TOP II: Arbeitssituation der niedergelassenen Ärzte

1. Tag: Dienstag, 3. Mai 2005, nur Nachmittagssitzung

Dr. Kühn, Baden-Württemberg:
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Eines der Hauptprobleme der Praxen als Betriebe besteht darin, dass wir heute nicht wissen, wie morgen oder im nächsten Jahr unser Umsatz sein wird, und zwar unabhängig davon, wie sich die Patientenzahlen entwickeln, unabhängig davon, wie qualifiziert wir sind. Das unterscheidet uns von allen anderen freien Berufen. Unser Umsatz ist abhängig von Vorgaben des Sozialsystems, die wir kaum beeinflussen können. Diese Feststellung habe ich in dem hervorragenden Referat von Kollegen Gadomski vermisst.

Die beschriebene Situation hat Folgen für unser Investitionsverhalten und für uns als Arbeitgeber und damit für den Arbeitsmarkt. Soweit ich orientiert bin, haben die 16 000 bis 18 000 Praxen in Baden-Württemberg etwa 70 000 Angestellte. Es mögen auch 10 000 mehr oder weniger sein; so genau weiß ich das nicht. Das sind nicht ganz so viele wie bei Daimler-Benz, aber mehr als bei den meisten Großbetrieben.

Wie reagieren die Kolleginnen und Kollegen bei dieser seit Jahren durch Eingriffe des Gesetzgebers, aber auch durch Eingriffe qua Gebührenordnung unsicheren Situation? Sie werden nur das Allernötigste investieren und sie werden beim Personal sehr knapp kalkulieren.

Ich frage Sie: Wie soll jemand in diesem Jahr einen neuen Ausbildungsvertrag schließen, wenn er noch gar nicht weiß, wie der neue EBM seine individuelle Praxissituation verändert, und das auch noch auf drei Jahre bezogen?

Das ist etwas, was meines Erachtens auch in der Öffentlichkeit zu wenig beachtet wird, was auch von uns zu wenig hervorgehoben wird. Ich schätze, dass wir in Baden-Württemberg mehr Ausbildungsverträge und mehr Teilzeitverträge mit Praxisangestellten schließen würden, wenn die finanzielle Situation nicht so extrem unsicher wäre.

Wir werden als unterer Mittelstand drangsaliert durch eine Fülle von Vorschriften: durch sozialversicherungsrechtliche, berufsgenossenschaftliche, technische, gewerbliche und arbeitsrechtliche Vorschriften. Das betrifft auch andere Betriebe des Mittelstands, aber uns ganz besonders, weil wir größtenteils Kleinstbetriebe sind.

Das ist eine Situation, die sich sehr gegenüber jener von 1970 unterscheidet, als ich meine Praxis eröffnete, weit unterschiedlich auch gegenüber den Jahren 1980 oder sogar 1990. Das ist eine der bedrohlichsten Situationen für die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte. Ich denke, das muss einmal so antragsfrei dargestellt werden.

Ich danke Ihnen.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe:
Vielen Dank, Herr Kühn. Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Kollegen Merchel aus Westfalen-Lippe.

 

© 2005, Bundesärztekammer.