TOP I: Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik

1. Tag: Dienstag, 3. Mai 2005, nur Nachmittagssitzung

Dr. Junker, Westfalen-Lippe:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben ja schon ein Lob auf die Rede unseres Präsidenten gehört. Das sind wir nach all den Jahren schon gewohnt. Ich möchte Folgendes nachholen: Genauso gut, treffsicher und packend fand ich die Rede von Herrn Jonitz, dem Präsidenten der gastgebenden Landesärztekammer. Dafür auch ihm herzlichen Dank.

(Beifall)

Die Rede von Frau Schmidt war einfach eine populistische Rede. Sie hat mehr oder weniger elegant die wirklichen Probleme, die ihr weiß Gott deutlich vorgetragen wurden, umgangen. Dort, wo sie wirklich einmal auf den Nerv gekommen ist, hat sie deutlich den Unmut aus dem Plenum zu spüren bekommen, was sie offensichtlich wenig rührt. Es war meines Erachtens eine lange Rede, meistens in Spruchblasen.

Die Antwort lautet, wie so oft in der Politik: Wenn ich nicht mehr weiter weiß, gründe ich einen Arbeitskreis. Überall dort, wo die Regierung derzeit nicht weiter weiß, baut sie neue Agenturen auf – das ist die neue Bezeichnung für solche Arbeitskreise –, die aber – darauf müssen wir achten – nicht mehr unter der Verantwortung und der Regresspflichtigkeit der Regierung stehen, sondern wenn es danebengeht, ist es eben die Agentur gewesen.

Nach Meinung von Frau Schmidt ist der Ärztemangel nur ein Verteilungsdefizit. Hier ist es dasselbe wie in Bezug auf unser Honorar: Das liegt nur an Verteilungsfehlern, die in der Selbstverwaltung begründet sind. Die Unterstützung aus dem Ministerium wird wahrscheinlich so aussehen, dass die Ministerin die Selbstverwaltung – sprich: die KVen – dazu auffordern wird, entsprechende unterstützende Honorare zu zahlen, die wir natürlich aus unserer eigenen Tasche finanzieren dürfen.

Was nicht gesehen wird, ist die Reduzierung der Arbeitszeitproblematik auf die Regulierung der Arbeitszeit und der Organisation. Aber darum geht es eigentlich nicht. Anscheinend begreift auch die Ministerin nicht, dass es sich hier eigentlich im wahrsten Sinne des Wortes um die verloren gegangene Würde des Arztberufs und auch um die Würde der Arzt-Patient-Beziehung handelt. Das ist es, was so viele zum Abwandern, zum Aufhören oder zum Umschwenken bewegt. Wer sich mit angehenden Studenten unterhält, wird immer wieder hören, dass eigentlich dies den Frust ausmacht. Es geht nicht um die Begeisterung für den Beruf an sich. Ich denke, es wird die wichtigste Aufgabe sein, dieses Vertrauen und diese Würde wieder herzustellen. Ich denke, dass auch eine neue Regierung, die wir hoffentlich bald haben werden, ihre Mühe haben wird, dies zu bewerkstelligen.

Erlauben Sie mir zum Schluss noch ein kurzes Wort zum Präventionsgesetz. Ich glaube, dass das Präventionsgesetz nicht umsetzbar ist. Dieses Gesetz hat viele Kritiker gefunden. Die Grundkritiken kann man am besten von der Argumentation der Krankenkassen her ableiten. Nicht umsetzbar wird dieses Gesetz meiner Meinung nach deshalb sein, weil es meines Erachtens in unzulässiger Weise Primär- und Sekundärprävention vermischt. Wenn wir ein solches viertes Standbein in unser Sozialsystem packen wollen, müsste dies meines Erachtens zunächst einmal in der reinen Primärprävention bestehen. Ich spreche es deswegen an, weil das durchaus eine Möglichkeit wäre, die wir gemeinsam in der Bundesärztekammer und in den Landesärztekammern entwickeln könnten. Primärprävention ist etwas nur für Gesunde. Da haben Krankenkassen nichts zu suchen.

Deshalb muss die Primärprävention entweder durch ein Kapitaldeckungsverfahren finanziert werden, was in meinen Augen für unsere zukünftigen Sozialsysteme das Sinnvollste wäre, oder es müsste steuerfinanziert sein, was aber im Moment nicht möglich ist.

Die Primärprävention darf nicht erst im Schulalter beginnen, sondern sollte schon im Kindergarten anfangen. Sie hört bei den 80-Jährigen nicht auf. Die Primärprävention ist nur dadurch beschränkt, dass sie in Krankheit übergeht. Insofern ist definitionsgemäß die Primärprävention hinsichtlich der Finanzierung kein Fass ohne Boden, sondern man kann das peu à peu aufbauen. Sobald die Krankheit kommt, hört die Primärprävention auf.

Insofern gehören meines Erachtens hier auch nicht die Krankenkassen eingebunden. Dieses Modell kann nur mit den Ärzten und Vertretern anderer Gesundheitsberufe entwickelt werden. Daran sollten wir uns machen. Dies ist vielleicht auch ein Thema für den nächsten Ärztetag.

Schönen Dank.

(Vereinzelt Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe:
Schönen Dank, Herr Junker. Der nächste Redner ist Herr Thomas, ebenfalls aus Westfalen-Lippe.

 

© 2005, Bundesärztekammer.