Dr. Junker, Westfalen-Lippe: Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Wir haben ja schon ein Lob auf die Rede unseres
Präsidenten gehört. Das sind wir nach all den Jahren schon gewohnt. Ich möchte
Folgendes nachholen: Genauso gut, treffsicher und packend fand ich die Rede von
Herrn Jonitz, dem Präsidenten der gastgebenden Landesärztekammer. Dafür auch
ihm herzlichen Dank.
(Beifall)
Die Rede von Frau Schmidt war einfach eine populistische Rede.
Sie hat mehr oder weniger elegant die wirklichen Probleme, die ihr weiß Gott
deutlich vorgetragen wurden, umgangen. Dort, wo sie wirklich einmal auf den
Nerv gekommen ist, hat sie deutlich den Unmut aus dem Plenum zu spüren
bekommen, was sie offensichtlich wenig rührt. Es war meines Erachtens eine
lange Rede, meistens in Spruchblasen.
Die Antwort lautet, wie so oft in der Politik: Wenn ich nicht
mehr weiter weiß, gründe ich einen Arbeitskreis. Überall dort, wo die Regierung
derzeit nicht weiter weiß, baut sie neue Agenturen auf – das ist die neue
Bezeichnung für solche Arbeitskreise –, die aber – darauf müssen wir achten –
nicht mehr unter der Verantwortung und der Regresspflichtigkeit der Regierung
stehen, sondern wenn es danebengeht, ist es eben die Agentur gewesen.
Nach Meinung von Frau Schmidt ist der Ärztemangel nur ein
Verteilungsdefizit. Hier ist es dasselbe wie in Bezug auf unser Honorar: Das
liegt nur an Verteilungsfehlern, die in der Selbstverwaltung begründet sind.
Die Unterstützung aus dem Ministerium wird wahrscheinlich so aussehen, dass die
Ministerin die Selbstverwaltung – sprich: die KVen – dazu auffordern wird,
entsprechende unterstützende Honorare zu zahlen, die wir natürlich aus unserer
eigenen Tasche finanzieren dürfen.
Was nicht gesehen wird, ist die Reduzierung der
Arbeitszeitproblematik auf die Regulierung der Arbeitszeit und der
Organisation. Aber darum geht es eigentlich nicht. Anscheinend begreift auch
die Ministerin nicht, dass es sich hier eigentlich im wahrsten Sinne des Wortes
um die verloren gegangene Würde des Arztberufs und auch um die Würde der
Arzt-Patient-Beziehung handelt. Das ist es, was so viele zum Abwandern, zum
Aufhören oder zum Umschwenken bewegt. Wer sich mit angehenden Studenten
unterhält, wird immer wieder hören, dass eigentlich dies den Frust ausmacht. Es
geht nicht um die Begeisterung für den Beruf an sich. Ich denke, es wird die
wichtigste Aufgabe sein, dieses Vertrauen und diese Würde wieder herzustellen.
Ich denke, dass auch eine neue Regierung, die wir hoffentlich bald haben
werden, ihre Mühe haben wird, dies zu bewerkstelligen.
Erlauben Sie mir zum Schluss noch ein kurzes Wort zum
Präventionsgesetz. Ich glaube, dass das Präventionsgesetz nicht umsetzbar ist.
Dieses Gesetz hat viele Kritiker gefunden. Die Grundkritiken kann man am besten
von der Argumentation der Krankenkassen her ableiten. Nicht umsetzbar wird
dieses Gesetz meiner Meinung nach deshalb sein, weil es meines Erachtens in
unzulässiger Weise Primär- und Sekundärprävention vermischt. Wenn wir ein
solches viertes Standbein in unser Sozialsystem packen wollen, müsste dies
meines Erachtens zunächst einmal in der reinen Primärprävention bestehen. Ich
spreche es deswegen an, weil das durchaus eine Möglichkeit wäre, die wir gemeinsam
in der Bundesärztekammer und in den Landesärztekammern entwickeln könnten.
Primärprävention ist etwas nur für Gesunde. Da haben Krankenkassen nichts zu
suchen.
Deshalb muss die Primärprävention entweder durch ein
Kapitaldeckungsverfahren finanziert werden, was in meinen Augen für unsere
zukünftigen Sozialsysteme das Sinnvollste wäre, oder es müsste steuerfinanziert
sein, was aber im Moment nicht möglich ist.
Die Primärprävention darf nicht erst im Schulalter beginnen,
sondern sollte schon im Kindergarten anfangen. Sie hört bei den 80-Jährigen
nicht auf. Die Primärprävention ist nur dadurch beschränkt, dass sie in
Krankheit übergeht. Insofern ist definitionsgemäß die Primärprävention
hinsichtlich der Finanzierung kein Fass ohne Boden, sondern man kann das peu à
peu aufbauen. Sobald die Krankheit kommt, hört die Primärprävention auf.
Insofern gehören meines Erachtens hier auch nicht die
Krankenkassen eingebunden. Dieses Modell kann nur mit den Ärzten und Vertretern
anderer Gesundheitsberufe entwickelt werden. Daran sollten wir uns machen. Dies
ist vielleicht auch ein Thema für den nächsten Ärztetag.
Schönen Dank.
(Vereinzelt Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen
Dank, Herr Junker. Der nächste Redner ist Herr Thomas, ebenfalls aus
Westfalen-Lippe.
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