Dr. Antz, Nordrhein: Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Herr Henke, Sie haben eine rationale Debatte
gefordert. Dazu möchte ich einen kleinen Beitrag leisten; zumindest möchte ich
den Versuch machen. Herr Hoppe hat gestern in seinem Referat zu
Tagesordnungspunkt I unter anderem den überzogenen Schönheitswahn gegeißelt und
natürlich auch, wie wir es von ihm wissen, kennen und schätzen, die
überbordende Gesundheitsbürokratie am Beispiel der DMPs. Es sei mir ein
dezenter Hinweis gegönnt: Herr Professor Hoppe, wir alle sind, auch wenn wir
uns nicht Funktionäre, sondern Mandatsträger nennen, Elemente der Bürokratie im
Gesundheitswesen. Wenn wir die Gesundheitsbürokratie geißeln, müssen wir aber
auch dezent, aber deutlich die Striemen auf dem eigenen Rücken spüren. Das nur
als Randbemerkung.
Wenn wir als Ärzte in der Praxis unsere Arbeit tun, dann gilt
für meinen Arbeitsbereich, dass überzogener Schönheitswahn so ziemlich das
allerletzte Problem ist, das ich am Tag zu bewältigen habe. Ich habe den
Eindruck, dass es vielmehr ein überzogener Gesundheitswahn ist, der uns alle
belastet und große Probleme bereitet. Wir Menschen sind defizitäre Wesen. Wir
Ärzte sind dazu da, diesen defizitären Wesen zu helfen, mit ihren Defiziten
zurechtzukommen, sie zu heilen, wenn Heilung möglich ist. Manchmal ist auch
Gesundung möglich, aber nicht immer.
Wir haben – das ist ein Vorwurf, den wir uns machen dürfen –
in der Zeit der großen Prosperität zugelassen, dass die Gesellschaft eine
Forderung an uns gestellt hat, die wir vielleicht leichtfertig zu erfüllen
versprochen haben. Jetzt können wir dieses Versprechen nicht einlösen. Wir
haben in der Zeit, als wir Geld hatten, alles zu machen und alles zu
finanzieren, versprochen: Wir machen euch gesund. Die Gesellschaft hat die
Forderung an uns gerichtet: Ihr könnt alles, dann tut es auch. Wir sind auf
diese Forderung eingegangen.
Ärzte müssen in allen Gesellschaften immer, unter allen
Bedingungen, den Menschen helfen, zurechtzukommen. Die zornige Forderung nach
Gesundheit für alle ist ebenso falsch wie das scheinheilige Versprechen, diese
erfüllen zu können. Eine Ärzteschaft, die sich dazu verleiten lässt – ich
greife jetzt Ihre Metapher auf –, diesen überzogenen Gesundheitswahn einer
hoffnungslos überforderten Gesellschaft sicherzustellen, muss scheitern, und
zwar allein deshalb, weil die jüngere Ärztegeneration nicht mehr willens und in
der Lage ist, dieses leichtfertige Heilsversprechen der Älteren einzulösen.
Zu den Stichworten „rationale Debatte“ und „Selbstkritik“: Ich
bin sehr für eine faire und belastbare Arbeitsteilung der Akteure im
Gesundheitswesen. Ich meine, dann sollte aber auch gesagt werden: Das
Heilsversprechen, das wir in Zeiten der Prosperität gegeben haben, schaffen die
Jüngeren nicht mehr einzulösen.
Vielen Dank.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen
Dank, Herr Antz, für diese hintergründigen Bemerkungen. Der nächste Redner ist
Herr Kollege Junker aus Westfalen-Lippe.
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