TOP I: Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik

1. Tag: Dienstag, 3. Mai 2005, nur Nachmittagssitzung

PD Dr. Scholz, Hessen:
Sehr geehrtes Präsidium! Sehr verehrte Kollegen und Kolleginnen! Wenn über ärztliche Berufspolitik geredet wird, bedeutet das natürlich auch, dass wir auf den Nachwuchs und auf die Dinge, die wir im Krankenhaus vorfinden, schauen müssen. Die Hoffnung derer, die im Krankenhaus sind bzw. waren, ist, dass sie sich eines Tages niederlassen können. Die Ausblicke dafür sind im Moment aber, gelinde gesagt, verheerend. Es ist überhaupt nicht attraktiv, vom Krankenhaus wegzugehen und sich niederzulassen. So bleibt als Ausweg fast nur noch der Dauerarbeitsplatz Krankenhaus.

Glauben Sie mir: Es war nicht einfach, in Gießen den Streik zu organisieren. Wenn Sie abnehmen wollen, machen Sie das einmal, das ist eine ganz tolle Diät! Die empfehle ich Ihnen! Es war unglaublich, dass statt des Gejammers plötzlich mehr als die Hälfte der Kollegen und Kolleginnen die Arbeit niedergelegt haben. Das ist leider der einzige Weg, wie wir die Politik dazu bringen, ab und zu auf uns zu hören, und die Verwaltungen dazu bringen, ab und zu auf uns zu hören. Wir hören von der Politik und den Verwaltungen immer: Ja, die Situation ist schlimm, es ist schwierig, wie das bei euch Ärzten ist. Aber es hat sich nichts geändert, es passiert einfach nichts.

Wir haben im Vorfeld der Organisation erlebt, dass von der Verwaltung gesagt wurde: Wenn ihr das eine Stunde lang macht, dann ist das ganz toll, dann stört das nicht. Aber die Kolleginnen und Kollegen haben gesagt: Wir wollen das einen ganzen Tag lang machen, damit nicht nachmittags nachgearbeitet und die Arbeit nachgeholt wird, sondern das Haus soll es entsprechend zu spüren bekommen.

Mich hat an der ganzen Situation Folgendes traurig gestimmt. Wenn von der Verwaltung Druck kommt, dann können wir das aushalten. Es war schade, dass viele ärztliche Kollegen, die leitende Funktionen haben, Druck auf ihre Untergebenen ausgeübt und so verhindert haben, dass 99,9 Prozent der Kollegen und Kolleginnen demonstriert haben. Das ist nicht in Ordnung!

(Beifall)

Wir müssen auch von diesem Ärztetag aus ein Signal an die Politik senden. Deutschland – ich habe das gestern in meiner Rede auf Hessen bezogen – hat keine Rohstoffe, die es exportieren kann und die Geld bringen. Wir verfügen über Wissen und Können; das müssen wir honorieren und fördern. Stattdessen bilden wir die Leute mit viel Steuergeldern aus und anschließend verschwindet die Hälfte. Die Engländer wollen 10 000 Ärzte in Europa abwerben. Ich sage Ihnen: Das werden sie schaffen. Sie haben keinen Penny in die Ausbildung investiert.

Wir müssen der Politik klar machen: Wir haben Steuern bezahlt, ihr habt dort investiert, ihr müsst dafür sorgen, dass die Ärztinnen und Ärzte hier bleiben und vernünftige Bedingungen vorfinden. Wenn nicht genügend Klinikärzte zur Verfügung stehen, wer wird dann die Praxen übernehmen? Wer wird draußen im Lande die Versorgung übernehmen? Diese Fragen stelle ich.

Zum Abschluss ein kleines Beispiel dafür, wie wenig die Politik uns manchmal respektiert: Auf dem vorjährigen Ärztetag wurde sehr eindeutig, mit überzeugender Mehrheit beschlossen, dass die Häuser der Maximalversorgung – sprich: die Universitätsklinika – durch die Länder ausreichend finanziert werden sollen. Was aber passiert in Hessen? Die beiden Universitätsklinika Marburg und Gießen sollen bereits im Juni/Juli fusioniert werden, damit man sie im Januar nächsten Jahres an einen privaten Investor verkaufen kann. Ich habe noch keinen privaten Krankenhausträger gesehen, der eine nennenswerte medizinische Erfindung gemacht hat. Nennenswerte medizinische Erfindungen sind immer von Beschäftigten der Universitätsklinika gemacht worden, aber nicht von Privaten.

Hier müssen wir offensichtlich der Politik die rote Karte zeigen und ganz klar sagen: Es gibt einfach Grenzen, wo Schluss ist, dass wir verkauft werden.

Vielen Dank.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe:
Schönen Dank, Herr Scholz. Als nächster Redner Herr Antz aus Nordrhein.

 

© 2005, Bundesärztekammer.