TOP I: Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik

1. Tag: Dienstag, 3. Mai 2005, nur Nachmittagssitzung

Dr. Schüller, Nordrhein:
Herr Präsident, auch von mir herzlichen Dank für die Rede. Sie enthielt wirklich alles, was notwendig war. Die Ministerin konnte, glaube ich, nicht so sehr aus sich herausgehen, denn bei uns in Nordrhein-Westfalen ist in drei Wochen Landtagswahl. Sie hatte mit Sicherheit einen Maulkorb und durfte die Wogen nicht hochgehen lassen.

Ich habe mich sehr gefreut, dass ich in der Rede des Präsidenten hinsichtlich der Prävention erwähnt wurde. Es wird gleich noch ein Antrag von Herrn Rohde, Herrn Sülz und mir zur Prävention und deren Implementierung in den Schulunterricht kommen. Damit ist nicht gemeint, dass an allen Schulen laufend ein Gesundheitsunterricht stattfinden soll. Vielmehr sollen in den laufenden Unterricht gesundheitsrelevante Daten und Fakten einbezogen werden, damit eine entsprechende Aufklärung erfolgt. Die Schulzeit und vielleicht auch schon die vorhergehende Kindergartenzeit sind wichtige Abschnitte, in denen wir alle in der Bevölkerung erreichen können, bevor sie mit wachsendem Alter sich verteilen. Ich bitte Sie, diesen Antrag zu unterstützen.

Ein weiterer Punkt, der mir grundsätzlich am Herzen liegt – auch damit knüpfe ich an die Rede des Präsidenten an –, ist die Frage nach Freiheit und Verantwortung. Wir sagen immer: Die Ärzteschaft hat einen freien Beruf, den freien Arztberuf. Wenn Freiheit im Wesentlichen bedeutet, Verantwortung zu übernehmen, dann ist das sicher ein richtiger Aspekt. Wenn Freiheit aber gleichzeitig auch bedeutet, dass man in der Ausübung des Berufs durch eine Programmmedizin und Ähnliches so eingeschränkt wird und so vorgeschrieben bekommt, was zu tun ist, man dafür aber anschließend die persönliche Verantwortung übernehmen soll, dann ist das mit dem freien Beruf nicht mehr vereinbar.

Ich glaube, dass wir als Ärzteschaft sehr lange geschlafen haben. Wir haben sogar uns selber solche detaillierten Programme für die Praxis und die Klinik gegeben. Es ist sicher richtig, dass wir eine ordentliche Fortbildung betreiben und uns um eine gute Weiterbildung kümmern müssen, damit wir auf dem jeweiligen Stand der Wissenschaft sind und unseren Patientinnen und Patienten gegenüber eine gute und verantwortbare Medizin betreiben. Was wir heute erleben – und das kommt aus der Ärzteschaft und nicht aus der Politik –, nämlich eine so genannte moderne Medizin, eine strukturierte Medizin usw., ist zum Teil hanebüchen. Ich bin niedergelassener Hausarzt und Internist in Düsseldorf. Bei mir stehen am Anfang des Quartals durchaus 30, 40 Leute an der Rezeption, wollen ihre Karte abgeben und ihre Überweisungen abholen. Das bedeutet pro Tag 150 bis 200 Überweisungen. Wer allen Ernstes glaubt, dass ich diese Leute alle untersuche, um festzustellen, ob sie nun genau zu diesem oder zu jenem Facharzt müssen, irrt sich. Wer so tut, als sei es so, sagt sicher nicht die Wahrheit. Das ist keine strukturierte Medizin, sondern Selbstbetrug an uns Ärzten.

(Beifall)

Hier geht es auch um einen Teil des Aufgabenbereichs eines freien Berufs. Wir lassen uns in Schemata pressen, die wir angeblich erfüllen müssen, aber anschließend kommt nichts anderes dabei heraus, als dass die Kassen das Geld besser unter sich aufteilen können. Wenn wir als Ärzteschaft so weitermachen, sägen wir den Ast, auf dem wir sitzen, selber ab. Verantwortung können wir nur übernehmen, wenn wir nur das verantworten müssen, was wir zuvor selber frei entschieden haben.

Danke.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe:
Vielen Dank, Herr Schüller. Der nächste Redner ist Herr Kollege Lob aus Bayern.

 

© 2005, Bundesärztekammer.