TOP I: Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik

1. Tag: Dienstag, 3. Mai 2005, nur Nachmittagssitzung

Prof. Dr. Lob, Bayern:
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Präsident, Sie haben in einer wunderbar ziselierten Rede die Sorgen angesprochen, die wir alle haben. Ich hatte den Eindruck, Frau Schmidt hatte auch in den letzten Jahren einen Maulkorb, denn die Rede, die sie dieses Jahr gehalten hat, war ähnlich der wie in den Vorjahren. Da gibt es Allgemeinplätze, die inakzeptabel sind und die die Not, die besteht, nicht beschreiben.

Ich möchte auf das eingehen, was Sie, Herr Präsident, ganz klar formuliert haben: die Sorge um den Weggang der jungen Ärzte und die Perspektive, dass wir zukünftig in Deutschland zu wenig Ärzte haben werden.

Frau Schmidt hat das nivelliert, indem sie das als Strukturproblem von Mecklenburg-Vorpommern klassifiziert und gesagt hat: In Wirklichkeit haben wir ja genügend Ärzte. Sie liest offensichtlich die Studien aus ihrem eigenen Haus nicht. Ich habe hier die dicke Studie aus dem Ministerium, bei der es um die Frage geht: Gibt es in Deutschland einen Ärztemangel? Wohin steuern wir? In dieser Studie ist absolut klar definiert: Es gibt bereits einen Ärztemangel und der Ärztemangel wird sich verstärken. Es ist dort auch definiert, warum sich der Ärztemangel verstärken wird – wir kennen zwar alle die Ursache, aber es ist ja gut, wenn das vom Ministerium so klar herausgegeben wird –, nämlich aufgrund der finanziellen Situation. Wenn man die laufende Entwicklung verfolgt, stellt man fest, dass alles, was in der ministeriellen Studie aufgeführt ist, im Tarifvertrag zur Vertreibung der Ärzte verwirklicht ist. Die Familienkomponente soll herausgenommen werden. Es gibt keine zusätzliche Bezahlung für die Familie, für Kinder schon gar nicht. Wer eine Familie hat, ist schlechter gestellt.

Zur Weiterbildung: Wir wollten die Qualifikation verbessern, die Spezialisierung ermöglichen. Es ist eingebaut, dass man von einer Stelle zur anderen wechseln soll. Das war der Wunsch des Ärztetages, von uns allen. Wenn man von einer klinischen Stelle auf die andere wechselt, kann es passieren, dass man beim Gehalt in die Ausgangsposition zurückgestuft wird. Das bedeutet, je besser die Weiterbildung, desto schlechter die Bezahlung. Das soll nach dem Tarifvertrag so kommen.

Ich will hier jetzt nicht die Details ausführen. Das wird alles hinter verschlossenen Türen verhandelt. Es heißt, man könne da keinen Einfluss nehmen, bis alles festgezurrt ist. Anschließend war es niemand, aber es erfolgen Schuldzuweisungen. Das wird die jungen Ärzte vertreiben.

Es gibt auch wunderbare Daten aus den Universitäten. Dort läuft nämlich ein ähnlicher Prozess ab. Wenn der Wissenschaftsrat fordert, man müsse den Fokus mehr auf Lehre und Forschung richten und die Krankenversorgung zurückführen, dann bedeutet dies im Klartext, dass Abteilungen und Kliniken geschlossen werden. Wenn Betten wegfallen, ist die Zahl der Studienplätze zu verringern.

In der Studie aus dem Ministerium ist klar aufgeführt: Wir brauchen mehr Medizinstudenten. Wenn aber die Universitäten zurückgefahren werden, werden wir weniger Studienplätze haben. Es handelt sich hier also um ein Potpourri zur Vertreibung junger Ärzte.

(Beifall)

Das ist unsere Zukunft, darüber müssen wir jetzt beraten, und zwar möglichst schnell und mit klarer Zielrichtung, denn diese Lawine, die losgetreten ist, wird uns in zehn, 15 oder 20 Jahren beschäftigen, wie man es am Beispiel Großbritanniens deutlich sieht. Hier ist eine Aufgabe für den Ärztetag.

Besten Dank.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe:
Vielen Dank, Herr Lob. Als nächster Redner Herr Kollege Albers aus Berlin.

 

© 2005, Bundesärztekammer.