungen gegen die gutachterlichen
Erstbescheide befindet.
1995 wurde Heinz Pichlmaier zum Vorsitzenden der Zentralen
Kommission zur Wahrung ethischer Grundsätze in der Medizin und ihren
Grenzgebieten (Zentrale Ethikkommission) bei der Bundesärztekammer berufen. Im
Juli 1995 nahm die Kommission als ein in seiner Meinungsbildung und Entscheidungsfindung
unabhängiges und multidisziplinär zusammengesetztes Gremium ihre Arbeit auf.
Die Mitglieder der Kommission repräsentieren die medizinischen und weiteren
wissenschaftlichen Fachrichtungen. Aufgabe der Zentralen Ethikkommission war
und ist insbesondere die Abgabe von Stellungnahmen zu ethischen Fragen, die
durch den Fortschritt, die technologische Entwicklung in der Medizin und ihren
Grenzgebieten und die Gesetzgebung aufgeworfen werden und die eine gemeinsame
Antwort erfordern.
Seit ihrer Begründung hat die Kommission in drei Amtsperioden
unter dem Vorsitz von Heinz Pichlmaier (bis 2004) neun Stellungnahmen und
Erklärungen zu acht Themen verfasst, unter anderem zum „Schutz nicht
einwilligungsfähiger Personen in der medizinischen Forschung“ (1997), zur
Stammzellforschung (2002) und zur „Forschung mit Minderjährigen“ (2004).
Seinem Engagement ist es zu verdanken, dass sich dieses
interdisziplinäre und durch Pluralität geprägte Gremium zu wichtigen und
existenziellen Fragen auf abgewogene und substanzielle Stellungnahmen
verständigen konnte. Durch diese Konzepte ist die Zentrale Ethikkommission als
eine jener wichtigen Institutionen wahrgenommen worden, die konstruktiv
versuchen, einem öffentlichen Diskurs über gesellschaftlich umstrittene Fragen
zu entsprechen.
Heinz Pichlmaier ist Mitglied zahlreicher deutscher und
ausländischer Fachgesellschaften. 1971 wählte man ihn in Mexico City zum Honorary
fellow der Internationalen Gesellschaft für Proktologie. Von 1971 bis 1974 war
er im Vorstand des Sonderforschungsbereichs Nr. 37 („Restitution und
Substitution innerer Organe“) der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Er war
Mitglied des Auswahlausschusses der Alexander-von-Humboldt-Stiftung
(1985 –2000) und wurde 1986 zum Ehrenmitglied der Deutschen Röntgengesellschaft
ernannt. Ferner war er Mitglied des Auswahlausschusses (1986 – 1995)
und des Apparateausschusses (1994 – 1997) der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
Von 1989 bis 2003 war er Kuratoriumsmitglied und Mitglied des Medizinischen
Beirates der Deutschen Krebshilfe. 1994 wurde er zum Ehrenmitglied der
Humboldt-Universität zu Berlin ernannt. Von 1991 bis 1995 war er Herausgeber
des Zentralblattes für Chirurgie, von 1994 bis 2004 Fachredakteur für Chirurgie
des Deutschen Ärzteblattes.
Heinz Pichlmaier hat mehr als 470 Publikationen in Fachzeitschriften
sowie zahlreiche Buchbeiträge veröffentlicht. Unter anderem ist er Herausgeber
des Bandes „Thoraxchirurgie der Kirschnerschen allgemeinen und speziellen
Operationslehre“ (mit F. W. Schildberg). Als Mitglied der Expertengruppe der
Chirurgischen Arbeitsgemeinschaft für Onkologie hat er ferner bei der
Erstellung von interdisziplinären Leitlinien der Deutschen Krebsgesellschaft
und der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie mitgewirkt. Im Mai 1996 gab Heinz Pichlmaier
seine Tätigkeit auf und trat in den Ruhestand.
Heinz Pichlmaier hat sich durch seine vorbildliche
Haltung als Arzt, Kliniker, Wissenschaftler und akademischer Lehrer, als
Pionier der nationalen Palliativbewegung, Mitglied einer Gutachterkommission
sowie Vorsitzender der Nationalen Ethikkommission um die ärztliche Versorgung,
das Gesundheitswesen, die ärztliche Selbstverwaltung und um das Gemeinwohl in
der Bundesrepublik Deutschland in hervorragender Weise verdient gemacht.
108. Deutscher Ärztetag in Berlin, 3. Mai 2005, Vorstand
der Bundesärztekammer, Präsident
(Beifall)
Prof. Dr. Hammerstein: Herr Präsident! Sehr
geehrte Damen und Herren des Vorstands! Die uns soeben mit der Verleihung der
Paracelsus-Medaille zuteil gewordene Ehre erfüllt uns mit großer Dankbarkeit.
