Zimmer, Nordrhein: Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Ihre Rede, Herr Professor Hoppe, war wunderbar. Sie
hat mich an jeder Stelle da angerührt, wo mir der Puls wahrscheinlich höher
gegangen ist als Ihnen. Eines ist mir allerdings entgangen, was ich bei den
Kolleginnen und Kollegen in den letzten Monaten draußen erlebe: Es gibt an der
Basis wie vielleicht bei uns selber ein unendliches Ohnmachtsgefühl. Das kam in
Ihrer Rede nicht so sehr zum Ausdruck. Bisher standen wir eher in dem Ruf: Wir
sind Funktionäre und machen, was wir wollen. Die Aussagen in vielen Gesprächen
mit den Kollegen, die ich in den letzten Monaten geführt habe, sind anders
geworden. Jetzt heißt es: Die können machen, was sie wollen, es hilft sowieso
nichts mehr!
Wir sind also längst im Bewusstsein auch unserer eigenen
Kollegen in die Dimension der Hilflosigkeit abgerutscht. Ich glaube: Nichts
geschieht ohne Grund. Ich habe es immer ganz gern, wenn es um so harte Dinge
geht wie die von Ihnen angesprochene Berufsverhinderungsprogrammatik. Hermann
Josef Abs hat immer die Frage gestellt: Wem ist es nutze? Also frage auch ich:
Wem ist es nutze, dass eine Rationierung an sächlichen Dingen immer weiter um
sich greift? Wem nutzt es eigentlich, demotivierte und demoralisierte Ärzte im
Krankenhaus, in der Praxis und im öffentlichen Gesundheitsdienst zu schaffen?
Wem nutzt das vorzeitige Ausscheiden von immer mehr jungen Ärzten aus dem
Beruf, bevor sie ihn überhaupt richtig ergriffen haben? Wem nutzt es
eigentlich, wenn immer mehr erfahrene Ärzte schon vor dem vorgesehenen
Ruhestand aus ihrem Beruf ausscheiden? Wem nutzt es eigentlich, wenn wir mit
immer mehr Verwaltungsakten immer mehr ärztliche Arbeitszeit vom Patienten
abziehen, um sie in Verwaltung umzumünzen?
Für mich gibt es dazu nur eine einzige allumfassende
Erklärung, die unser anwesender Ehrenpräsident, Herr Professor Vilmar, schon
vor Jahren mit dem „Unwort des Jahres“ zum Ausdruck gebracht hat.
Machen wir uns bewusst, dass die Liquiditätsreserven der
Rentenversicherung nur noch wenige Wochen oder Monate reichen, dann endet an
dieser Stelle unsere Ohnmacht, dann bekommen wir Macht. Wir können
dagegenhalten, die Lebenserwartung als harten Endpunkt ärztlichen Handelns
weiter steigen zu lassen. Dann üben wir Macht gegenüber denjenigen aus, die
vielleicht darauf spekulieren, mit der vorhin angesprochenen Rationierung und
Demoralisierung könnten sie uns von unserer vorzüglichen Arbeit, die wir mit
Freude erledigen, abbringen. Wir sollten uns wehren. Das schafft schlaflose
Nächte nicht mehr bei uns, die wir über Budgets und Praxisbedrohung nachdenken,
sondern es schafft vielleicht schlaflose Nächte bei Sozialpolitikern. Ich würde
dies gern tun.
Wir sollten das auch gar nicht nur auf dem hohen moralischen
Level sehen. Denken wir einfach mal darüber nach: Wir sind die Alten der
Zukunft. Die Studenten von heute sind die Ärzte von morgen. Die Ärzte von
morgen sind unsere Behandler. Deren Wertmaßstäbe und Ressourcen müssen wir
heute freikämpfen. Das kommt uns zugute.
Steigen wir also nicht auf das hohe moralische Ross, sondern
steigen wir ein und tun was!
Danke schön.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen
Dank, Herr Zimmer. Ich darf mich ja nicht zum Inhalt äußern, aber den Ausdruck
„Funktionäre“ mag ich nicht so richtig. Er bedeutet, dass diejenigen, die so
benannt werden, Funktionierende sind, die das ausführen, was andere ihnen
gesagt haben. Herr Dr. Panteleev und Herr Dr. Resnikov werden mir bestätigen:
Auf Russisch heißt „Funktionär“ „Apparatschik“. Ich glaube, damit wird ganz
klar, was gemeint ist: Wir sind keine Funktionäre, sondern Mandatsträger.
Unsere Kolleginnen und Kollegen haben uns beauftragt und gewählt, damit wir
ihre Interessen so gut wie möglich vertreten. Wir sollen aber nicht wie ein
Apparatschik funktionieren, indem wir in ihrem Interesse Politik machen und
unser Gesundheitswesen und unser ärztliches Berufsbild gestalten.
Lassen wir uns den Ausdruck „Funktionäre“ nicht von anderen
aufdrängen; es ist in Wirklichkeit ein Schimpfwort. Das muss man so sehen.
(Beifall)
Der nächste Redner ist Herr Benninger aus Baden-Württemberg.
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