Doch bei aller Freude über die damit zum Ausdruck kommende öffentliche
Anerkennung unseres beruflichen Engagements wollen wir uns doch nichts
vormachen: Zahllose nicht so im Rampenlicht der öffentlichen Wahrnehmung stehenden
Ärzte sind ungeachtet immer schwieriger werdender Arbeitsbedingungen mit hohem
Einsatz ebenso täglich um die Erfüllung ihres ärztlichen Auftrags bemüht, nicht
nur in fachlich-kurativer, sondern auch in karitativ-mitmenschlicher Hinsicht,
oft auch in der ärztlichen Selbstverwaltung und/oder bei der Wahrnehmung von
Ehrenämtern innerhalb der Ärzteschaft bzw. an den Schnittstellen zu der
Gesellschaft.
Allen diesen Ärzten gebührt unsere besondere Anerkennung.
Ihnen insgesamt ist es zu verdanken, dass wir Ärzte in der demoskopischen
Beliebtheitsskala immer noch eine Spitzenposition unter den Berufen einnehmen –
und das nun schon seit 50 Jahren, solange ich als Arzt denken kann –, trotz
zunehmender staatlicher Reglementierung und trotz immer wieder überbordender
Kampagnen gegen einzelne Ärzte, spezielle Arztgruppen bzw. die Ärzteschaft
insgesamt.
Aber wie lange noch? Wie lange kann der breiten Öffentlichkeit
noch eine heile medizinische Welt vorgetäuscht werden – außer in Arztfilmen,
versteht sich –,
(Beifall)
hat doch die Attraktivität unseres Berufes bei Insidern, also Studienbeginnern,
im Laufe der letzten Jahre unter dem Eindruck der Auswirkungen gesundheitspolitischer
Maßnahmen bereits beängstigende Einbrüche erlebt. Indizien dafür gibt es genug:
eher weniger als mehr Medizinstudenten, zunehmende Abbruchquoten schon während
des Medizinstudiums, das Ausweichen auf patientenfreie ferne Berufe nach dem
Examen, die Bevorzugung ärztlicher Tätigkeiten im Ausland wegen besserer
Arbeitsbedingungen dort.
Überwiegend ist das alles eine Folge der Konfrontation mit der
ärztlichen Wirklichkeit schon während des Studiums. A la longue stehen uns da
schwerwiegende Konsequenzen ins Haus. Aber schon jetzt haben wir Grund zur
Besorgnis: Wir haben schon jetzt eine zunehmende Überalterung der Ärzteschaft
infolge fehlenden Nachwuchses, schon jetzt einen immer deutlicher werdenden Ärztemangel
in den neuen Bundesländern, insbesondere auf dem flachen Land – schon jetzt
gibt es 230 vakante Kassenarztsitze allein in Brandenburg –, schon jetzt haben
wir zunehmende Besetzungsprobleme bei freien Arztstellen, selbst in Kliniken.
Das sind doch Alarmzeichen, die die Gesundheitspolitiker und
Ökonomen aufschrecken und zur Abwendung noch größerer Fehlentwicklungen auf den
Plan rufen müssten. Aber statt gegenzusteuern wird die Ökonomisierung, die Verbürokratisierung
und die Verrechtlichung des Gesundheitswesens weiter vorangetrieben.
(Beifall)
Wenn dieser Entwicklung kein Einhalt geboten wird, werden sich
die Patienten an immer längere Wartezeiten für Arzttermine, an immer weitere
Wege zur nächsten Praxis bzw. Klinik – gerade auf dem flachen Land – und nicht
zuletzt auch an eine Betreuung durch überlastete Burn-out-Ärzte gewöhnen
müssen. Hausbesuche durch den Hausarzt – das gehört dann der Vergangenheit an.
Im wahrsten Sinne verschaukelt vorkommen müssen sich vor allem
jene Ärzte der ehemaligen DDR, die 1990 den Übergang von der staatlichen Reglementiererei
in die ärztliche Selbstverwaltung aus innerster Überzeugung begrüßt haben und
die sich – wie der heute hier mit uns zusammen ausgezeichnete Professor Diettrich
in Dresden – um die Wiederherstellung des freien Arztberufes in vorderster
Linie verdient gemacht haben. Sie müssen jetzt erleben, wie das Pendel
zurückschlägt und staatliche Reglementierungssucht, das Wiederauferstehen der
Poliklinik unter neuem Etikett und selbst die Verwaltung des Mangels erneut das
berufspolitische Bild beherrschen.
(Beifall)
Der Arzt: Angehöriger eines freien Berufes? – Das war einmal.
Wir Älteren können uns noch gut daran erinnern. Über dem gegenwärtigen
Rationalisierungsgebot im Gesundheitswesen haben die verantwortlichen Politiker
und Gesundheitsökonomen den kurativ tätigen Arzt offenbar ganz aus den Augen
verloren. Der Arzt, der heute zurechtkommen will, muss nach ökonomischen
Maximen handeln, wenn er beruflich überleben will, auch wenn seine Hinwendung
zum kranken Menschen allein schon aus Zeitgründen auf der Strecke bleiben muss.
Lassen Sie mich mit einem Ausspruch von Professor Diettrich
schließen: Von der Politik gewollter ökonomischer Wettbewerb duldet keine
Nächstenliebe.
Nochmals ganz herzlichen Dank für die Auszeichnung mit der
Paracelsus-Medaille.
(Beifall)
(Musikalische Umrahmung:
Johann Sebastian Bach – Präludium und Fuge;
Antonio Vivaldi – Allegro)
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